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Es war ein großer Rettungstrupp, der nur aus Freiwilligen bestand. Das galt auch für die Soldaten, die ihm angehörten. Angesichts des Umstandes, daß das Magazin jeden Augenblick in die Luft fliegen konnte, hatte der blutjunge Lieutenant niemandem seiner Leute den Einsatz befehlen mögen.

Allerdings war auch niemand am Ort, der gezögert hatte, sich freiwillig zu melden. Jeder wußte, daß es nur eine Laune des Schicksals war, die ihn davor bewahrt hatte, ebenfalls in dem brennenden Lagerhaus eingeschlossen zu sein.

»Eine verfluchte Nacht«, sagte der neben Jacob laufende Lieutenant und warf einen sehnsüchtigen Blick nach oben. »In den letzten Stunden hat es sich so stark bewölkt wie schon seit Monaten nicht mehr. Aber der verfluchte Regen will einfach nicht kommen. Nur er könnte die Stadt noch vor der Vernichtung bewahren.«

Auch Jacob hatte die großen dunklen Wolken längst bemerkt. Sie verdeckten das Licht der Gestirne und hätten den Nachthimmel völlig verdüstert, hätte nicht das Feuer seinen todbringenden Schein überallhin geworfen.

»Auf den Regen können wir nicht warten«, sagte Jacob knapp.

Mehr fiel ihm dazu nicht ein. Außerdem wollte er seinen Atem und seine Kraft sparen. Beides würde er jetzt brauchen.

Er erreichte das Lagerhaus als erster und stellte einmal mehr befriedigt fest, daß die wackeren Männer von Social Three ihren Job gut verstanden. Sie hatten mit ihrem dicken Wasserstrahl eine Schneise ins Feuer geschlagen, so daß der Rettungstrupp sich ans Wegräumen der Trümmer machen konnte, ohne von den Flammen belästigt zu werden.

Jetzt gab der Captain durch sein vergoldetes Megaphon die Anweisung, den Strahl weiter nach hinten zu verlagern und das ganze Lagerhaus mit ihm zu bestreichen.

Während Jacob die Axt schwang, um einen heruntergestürzten Dachbalken, der den Eingang versperrte, in zwei transportierbare Hälften zu zerteilen, dachte er daran, was für eine seltsam beruhigende Wirkung die durch das Megaphon verzerrte Stimme des Captains auf ihn ausübte.

Hier in dem fremden Land Amerika, das viele Gefahren barg und eine ganze Menge Menschen mit dunklen Absichten beheimatete, wie Jacob leidvoll festgestellt hatte, gaben doch Männer wie dieser Captain den Ton an. Niemand zwang ihn, sein Leben einzusetzen, um vollkommen Fremde zu retten, während vielleicht gerade seine eigene Familie von den Flammen bedroht wurde.

Männer wie er, die gegen alle Gefahren zusammenhielten, die der Wildnis, den Naturgewalten und auch den Verbrechern, die sich in jeder menschlichen Gemeinschaft fanden, trotzten, machten das große Land Amerika zu dem, was es den meisten Auswanderern bedeutete: eine Hoffnung auf ein besseres Schicksal und ein würdevolleres Leben.

»Sie dreschen ja auf den Balken ein wie ein Berserker, Mr. Adler.«

Kaum hatte der junge Lieutenant das gesagt, da knickte der dicke Stamm auch schon zusammen wie ein Zündholz, das man gegen Zeige- und Mittelfinger preßt und dann mit dem Daumen durchdrückt.

Der Offizier befahl seinen Männern, die beiden Hälften aus dem Weg zu ziehen.

Jacob legte die Axt beiseite und faßte mit an. Er erwischte eine Stelle, an der das Feuer vor dem Einsatz der Spritze auf den Balken übergesprungen war. Noch heiß genug, daß die Hände des Auswanderers innerhalb weniger Augenblicke schmerzten wie von tausend winzigen Nadeln durchbohrt.

Aber er ließ nicht los. Der Gedanke an Elihu und die anderen, für die jede Sekunde über Leben oder Tod entscheiden konnte, spornte ihn an und ließ seinen eigenen Schmerz unwichtig erscheinen.

Nachdem der Balken beiseite geschafft war, griff er wieder nach der Axt. Im Verein mit anderen Männern zerkleinerte er die Trümmer, die von wieder anderen weggeräumt wurden.

Jacobs äußere Erscheinung störte niemanden in dieser Nacht. Sein Oberkörper war nackt, weil sein Hemd in Humes Waisenhaus geblieben war. Ebenso seine Schuhe. Er hatte die Füße mit dicken Lappen umwickelt. Schmutz verklebte seinen Körper und die eigentlich sandfarbenen, jetzt eher schwarzen Haare. Der goldene Ring in seinem rechten Ohr erhöhte noch den verwegenen Eindruck.

