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Elihu zwang sich zu einem Lächeln und kam taumelnd auf die Beine.

Jacob stützte ihn, zeigte auf das Loch in der Trümmerpyramide und sagte: »Außerdem wäre es ein ziemlich blödes Gefühl, wenn ich mir die ganze Arbeit vergeblich gemacht hätte. Also komm!«

Wegen Elihus ramponierten Fußes konnten sie nicht schnell gehen. Immer wieder wichen sie brennenden Trümmern aus. Es war ein Rennen gegen die Zeit, wenngleich bei ihrem langsamen Vorankommen das Wort >Rennen< unangebracht wirkte.

Endlich tauchte die Lücke auf, die Jacob zuvor mit den anderen Helfern in die eingestürzten Außenwand geschlagen hatte. Er half dem Seemann hindurch und folgte ihm rasch nach.

Der Platz vor dem Magazin war menschenleer.

Verständlicherweise. Niemand, der bei klarem Verstand war, wartete darauf, in die Luft zu fliegen.

»Wohin?« krächzte der Harpunier.

»Egal«, antwortete Jacob. »Bloß weg!«

Elihu humpelte, gestützt auf den Freund, die Straße entlang. Hätte es einen Wettlauf für humpelnde Seeleute gegeben, hätte der Harpunier gute Aussichten auf den ersten Preis gehabt.

Rings um das Armeemagazin stand alles in Flammen. Nicht nur das Dach des Lagerhauses, auch die übrigen Dächer der zum Magazin gehörenden Gebäude hatten Feuer gefangen:

Elihu blickte über die Schulter und brummte: »Aus der Ferne sieht es nicht mehr ganz so schlimm aus, als wenn man mitten drinsteckt in dieser verfluchten Hölle!«

»Freu dich nicht zu früh, Eli! Wir sind noch nicht besonders weit entfernt.«

Jacob hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als das Magazin in die Luft flogDer ersten Explosion folgten weitere. So dicht aufeinander, daß es schwer fiel, sie auseinanderzuhalten.

Ein Pilz aus Feuer und Rauch quoll über den ganzen Straßenzug, begleitet von ohrenbetäubendem Donner.

Die gigantische Druckwelle riß die beiden flüchtenden Männer von den Füßen und wirbelte sie durch die Luft wie Blätter im Herbststurm.

*

Wie ein korrekter Butler hielt Buster die Tür zum Büro des Hais auf.

Täuschte sich Henry Black, oder bemerkte er den Hauch eines spöttischen Lächelns auf dem dunklen, sonst so unbewegten Gesicht, als er an dem Schwarzen vorbei in den großen Raum ging?

Der Hai stand an einem der Fenster und starrte in die Nacht hinaus. Black sah nur sein scharfes Profil.

Den verkrüppelten Mann stehend anzutreffen, war höchst ungewöhnlich. Meistens hockte der Hai von Frisco hinter dem großen Schreibtisch und lauerte dort auf alles, was da kommen mochte.

Als Buster die Tür hinter Black schloß, fühlte sich dieser erst recht wie ein Tier in der Falle.

Der Mann, dessen wahren Namen niemand zu kennen schien - vielleicht mit Ausnahme von Buster, aber da der Neger niemals sprach, war es bedeutungslos - hatte den großen Raum stark verändert, wie er es mit dem ganzen Stockwerk getan hatte. Überall hingen Lederschlaufen von der Decke herab, damit der Krüppel sich aufrichten konnte.

Auch jetzt umklammerte die Linke des Hais eine der Schlaufen und ermöglichte dem Mann das aufrechte Stehen.

Als er sich umdrehte und sein Gesicht mit dem stark eingekerbten Kinn dem Besucher zuwandte, lief ein Schauer über Blacks Rücken. Das gutaussehende Gesicht und das scheinbar freundliche Lächeln konnten ihn nicht täuschen. Black bildete sich ein, die Gefährlichkeit des Hais wie kein zweiter zu kennen. Schließlich lebte er mit diesem Mann seit Monaten unter einem Dach.

Der Feuerschein, der die Nacht erhellte und durch das Fenster das Gesicht des Hais beschien, verlieh ihm eine besonders dämonische Note.

»Setzen Sie sich doch, Heinrich«, sagte er in gutem Deutsch und wies auf einen bequemen Ledersessel. »Dies ist eine aufregende Nacht. Wir können unsere Kräfte noch brauchen.«

»Ja«, sagte Black nur und setzte sich in den Sessel.

Er wußte, daß es mehr ein Befehl als ein Angebot gewesen war. Das war die Art des Hais.

