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»So ist das also. Wenn also eines Ihrer Mitglieder den bestellten Sitz nicht nimmt, dann wird das im Sitzplan angezeichnet.«

»Nur wenn der Platz verkauft wird.«

»Natürlich.«

»Nach der ersten Woche sind wir nicht oft ausverkauft. Wir würden gern jede Woche ein neues Stück spielen, aber das ist nicht leicht. . . durchführbar. Für vierzehn Tage en suite ist wieder auch nicht das Publikum da, eigentlich.«

»Nein, wohl nicht ganz. Bewahren Sie alte Sitzpläne auf?«

»Manchmal, wegen der Abrechnung.«

»Was ist mit Dienstag, dem 3. Januar?«

Sie öffnete einen Schrank und nahm einen Stapel gedruckter Sitzpläne heraus. »Das ist die dritte Woche unserer Pantomime, natürlich. Tradition.«

»Ja«, sagte Mendel.

»Also, an wem sind Sie denn so interessiert?« fragte Mrs. Oriel und nahm ein dickes Buch vom Schreibtisch.

»Eine kleine Blonde, ungefähr zweiundvierzig oder dreiundvierzig. Der Name ist Fennan, Elsa Fennan.«

Mrs. Oriel öffnete ihr Buch. Mendel sah ihr völlig schamlos über die Schulter. In der linken Kolonne waren die Namen der Klubmitglieder mit netter Schrift verzeichnet. Ein roter Haken links daneben bedeutete, daß das Mitglied seinen Beitrag bezahlt hatte. Auf der rechten Seite waren Anmerkungen über die für das laufende Jahr ständig bestellten Sitze. Es gab ungefähr achtzig Mitglieder.

»Der Name sagt mir nichts. Wo sitzt sie denn?«

»Keine Ahnung.«

»O ja, hier haben wir es schon. Merridale Lane, Walliston. Also wir wollen einmal sehen. Ein Parkettsitz hinten, ganz an der Wand. Komischer Geschmack, finden Sie nicht auch? Sitz Nummer R 2. Aber Gott mag wissen, ob sie am 3. Januar da war. Ich glaube nicht, daß wir den Plan noch haben, obwohl ich in meinem ganzen Leben nichts weggeworfen habe. Die Sachen verflüchtigen sich einfach, nicht wahr?« Sie sah ihn von der Seite her an, offenbar in der Hoffnung, ihre fünf Pfund schon verdient zu haben. »Ich werde Ihnen etwas sagen, wir werden die Jungfrau fragen.« Sie stand auf und ging zur Tür. »Fennan . . . Fennan . . .?« sagte sie. »Einen Augenblick. Jetzt hab' ich's. Komisch, wieso? Ach ja, verflixt. Ja natürlich. Die Notenmappe.« Sie machte die Tür auf. »Wo ist die Jungfrau?« sagte sie zu jemandem auf der Bühne.

»Keine Ahnung.«

»Nichtsnutziger Dickschädel«, sagte Mrs. Oriel und schloß die Tür wieder. Sie drehte sich Mendel zu. »Die Jungfrau ist die Blüte unserer Hoffnung. Eine englische Rose, die theatertolle Tochter eines Rechtsanwalts, ganz Florstrümpfe und Hasch-mich-wenn-du-kannst. Sie ist uns ein Greuel. Manchmal bekommt sie eine Rolle, weil ihr Vater für den Schauspielunterricht zahlt. Manchmal, wenn ein großer Ansturm ist, weist sie Plätze an, sie und Mrs. Torr, die Reinemachefrau, die sonst die Damentoilette hat. Normalerweise macht Mrs. Torr alles allein, und die Jungfrau treibt sich in den Kulissen herum in der Hoffnung, daß die Hauptdarstellerin tot zusammenbrechen wird.« Sie machte eine Pause.

»Ich bin verdammt sicher, daß ich mich an den Namen Fennan erinnere, verdammt sicher. Wo diese Kuh nur stecken kann?« Sie verschwand einige Minuten und kam mit einem großen, ziemlich hübschen Mädchen mit blondem gekräuseltem Haar und roten Backen zurück, die sicher eine ausgezeichnete Tennisspielerin und Schwimmerin war.

»Das ist Elizabeth Pidgeon. Darling, wir suchen eine Mrs. Fennan, ein Mitglied. Hast du mir nicht irgend etwas von ihr erzählt?«

»Ja natürlich, Ludo.« Sie bildete sich offenbar ein, daß ihre Stimme süß klang. Sie lächelte Mendel geistlos an, legte den Kopf zur Seite und flocht ihre Finger ineinander. Mendel wendete ihr den Kopf zu.

»Kennst du sie?« fragte Mrs. Oriel.