Die Männer, Soldaten und Zivilisten, arbeiteten Hand in Hand. Jeder wußte, was er zu tun hatte. Es bedurfte keiner großen Befehle. Die Sachlage und die Gefahr, in der jeder die Kameraden wußten, waren die besten Offiziere.

Ein feiner Sprühregen kühlte die Gesichter der Männer. Leider hatten sich nicht die Wolken geöffnet. Es war nur der angenehme Nebeneffekt des dicken Wasserstrahls über ihren Köpfen, der wie ein Bogen aus flüssigem Silber wirkte. Es sah seltsam aus, als stände das Wasser in der Luft, so schnell ersetzte einer der zigtausend Tropfen den nächsten.

Von fern, wie durch einen dichten Schleier, hörte Jacob die beruhigende Megaphonstimme des Captains. Sie hielt die Männer von Social Three an, die Pumpe gleichmäßiger zu bedienen.

Der Auswanderer versuchte sich in diesen Augenblicken vergeblich daran zu erinnern, wie sich die Stimme des Captains ohne Flüstertüte anhörte.

Aber das war nur ein unwichtiger Gedanke, der verrückterweise in seinem Kopf auftauchte, während er wieder und wieder die Axt schwang und auf die eingestürzten Balken und Tore des Lagerhauses einhieb.

Der wichtigste Gedanke war der, der Jacob zu seiner rastlosen, wütenden Arbeit antrieb: der Gedanke an seinen Freund Elihu.

»Vorsicht!« hörte Jacob eine schrille Stimme.

Gleichzeitig traf ihn etwas hart an der Schulter und warf ihn aus dem Gleichgewicht.

Der junge Zimmermann torkelte zur Seite, verlor endgültig die Balance und stürzte hin. Die Axt entglitt seinen Händen.

Als er ein Gesicht über sich auftauchen sah, wußte er instinktiv, daß es zu dem Mann gehörte, der ihn beiseitegestoßen hatte.

Wut auf diesen Mann packte Jacob, weil er den Auswanderer bei der Arbeit behindert hatte, die doch so lebenswichtig für die Eingeschlossenen war.

Wut auf den jungen Lieutenant Wannaker, dem das bartlose Gesicht gehörte.

»Was zum Teufel soll das.« begann Jacob.

Was er dann sah, ließ ihn verstummten. Ein großes brennendes Trümmerstück vom Nachbarhaus krachte genau dorthin, wo der Deutsche eben noch gestanden hatte. Es hätte ihn zweifellos erschlagen.

Jacob schluckte. Seine Kehle war plötzlich so trocken wie eine Sandgrube.

Dankbar sah er den Offizier an und krächzte: »Ich verdanke Ihnen mein Leben, Sir. Ich.«

Wannaker winkte ab.

»Keine großen Worte jetzt. Schließlich setzen Sie Ihr Leben aufs Spiel, um die Eingeschlossenen zu retten. Auch Leute meines Kommandos sind darunter.«

Er wandte sich um, legte die Hände trichterförmig vor den Mund und schrie den Feuerwehrleuten zu, sie mögen den Strahl auf das heruntergekommene Trümmerstück lenken. Das in Flammen stehende Holz hinderte den Rettungstrupp an der Arbeit.

Aber der Captain von Social Three hatte bereits erfaßt, was los war, und die entsprechenden Anweisungen durch seine Flüstertüte in die rotglühende Nacht gebrüllt.

Der dicke Silberstrahl klatschte auf die Trümmer und wirbelte eine Menge Dreck auf. Er mischte sich mit dem Rauch der verlöschenden Flammen.

Binnen einer halben Minute war das Feuer an dieser Stelle erstickt. Ein erneuter Befehl des Captains, und der Strahl wanderte wieder auf das Dach des Lagerhauses.

Das Dach war der kritische Punkt. Die Wände bestanden aus Stein, weshalb das Magazin den Flammen so lange Widerstand bieten konnte. Aber das hölzerne Dach würde der Glut ohne das kühlende Wasser nicht standhalten können.

Wenn das Dach erst brannte und brennende Trümmer auf die Munitionskisten fielen, konnten die Eingeschlossenen mit ihrem Leben abschließen.

Jacob sprang auf, griff dabei nach der Axt und machte sich wieder an die Arbeit. Rechts und links von ihm schufteten die anderen Helfer.

Auch Lieutenant Wannaker war sich nicht zu schade, mit anzufassen. Sein glattes Gesicht war, wie fast alle Gesichter hier, von Schweiß und Ruß verschmiert. Seine einstmals schöne blaue Uniform war schmutzig und an mehreren Stellen eingerissen. Zwei der blankpolierten Knöpfe fehlten, und der Uniformrock stand über der Brust halb offen.