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»Quält Euch nicht selber, edler Ritter,« sagte Rebekka. »Das Getöse ist plötzlich verstummt. Vielleicht kommt es gar nicht zum Kampfe.«

»Davon versteht Ihr nichts,« sagte Wilfried. »Diese Todesstille bedeutet nur, daß die Männer an ihre Posten auf den Wällen gegangen sind. Sie erwarten den Angriff. Der Sturm steht bevor, und wird gleich mit voller Wut losbrechen. – Könnte ich nur das Fenster dort erreichen.«

»Ich will mich an das Gitter stellen und Euch erzählen, was ich sehe,« sagte Rebekka.

»Das dürft Ihr nicht,« fiel ihr der Ritter ins Wort. »Jedes Fenster, jede Öffnung wird bald ein Ziel für die Bogenschützen sein. Wenn ein aufs Geratewohl abgeschossener Pfeil –«

»Er soll mir willkommen sein,« sagte Rebekka zu sich selber. Mit festen Schritten war sie gleich darauf die Stufen emporgestiegen. »Rebekka! teure Rebekka!« rief Ivanhoe. – »Das ist kein Schauspiel für Mädchen. Setz dich nicht der Gefahr aus, getötet und verwundet zu werden, und mach mich nicht auf ewig unglücklich, weil ich die Schuld daran trüge. Wenigstens decke dich mit dem alten Schild dort und zeige dich so wenig wie möglich am Fenster.«

Mit staunenswerter Gewandtheit tat Rebekka, wie Ivanhoe ihr riet. Sie stellte sich nur an den untern Teil des Fensters und konnte hier deutlich sehen, was draußen vorging.

»Der Rand des Waldes scheint ganz mit Bogenschützen bedeckt zu sein,« sagte sie, »aber nur wenige haben sich bis jetzt aus dem Schatten hervorgewagt.«

»Könnt Ihr ein Banner sehen?«

»Ein Feldzeichen ist nicht zu entdecken.«

»Das ist seltsam,« sagte Ivanhoe. »Eine solche Festung erstürmen zu wollen, ohne ein Banner wehen zu lassen? – Könnt Ihr nicht sehen, wer die Anführer sind?«

»Ich sehe einen Ritter in einer schwarzen Rüstung, er scheint die Hauptperson zu sein,« sagte Rebekka. »Er ist der einzige, der von Kopf bis zu Füßen bewaffnet ist, er scheint das Ganze zu leiten.«

»Was für eine Devise hat er auf dem Schilde?«

»Etwas, das aussieht wie ein eiserner Balken und ein blaues Vorlegeschloß auf blauem Felde, ist auf den schwarzen Schild gemalt.«

»Ein Fesselschloß und Fesseln in blauem Felde?« sagte Ivanhoe; »wer das ist, der diese Devise führt, weiß ich nicht. Aber ich selber könnte sie jetzt wahrlich führen. Den Wahlspruch könnt Ihr nicht sehen? Auch sind sonst keine andern Anführer zu sehen?«

»Keiner soweit ich sehen kann. Sie scheinen jetzt vorrücken zu wollen. Gott Zions, beschütze uns! welch fürchterlicher Anblick! Sie kommen mit großen Schilden und Schutzdächern aus Brettern heran, und dahinter kommen andere mit gespannten Bogen. Jetzt heben sie sie hoch. – Herr Gott des Himmels, verzeih denen, die du erschaffen hast!« Sie wurde in ihrer Beschreibung durch das Zeichen zum Sturmangriff unterbrochen, das von einem Jagdhorn gegeben und von einer Fanfare normännischer Trompeten wiederholt wurde. Dazwischen klang das Kriegsgeschrei der Parteien. Die Stürmenden schrien: Heiliger Georg für England! – die Normannen riefen: En avant de Bracy! Beauséant, beauséant! – Front-de-Boeuf à la ressource! – je nachdem, zu welchem der Anführer sie gehörten. Aber mit Lärm allein war es nicht getan. Die Angriffe der Belagerer fanden den heftigsten Widerstand. Die im Gebrauche des langen Bogens sehr geübten Schützen schossen immer alle auf einmal ab, und wo sich nur einer der Schloßmannschaft sehen ließ, traf ihn der Pfeil. Die Pfeile flogen dicht wie Hagelschauer und drangen dutzendweise durch jede Lücke und jedes Loch der Brustwehr. Durch diesen unausgesetzten Regen von Pfeilen wurde die Besatzung um zwei bis drei Tote und mehrere Verwundete verringert. Aber im Vertrauen auf ihre feste Stellung fochten die Mannen Front-de-Boeufs mit einer Hartnäckigkeit, gegen die der Ansturm trotz all seiner Wucht nichts vermochte. Die Angreifenden, die weniger in Deckung waren, hatten mehr Verluste als die Belagerten.

