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»Aber die Brücke zum Schlosse haben sie noch nicht?«

»Nein! der Templer hat sie zerstört und ist mit einer geringen Anzahl ins Schloß entkommen. Fürs erste scheint es nun vorüber. Unsere Freunde setzen sich auf dem Außenwerke fest, das ihnen hinreichenden Schutz gewährt. Man sieht kaum noch einige Bolzen fliegen.«

»Unsere Freunde werden ein so glücklich begonnenes Unternehmen nicht unvollendet aufgeben,« sagte Wilfried. »Nein! ich verlasse mich auf den schwarzen Ritter, dessen Streitaxt Eisenstäbe zerschlug und der ein Herz von Eisen spaltete. Seltsam!« sagte er zu sich selber. »Gibt es denn zwei Männer, die ein solches Wagnis auf sich nehmen? Ein Fesselschloß und Fesseln auf blauen Felde? Was soll das bedeuten? Siehst du sonst nichts, woran der schwarze Ritter zu erkennen wäre?«

»Nichts,« erwiderte die Jüdin. »Alles an ihm ist schwarz wie das Gefieder des Nachtraben. Ich kann nichts erkennen, was ihn deutlicher kennzeichnete, aber seit ich ihn einmal im Kampfe gesehen habe, will ich ihn unter tausend Kriegern herauskennen. Er stürzt sich in den Kampf, als wäre er zu einem Feste geladen. Das geht über die bloße Kraft eines Menschen weit hinaus! Es scheint, als sei die ganze Seele, der ganze Geist des Streiters bei jedem Schlage, den er führt. Der Herr vergebe ihm, daß er soviel Blut vergießt. Es ist entsetzlich, aber doch auch erhaben anzusehen, wie das Herz und der Arm eines einzigen über Hunderte triumphiert.«

»Rebekka,« sagte Ivanhoe, »Ihr habt da einen Helden beschrieben, und machen sie nur Rast, um neue Kräfte zu sammeln oder Mittel herbeizuschaffen, um über den Graben hinüberzukommen – unter einem Führer, wie ihr ihn geschildert habt, gibt es keine feige Furcht, keine Saumseligkeit und kein Zurückbeben vor kühnem Wagnis. Je schwieriger die Tat, desto glorreicher! – Bei der Ehre meines Hauses, bei der Liebe zu meiner Schönen! Zehn Jahre wollte ich gefangen sein, dürfte ich nur einen Tag lang an der Seite dieses edeln Ritters in solchem Kampfe streiten.«

Still sah Rebekka noch eine Zeitlang hinaus, dann sah sie nach dem Lager des Ritters. »Er schläft,« sagte sie. »Durch Schmerz und Aufregung erschöpft, ergreift seine Natur die erste Minute anscheinender Ruhe, um selber auszuruhen. – Ach! ist es denn ein Verbrechen, ihn anzusehen? Es ist ja doch vielleicht das letztemal! – Ach, und mein Vater! Schlecht beraten ist deine Tochter! Sie denkt mehr an die goldenen Locken des Jünglings als an dein graues Haar. – Doch ich will diese Torheit aus meinem Herzen reißen, und sollte jede Fiber darüber verbluten.« Mit diesen Worten legte sie den Schleier fest um sich und setzte sich abseits von Wilfrieds Lager, dem Kranken den Rücken kehrend ...

Während auf kurze Zeit Ruhe eingetreten war, lag der Herr des belagerten und gefährdeten Schlosses auf seinem Bette, geistig ohnmächtig und körperlich von Schmerzen geplagt. Ihm stand nicht die Zuflucht offen, die die Abergläubischen der damaligen Zeit in der Regel benutzten: durch Geschenke an die Kirche die Absolution zu erkaufen. Front-de-Boeuf, der harte, habsüchtige Mensch, dessen stärkstes Laster der Geiz war, bot lieber der Kirche und ihren Dienern Trotz, als daß er für die Vergebung der Sünden Geld und Gut hingegeben hätte. Front-de-Boeuf hätte auch stets gern auf Arznei verzichtet, nur um keinen Arzt rufen zu müssen. Jetzt aber war die Stunde gekommen, wo die Erde mit all ihren Schätzen und Herrlichkeiten vor seinem Auge zu einem Nichts zusammenschrumpfte und sein Herz, das sonst so hart war wie ein Mühlstein, erbebte vor dem Blick in die Zukunft. Die Gemütsangst und die marternde Ungewißheit erhöhten noch das Fieber, das seinen Leib durchraste, und sein Totenbett war der Schauplatz eines erbitterten Kampfes zwischen dem aufgerüttelten Gewissen und der alten Hartnäckigkeit und Verstocktheit, die nicht so leichten Kaufes das Feld räumen wollten. Ein gräßlicher Seelenzustand, wie man ihn nur in jenen Regionen kennt, wo es Klagen gibt aber keine Hoffnung, Gewissensbisse aber keine Reue, und Verzweiflung und Furcht kein Ende haben.

