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San Francisco brannte.

Feuer und Rauch verwandelten die nächtliche Stadt am Golden Gate in einen Ort des Schreckens.

Zwischen und auf den vielen Hügeln rund um die große Bucht von San Francisco liefen Tausende von Menschen durcheinander: Amerikaner, Mexikaner, Chinesen, Franzosen, Australier, Deutsche und viele andere Rassen und Nationalitäten mehr.

Vielsprachiges Geschrei strengte sich oft vergebens an, das Knistern der gefräßigen Flammen und das Zusammenkrachen verbrennender Gebäude zu übertönen.

Die Ausrufe der Franzosen, in San Francisco oft abfällig Keskydes genannt, klangen selbst in Panik noch wie Liebeserklärungen.

Mexikaner und spanischstämmige Kalifornier riefen in ihrer Verzweiflung die Heilige Maria und eine Menge weiterer Heiliger an, auf spanisch natürlich.

Und immer wieder das Geschnatter der Chinesen, das für ungewohnte Ohren stets aufgeregt klang. Jetzt aber überschlugen sich die Stimmen der Asiaten geradezu.

Sie hatten auch Grund dazu. In Chinatown, dem Chinesenviertel von San Francisco, war die Feuersbrunst ausgebrochen, die sich nun fast über die halbe Stadt erstreckte.

Wäschereien und Werkstätten, Restaurants und Spelunken, Opiumhöhlen und Kaschemmen, alles war ein Raub der Flammen geworden.

Familien wurden auseinandergerissen. Väter, Mütter und Kinder rannten suchend durch die Straßen, schrien die Namen ihrer gesuchten Lieben und beteten zu ihren Göttern, die Vermißten mögen nicht von Flammen verzehrt, im dichten Rauch erstickt, unter den verkohlten Trümmern begraben sein.

Das sich nach allen Seiten ausbreitende Feuer trieb die Menschen weiter. Sie konnten nicht lange an einem Ort verweilen in der Hoffnung, ihre Lieben zu treffen. Die Waberlohe sprang von Dach zu Dach und überfiel Straßenzug um Straßenzug.

Die Löschbemühungen der Bevölkerung, die überall Ketten gebildet hatte, um schnell Wassereimer um Wassereimer an die Feuerfront zu bringen, hielten den Brand nicht auf. Sie führten im besten Fall zu einer Verzögerung. Zeit genug, bedrohte Straßen zu evakuieren.

Auch der unermüdliche Einsatz der zahlreichen Feuerwehrkompanien konnte daran nichts ändern.

Wäre es ihnen gelungen, den Brandherd frühzeitig einzukreisen, hätten die Männer von Broderick One, Protection Two, Social Three und all der anderen Freiwilligenverbände mit ihren starken Spritzen eine reelle Chance gehabt.

Aber sie mußten ihre Kräfte zu sehr zersplittern. Die silbern schimmernden Wasserstrahlen, die sich aus den Schläuchen ins Flammenmeer ergossen, verwandelten sich dort allzu schnell in die sprichwörtlichen Tropfen, die auf heiße Steine fielen.

Schuld an der Misere, dem schnellen Ausbreiten des Feuers, waren Louis Bremer und seine Gangsterbande, die für den berüchtigten und geheimnisvollen Hai von Frisco arbeiteten.

Auf der Suche nach dem deutschen Auswanderer Jacob Adler, seinem Freund Elihu Brown und der Chinesin Susu Wang, die eigentlich Wang Shu-hsien hieß und unter ihren Landsleuten als >Königin von Chinatown< bekannt war, hatten sie überall in Chinatown Feuer entzündet.

Die weißen Gangster wollten es den verhaßten Chinesen zeigen. Außerdem schien dieses Handeln ganz im Sinne des Hais zu sein, in dessen Auftrag Bremers Männer eine Nacht zuvor bereits versucht hatten, das Viertel der sich dem Hai widersetzenden Chinesen niederzubrennen.

*

Fluchend stand Henry Black am Fenster seines Büros und sah hinunter auf den riesigen Portsmouth Square, die Lebensader San Franciscos.

Man schrieb den März des Jahres 1864. Während weiter östlich die gnadenlosen Schlachten des Bürgerkrieges tobten, in dem Amerikaner gegen Amerikaner, Freund gegen Freund und oft auch Bruder gegen Bruder kämpften, befand sich die große Stadt an der amerikanischen Westküste mal wieder im Goldrausch.

In ganz Frisco pulsierte das Leben. Der Portsmouth Square mit seinen vielen und großen Vergnügungspalästen war das Herz der aufgewühlten Stadt.

In dieser Nacht war es anders als sonst, wenn der ausgelassene Lärm bis in die frühen Morgenstunden erscholl.