»Ja sicher, Ludo. Sie ist schrecklich musikalisch. Wenigstens glaube ich es, denn sie bringt immer Noten mit. Sie ist schrecklich mager und komisch. Sie ist eine Ausländerin, nicht wahr, Ludo?«

»Warum komisch?«

»Ja, das letztemal, wie sie hier war, hat sie ein gräßliches Theater gemacht wegen des Platzes neben ihr. Er war vom Klub aus reserviert, verstehen Sie, und es war längst zwanzig nach sieben vorbei. Wir hatten gerade mit der Panto-Saison begonnen, und draußen standen Tausende von Leuten, die Plätze wollten, deshalb habe ich ihn verkaufen lassen. Sie sagte ununterbrochen, daß diese Person sicher kommen würde, weil sie immer käme.«

»Und ist sie dann wirklich gekommen?« fragte Mendel.

»Nein. Ich habe den Platz verkaufen lassen. Sie muß fürchterlich schlecht aufgelegt gewesen sein, denn sie ist nach dem zweiten Akt davon und hat vergessen, ihre Notenmappe aus der Garderobe zu holen.«

»Dieser Mensch, von dem sie so sicher war, daß er kommen würde, ist der mit Mrs. Fennan befreundet?«

Ludo sah Mendel vielsagend an. »Joh, das will ich meinen. Er ist ihr Mann, nicht wahr?«

Mendel sah sie einen Augenblick an, lächelte dann und sagte: »Haben wir nicht einen Stuhl für Elizabeth?«

»Joh, danke«, sagte die Jungfrau und setzte sich auf die Kante eines alten vergoldeten Sessels wie der der Souffleuse in den Kulissen. Sie legte ihre dicken roten Hände auf die Knie und lächelte ununterbrochen, voll Erregung darüber, der Mittelpunkt von so viel Interesse zu sein. Mrs. Oriel sah sie giftig an.

»Weshalb glauben Sie, daß es ihr Mann ist, Elizabeth?« Es war eine leichte Schärfe in seiner Stimme, die früher nicht dagewesen war.

»Ja, ich weiß, daß sie nicht zusammen kommen, aber ich dachte, weil sie Plätze haben, die nicht bei denen der anderen Klubmitglieder sind, daß sie verheiratet sein müßten. Und übrigens bringt ja auch er immer eine Notenmappe mit.«

»Aha. Können Sie sich noch an irgend etwas an diesem Abend erinnern, Elizabeth?«

»Oh, natürlich. Eine ganze Menge. Verstehen Sie, ich habe Mitleid mit ihr gehabt, weil sie so verärgert weg ist, und später am Abend hat sie dann angerufen. Also Mrs. Fennan, meine ich. Sie sagte ihren Namen und erzählte, daß sie früher weggegangen wäre und ihre Notenmappe vergessen hätte. Obendrein hätte sie noch den Garderobenschein verloren und sei in schrecklicher Aufregung. Es klang so, als weinte sie. Ich hörte eine Stimme im Hintergrund, und dann sagte sie, es würde jemand vorbeikommen und die Tasche abholen, wenn es ohne den Schein ginge. Ich sagte, natürlich, und eine halbe Stunde später ist der Mann gekommen. Der ist allerhand Klasse. Groß und blond.«

»So ist das also«, sagte Mendel. »Ich danke Ihnen sehr, Elizabeth. Sie waren mir eine große Hilfe!«

»Joh, das ist fein.« Sie stand auf.

»Übrigens«, sagte Mendel noch, »dieser Mann, der die Tasche geholt hat - war das nicht derselbe Mann, der im Theater immer neben ihr sitzt?«

»Ja natürlich, joh, tut mir leid, das hätte ich gleich sagen sollen.«

»Haben Sie mit ihm gesprochen?«

»Ach, nur >bitte sehr, da< und so.«

»Was für eine Stimme hatte er?«

»Ausländisch, wie Mrs. Fennan - sie ist doch eine Ausländerin, nicht wahr? Den Eindruck hatte ich wenigstens - ihre Art und das ganze Getue - ausländisches Temperament.«

Sie lächelte Mendel zu, wartete einen Moment und ging dann hinaus wie Alice im Wunderland.

»Kuh«, bemerkte Mrs. Oriel und sah auf die geschlossene Tür. Dann blickte sie Mendel an. »Also, hoffentlich war das Ihre fünf Pfund wert.«

»Ich glaube schon«, meinte Mendel.

Ein Klub dritter Klasse

 

Als Mendel eintrat, saß Smiley voll angezogen in einem Armstuhl. Peter Guillam lümmelte genießerisch auf dem Bett und hielt eine blaßgrüne Mappe lässig in der Hand. Der Himmel draußen war dunkel und drohend.

»Der dritte Mörder betritt die Bühne«, sagte Guillam, als Mendel eintrat. Mendel setzte sich auf das Fußende des Bettes und nickte Smiley, der bleich und deprimiert aussah, fröhlich zu.

»Gratuliere. Erfreulich, Sie wieder auf den Beinen zu sehen.«

»Danke. Ich fürchte nur, wenn Sie mich wirklich auf den Beinen sähen, würden Sie mir nicht gratulieren. Ich bin schwach wie eine neugeborene Katze.«