»Wo sind jetzt die Hunde von Priestern?« stöhnte der Baron. – »Wo sind alle die Karmeliter, für die der alte Front-de-Boeuf das Kloster zur heiligen Anna gründete? Seinen Erben hat er damit um einen satten Wiesengrund und ein gutes Stück fettes Ackerland gebracht! – Sicher sitzt die Sippe beim Bierkrug! Und mich, den Erben dessen, der ihr Kloster gegründet hat, mich lassen sie sterben wie einen räudigen Hund! Statt daß sie für mich beten, wie es ihre Pflicht wäre! – Die undankbaren Schufte! Ohne Absolution und Beichte lassen sie mich verrecken. – Sagt dem Templer, er solle kommen, er ist ja auch ein Priester! Doch nein! – ebenso könnt ich dem Teufel beichten, als Bois-Guilbert, der weder Himmel noch Hölle kennt. Ich habe auch von alten Leuten gehört, daß sie beten könnten und allein beteten und keines Priesters bedürften – aber, aber – das – das – darf ich nicht ...«

»Ist es schließlich doch noch dahingekommen,« sagte eine pfeifende Stimme an seinem Bette, »daß Front-de-Boeuf sagen muß, es gäbe etwas, was er nicht darf?« Das böse Gewissen machte, daß Front-de-Boeuf, dessen Nerven völlig erschüttert waren, in dieser Stimme, die so seltsam sein Selbstgespräch unterbrach, die Stimme eines jener Dämonen zu hören glaubte, die nach dem Aberglauben der damaligen Zeit an das Bett von Sterbenden traten und seine Gedanken verwirrten und ihn von der Betrachtung seines ewigen Heiles ablenkten. Er fuhr zusammen, aber er raffte seine alte Unerschrockenheit noch einmal auf und rief: »Wer ist da? – wer bist du, daß du es wagst, auf meine Worte zu antworten wie eine Nachtmahr? Komm und tritt hervor, daß ich dich sehen kann!«

»Ich bin dein böser Genius, Reginald Front-de-Boeuf!« erwiderte die Stimme.

»Wenn du in der Tat ein böser Feind bist, so laß dich schauen in deiner leibhaftigen Gestalt,« sagte der sterbende Ritter. »Denke nicht, ich würde mich vor dir fürchten. Bei der ewigen Verdammnis, wenn ich nur mit den Schuften, die jetzt auf mich eindringen, fechten könnte wie mit Feinden von Fleisch und Blut, so sollten weder Himmel noch Hölle sagen können, ich fürchtete den Kampf.«

»Reginald Front-de-Boeuf! denk an deine Sünden! Aufruhr, Raub und Mord! Wer hat den ausschweifenden Johann gegen seinen Vater aufgehetzt? und gegen seinen hochherzigen Bruder?«

»Ob du nun ein böser Geist bist, ein Priester oder ein Teufel,« entgegnete Front-de-Boeuf, »du lügst in deinen Hals hinein. – Nicht ich wars, der Johann zum Aufruhr anstachelte, nicht ich allein! Fünfzig Ritter und Barone, die vornehmsten unter den Grafen des Südens – und soll ich allein büßen für die Schuld der Fünfzig? Hebe dich hinweg, teuflischer Geist, und laß mich in Frieden sterben!«

»Du sollst nicht sterben in Frieden,« antwortete die Stimme. »Noch im Todeskampfe sollst du an deine Mordtaten denken – an die Seufzer und das Gestöhn, das in diesen Gewölben widerhallte, an das Blut, das über diesen Fußboden geflossen ist.«

»Deine kleinliche Bosheit hat mir nichts an,« erwiderte Front-de-Boeuf mit einem gräßlichen, erzwungenen Lachen. »Der ungläubige Jude? So einen zu mißhandeln, gilt als ein Verdienst! Die Männer, die ihre Hände in Sarazenenblut gebadet haben, sind heilig gesprochen worden. Die sächsischen Schweine, die ich erschlagen habe? Das waren die Feinde meines Vaterlandes, meines Volkes und meines Lehnsherrn. – Ho, ho, du siehst, es ist kein Loch in meinem Panzer! Bist du nun verstummt?«

»Nein, abscheulicher Verräter!« versetzte die Stimme. »Denk an deinen Vater, und wie sein Gemach überfloß von seinem Blute, das die Hand seines Sohnes vergossen hatte.«

»Ha!« versetzte nach langem Schweigen der Baron. »Und das weißt du? Dann bist du wirklich der Urheber alles Übels und so allwissend, wie dich die Priester nennen. Ich glaubte, das Geheimnis sei in meiner Brust verschlossen gewesen – und in noch einer – in der Brust des Weibes, das mich dazu versucht und daran teilgenommen hat – geh, böser Feind! Suche die sächsische Hexe Ulrika auf, die kann dir erzählen, was nur sie und ich gesehen haben. – Geh zu ihr, sage ich dir, die die Wunde gewaschen hat und die den Leichnam ausgestreckt hat, daß er aussah, als sei der Mann eines natürlichen Todes gestorben. – Geh zu ihr, sie hat mich verführt, sie hat mir gräßlich meine Tat gelohnt! Wenn mich, so laß auch sie die Qualen der Hölle kosten.«