In Scharen verließen die Goldgräber und sonstigen Vergnügungssuchenden jetzt die großen, hell erleuchteten Häuser. Auch das größte und beeindruckendste Gebäude, das von Henry Black geleitete Golden Crown, bildete keine Ausnahme.

Ohne ihre Gläser auszutrinken, rannten die Gäste aus dem Saloon mit der langen Bar.

Männer, die auf den Goldfeldern monatelang keine Frau gesehen hatten, ließen die überraschten Tanz-Girls mitten im Lied stehen.

Ohne auf ihren möglichen Gewinn zu warten, sprangen die Glücksritter von den Spieltischen auf. Ihre möglicherweise erfolgsträchtigen Blätter blieben liegen. Einsam drehte sich die Roulettkugel.

Im Hotel, das seine Zimmer auch stundenweise vermietete, lag manches Freudenmädchen plötzlich allein im zerwühlten Bett.

Henry Black und seinem Geschäftspartner, dem Hai von Frisco, würde so mancher Dollar entgehen, der in dieser Nacht noch in den Kassen des Golden Crown geklingelt hätte.

Dort unten liefen die Menschen aufgeschreckt über den Portsmouth Square und durch die Clay Street. Schuld daran war ein Wort, ein Ruf, der zu dieser Stunde von Mund zu Mund flog und die ganze Stadt beherrschte:

»Feuer!«

Die eigene Familie war plötzlich wichtiger als die Dirne oder das Tanz-Girl. Das eigene Haus zu retten war ungleich bedeutender, als eine amüsante Nacht im Golden Crown zu verbringen.

Die Goldgräber wollten eilends ihre Ausrüstungen und Tiere in Sicherheit bringen, die sie teuer bezahlt hatten und ohne die sie das Reichtum und Glück verheißende Edelmetall niemals finden würden.

Daß die meisten von ihnen auch mit Maultieren, Spitzhacken und Waschpfannen nicht erfolgreich sein würden, lag für die vom Gold geblendeten Männer jenseits ihrer Vorstellungskraft.

Black zog die hohe Stirn in Falten und blickte mit zusammengekniffenen Augen über die Dächer hinweg.

Die Menschen hatten sich beim Bau ihrer Häuser den zahlreichen Hügeln angepaßt, zwischen ihnen, auf sie und an die Hänge gebaut. Deshalb wirkte der Blick auf die Dächer, als schaue man aufs Meer hinaus. Die Wellenberge und Täler bestanden aus Dächern - aus Stein und aus Holz.

Das rote Glühen, das dem Nachthimmel eine unnatürliche Helligkeit verlieh, war der Vorbote eines anderen Meeres. Des Feuermeeres, das sich über das Meer aus Häusern und Dächern ergoß, um es zu verschlingen.

Als Black dieses intensive Glühen sah, das ständig stärker wurde und sich über mehr und mehr Teile der Stadt ausbreitete, wußte er, daß die Panik der Menschen berechtigt war. Black hatte, seit er am Golden Gate lebte, schon einige Brände gesehen, aber keiner war so schlimm wie dieser gewesen.

Fast sah es so aus, als wolle die sich ausbreitende Glut auch vor dem Stadtzentrum nicht haltmachen, nicht vor dem Portsmouth Square und nicht vor dem Golden Gate.

Plötzlich kam ihm ein Gedanke: Lag in der Richtung, aus der das Feuer kam, nicht die Chinesenstadt?

Dorthin war dieser Giftzwerg Louis Bremer mit seinen Männern geritten, auf der Suche nach dem Auswanderer Adler und der als Verräterin verdächtigten Susu Wang.

Blacks klobige Finger nestelten die an einer goldenen Kette hängende Uhr aus einer Westentasche. Auch die Uhr war aus Gold, besetzt mit funkelnden Edelsteinen. Routiniert schnippte Blacks Daumen den Deckel hoch.

Mit einem unwilligen Grunzen stellte der wuchtige Geschäftsmann fest, daß Bremer schon seit geraumer Zeit überfällig war. Was konnte ihn und seine Männer so lange in Chinatown aufhalten?

Der Brand?

Gab es vielleicht sogar eine Verbindung zwischen dem Feuer und Louis Bremer?

Der verschlagene kleine Mann, der bislang zu den wichtigsten Unterführern in der Organisation des Hais gehört hatte, erwies sich in jüngster Zeit als zunehmend unzuverlässig. Erst verkaufte er Jacob Adler an einen Walfänger, statt den Auswanderer dem Hai zu übergeben. (Was immer der Hai auch von diesem Adler wollte - für Black war es ein Rätsel.) Dann hatte Bremer Adler und seinen Seemannsfreund endlich gefangen, ließ beide aber entkommen.