Black empfand es als besonders beunruhigend, daß der Hai ihn mit seinem richtigen Vornamen angesprochen hatte. Der Hai kannte Blacks Vergangenheit und all die vielen dunklen Flecken auf der nur scheinbar weißen Weste des Geschäftsmannes. Gerade deshalb befand Black sich in der Hand des anderen. Und der Hai spielte diesen Trumpf stets dann aus, wenn er es für nötig hielt, Black daran zu erinnern. Daß er es gerade jetzt tat, so kurz nach Bremers Besuch, machte dem korpulenten Mann im Ledersessel regelrecht angst.

»Nicht nur eine aufregende Nacht, sondern auch eine heiße«, fuhr der Hai mit einem Blick aus dem Fenster fort. »Die halbe Stadt steht in Flammen. Und wenn es so weitergeht, die ganze.« Der Hai wandte sein Gesicht wieder dem Besucher zu. »Wissen Sie etwas über das Feuer, Henry?«

»Ich?« Black starrte den anderen an wie ein ängstliches Kaninchen die große gefährliche Schlange. »Wie. wie kommen Sie darauf?«

Der Hai schüttelte mißbilligend den Kopf und sagte mit ruhiger, emotionsloser Stimme: »Allmählich sollten Sie wissen, daß hier nur einer die Fragen stellt: ich. Und daß ich es nicht mag, wenn jemand meine Fragen nicht beantwortet!«

»Ich war nur so überrascht, daß Sie.«

»Daß ich von Ihrer Unterredung weiß, die Sie vorhin mit Bremer hatten?«

Henry Black fühlte sich wie von einem Blitzschlag getroffen. Sein Herz hämmerte, sein Puls raste, und Schweiß strömte aus allen Poren.

Was er die ganze Zeit über befürchtet hatte, war eingetreten: Der Hai wußte von Bremers Besuch!

Black sank in seinem Sessel zusammen und machte sich so klein wie nur möglich. Bei seinem großen massigen Körperbau war das ein geradezu groteskes Unterfangen. Und gegenüber einem Mann wie dem Hai war es ohnehin sinnlos.

Den strengte das lange Stehen offenbar an. Er hangelte sich von Lederschlaufe zu Lederschlaufe, bis er sich endlich auf den großen bequemen Drehstuhl sinken ließ.

Ruhig entnahm er einem silbernen Etui eine schlanke Zigarre, entzündete sie und machte dadurch, daß er dem Besucher keine Zigarre anbot, die Kluft zwischen ihnen deutlich.

»Was hat Bremer berichtet?« fragte der Hai. »Hat dieser Versager die entlaufenen Gefangenen erwischt?«

Black fragte sich, ob der Hai nur mit ihm spielte. Ob er vielleicht über jedes Wort der Unterhaltung zwischen Black und Bremer unterrichtet war. Es erschien dem korpulenten Geschäftsmann zwar unmöglich, aber dem Hai traute er alles zu.

»Gewissermaßen«, beantwortete Black ausweichend die Frage. »Bremer hatte diesen Adler und Susu Wang fast, aber sie sind ihm im letzten Augenblick entwischt. Sieht so aus, als hätte halb Chinatown ihnen bei der Flucht geholfen.«

»Jetzt sieht es eher so aus, als stände ganz Chinatown in Flammen«, erwiderte der Hai.

Black nickte.

»Bremer hat das Feuer gelegt, um den Schlitzaugen zu zeigen, daß man sich dem Hai nicht ungestraft widersetzt. Außerdem hielt er es für eine gute Gelegenheit, das wiedergutzumachen, was gestern nacht schiefgelaufen ist. Diesmal konnte die Feuerwehr Chinatown nicht retten.«

Den letzten Satz sprach Black mit einer gewissen Zufriedenheit aus, weil er auf den Beifall des Hais hoffte.

Aber statt dessen traf ihn ein harter Schlag ins Gesicht, der ihn aus dem Sessel warf. So überraschend, daß Black keine Anstalten traf, den Sturz abzufangen oder sich wenigstens über die Schulter abzurollen. Er landete schmerzhaft, mit dem Gesicht nach unten, auf dem Parkett.

Über sich bemerkte er Busters dunkle Gestalt. Die Faust des Negers hatte ihn im Gesicht getroffen. Es brannte höllisch.

Es schien keine Veranlassung für diese Aktion des Schwarzen gegeben zu haben. Aber Black wußte aus Erfahrung, daß der Hai seinem Vollstrecker durch winzige Gesten und Gebärden, die einem Dritten belanglos erschienen, Zeichen gab. Es konnte das Krümmen eines Fingers oder ein Augenzwinkern sein.

»Diesmal sieht es so aus, als könne die Feuerwehr überhaupt nichts retten«, sagte der Hai.