»Und hier muß ich liegen wie ein kranker Mönch!« rief Ivanhoe. »Und der Kampf, der mir Freiheit gibt oder den Tod, wird von andern ausgefochten. Schaut noch einmal hinaus, gutes Mädchen, und seht, ob die Stürmenden Boden gewinnen.« Rebekka trat noch einmal an das Fenster, indem sie sich so mit dem Schilde deckte, daß man sie von unten nicht sehen konnte. »Was seht Ihr, Rebekka?« fragte der verwundete Ritter.

»Nichts als eine Wolke von Pfeilen, die so dicht ist, daß sie das Auge nicht durchdringen kann. Die Schützen selber sind davor nicht zu sehen.«

»Damit kommen sie nicht weiter,« sagte Ivanhoe. »Wenn sie nicht mit Macht vorgehen, mit den Pfeilen können sie keine Mauern und keine Außenwerke bewältigen. Seht Euch nach dem Ritter mit dem Fesselschloß um – seht zu, was er beginnt: er ist der Anführer, die andern werden nach seinen Befehlen handeln.«

»Er ist nicht zu sehen,« sagte Rebekka. »Doch ja! jetzt sehe ich ihn! er führt einen Trupp an die äußere Schutzwand des Brückenkopfes. Sie reißen die Pfähle und Palisaden aus und hauen sie mit den Äxten nieder. Der schwarze Federbusch des Ritters weht über dem Haufen wie ein Rabe über dem Schlachtfeld. – Jetzt haben sie eine Bresche geschlagen. Sie dringen hinein – sie werden zurückgeworfen. Front-de-Boeuf führt die Verteidiger an. Ich sehe seine Riesengestalt im Gewühl. Sie dringen wieder bis an die Bresche – sie ringen um den Eingang – sie fechten Mann gegen Mann.«

Als könne sie das Entsetzliche nicht länger mit ansehen, wandte sie das Haupt ab. Dann sah sie auf Ivanhoes Bitte hin noch einmal in den Kampf und rief: »Heilige Propheten! Front-de-Boeuf und der schwarze Ritter fechten miteinander und ihre Krieger folgen lärmend dem Verlauf des Zweikampfes. Gott meiner Väter! unterstütze die Sache der Bedrohten und Gefangenen.« Gleich darauf schrie sie laut auf: »Er fällt! er fällt!« »Wer?« rief Ivanhoe. »Um der heiligen Jungfrau willen! wer?«

»Der schwarze Ritter! –« schrie Rebekka. Aber im selben Augenblick setzte sie hinzu: »Nein! nein! der Herrgott der himmlischen Heerscharen sei gelobt! Er steht wieder fest und kämpft, als hätte er die Kraft von zwanzig Mann in seinen Armen! Sein Schwert ist zerbrochen. Er reißt einem Yeoman die Streitaxt aus der Hand – er bedroht Front-de-Boeuf Schlag auf Schlag! der Riese wankt – wie die Eiche unter den Hieben des Fällers – er sinkt – er fällt –«

»Front-de-Boeuf!« rief Ivanhoe.

»Front-de-Boeuf!« erwiderte Rebekka. »Seine Mannen kommen ihm zu Hilfe, der stolze Templer führt sie an – ihre Übermacht wirft die Angreifer zurück und sie tragen Front-de-Boeuf herein.«

»Haben die Stürmenden die Barrieren gewonnen?«

»Jawohl, und sie setzten auf den Außenwerken den Belagerten hart zu. Leitern legen sie an, sie schwärmen wie die Bienen, heben einander auf den Schultern empor – Steine, Balken und Baumstämme werden auf sie herniedergeworfen, und sobald Verwundete gefallen sind, steigen auch schon neue Streiter an ihre Stelle herauf. Nun haben sie die Leitern umgestürzt, die Soldaten liegen darunter wie zertretenes Gewürm, die Belagerten sind im Vorteil.«

»Heiliger Georg!« rief Ivanhoe. »Kämpfe du für uns! Weichen denn diese erbärmlichen Yeomen etwa zurück?«

»Nein!« rief Rebekka. »Sie zeigen sich als echte Yeomen! Der schwarze Ritter naht jetzt mit seiner Axt dem Tore. Ihr könnt die donnernden Schläge hören, sie übertönen den Kampfeslärm. – Steine und Balken werden auf ihn herabgeworfen, aber er achtet darauf so wenig, als wären es Federn oder Disteln.«

»Nur ein Mann lebt in England,« rief Ivanhoe, indem er sich frohgemut auf seinem Lager aufrichtete, »der solch eine Tat vermag!«

»Die Tür bebt –« fuhr Rebekka fort, »sie zersplittert unter seinen Schlägen! – die Krieger dringen herein – das Außenwerk ist genommen – o Gott, von den Mauern stürzen sie die Verteidiger herunter, sie werfen sie in den Graben! O Menschen, seid ihr denn wirklich Menschen? – Verschont doch die, die sich nicht mehr wehren können!«