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»Die hübsche Witwe«, sagte die Köchin. Dann seufzte sie. »Aber wir haben sie seit einem Monat nicht mehr gesehen. Ein Jammer. Er hätte sie heiraten sollen.« Sie hatte eine Kichererbsensuppe auf dem Herd und schöpfte etwas davon in eine Schale, schnitt etwas kaltes Schafsfleisch hinein und stellte die Suppenschale mit Rotwein und frisch gebackenem Brot auf ein Tablett. »Sagen Sie dem Colonel, dass die Mahlzeit für seinen Gast heute Nachmittag fertig sein wird.«

»Sein Gast?«, fragte Luis verwirrt.

»Ein Gast zum Abendessen, hat er uns gesagt. Jetzt Beeilung! Lassen Sie die Suppe nicht kalt werden. Die Treppe hinauf und dann das Zimmer rechts.«

Luis trug das Tablett nach oben. Es war ein schönes Haus mit alten Gemälden an den Wänden. Er fand die Tür zum Zimmer seines Herrn einen Spalt offen stehen, und Christopher musste die Schritte gehört haben, denn er forderte Luis auf, ohne anzuklopfen einzutreten.

»Stellen Sie das Essen ans Fenster«, sagte er.

Christopher hatte sich umgezogen. Statt der Uniform des englischen Offiziers trug er eine himmelblaue Reithose mit Lederbesatz an der Sitzfläche. Die Reithose war hauteng mit Paspelierungen an beiden Seiten von der Hüfte bis zu den Knöcheln. Statt des roten Rocks trug er jetzt einen in gleichem Himmelblau der Reithose, jedoch mit üppigem Schnurbesatz, der sich bis hinauf zum steifen roten Kragen kräuselte. Über seiner linken Schulter hing eine Pelisse, ein falscher Mantel mit Pelzbesatz, während auf einem Beistelltisch ein Kavalleriesäbel und ein hoher schwarzer Hut mit silberner Kokarde und einem emaillierten Abzeichen lagen.

Das emaillierte Abzeichen zeigte die Trikolore von Frankreich.

»Ich sagte, dass Sie überrascht sein werden«, sagte Christopher zu Luis, der seinen Herrn anstarrte.

Luis fand seine Sprache wieder. »Sie sind ...« Er konnte nicht mehr weitersprechen.

»Ich bin ein englischer Offizier, Luis, wie Sie wissen, doch die Uniform ist die eines französischen Husaren. Ah, Kichererbsensuppe, die mag ich so sehr. Bauernessen, aber gut.« Er ging zu dem Tisch am Fenster und schnitt eine Grimasse, weil die enge Reithose so spannte. Er setzte sich. »Ich erwarte heute Nachmittag einen Gast.«

»Das hat man mir erzählt«, sagte Luis kühl.

»Sie werden servieren, Luis, und Sie werden nicht erschrecken, weil mein Gast ein französischer Offizier ist.«

»Ein französischer ...« Luis klang angewidert.

»Ein französischer Offizier«, bestätigte Christopher. »Und er wird von einer Eskorte begleitet, vermutlich von einer großen Eskorte. Und es geht doch nicht, dass diese Eskorte bei ihrer Heimkehr sagt, dass sich ihr Offizier mit einem Engländer getroffen hat, nicht war? Deshalb trage ich dies.« Er wies auf die französische Uniform und lächelte Luis an. »Der Krieg ist wie ein Schachspiel«, fuhr Christopher fort, »es gibt zwei Seiten, und wenn die eine gewinnt, muss die andere verlieren.«

»Frankreich darf nicht gewinnen«, sagte Luis.

»Es gibt schwarze und weiße Figuren«, fuhr Christopher fort und ignorierte den Einwand seines Dieners, »und beide gehorchen Regeln. Aber wer macht diese Regeln, Luis? Da liegt die Macht. Nicht bei den Spielern und gewiss nicht bei den Figuren, sondern bei dem Mann, der die Regeln festlegt.«

»Frankreich darf nicht gewinnen«, wiederholte Luis. »Ich bin ein guter Portugiese.«

Christopher seufzte bei der Stupidität seines Dieners und entschloss sich, die Dinge für Luis einfacher zu erklären, damit er sie verstand. »Willst du, dass Portugal die Franzosen loswird?«

»Sie wissen, dass ich das will!«

»Dann servier heute Nachmittag das Essen. Sei höflich, verbirg deine Gedanken und hab Vertrauen in mich.«

Weil Christopher das Licht am Ende des Tunnels gesehen hatte, konnte er jetzt die Regeln ändern.

Sharpe blickte zu der Stelle, wo die Dragoner vier Einmannruderboote aus dem Fluss gehoben hatten und damit eine Straßensperre errichteten. Es gab keinen Weg um die Barrikade herum, die sich zwischen zwei Häusern erstreckte, denn jenseits des rechten Hauses war der Fluss und jenseits des linken der steile Hügel, wo sich die französische Infanterie näherte, und weitere Infanterie näherte sich hinter Sharpe, was bedeutete, dass der einzige Ausweg aus der Falle durch die Barrikade führte.

»Was machen wir, Sir?«, fragte Harper.

Sharpe fluchte.

»So schlimm, wie?« Harper nahm sein Gewehr von der Schulter. »Wir könnten einige der Jungs von der Barrikade pusten.«

»Das könnten wir«, stimmte Sharpe zu, doch das würde die Franzosen nur ärgern, nicht besiegen. Er wusste, dass er sie besiegen konnte, dessen war er sich sicher, weil seine Schützen gut und die Barrikade des Feindes niedrig war, aber Sharpe war sich ebenfalls sicher, dass er bei dem Kampf die Hälfte seiner Männer verlieren konnte und dass die andere Hälfte rachsüchtigen Verfolgern entkommen müsste. Er konnte kämpfen, er konnte gewinnen, aber den Sieg nicht überleben.

Es blieb also nur eines, was er wirklich tun konnte, doch das sprach er nicht aus. Er hatte sich noch nie ergeben. Allein der Gedanke war furchtbar.

»Pflanzt die Schwerter auf!«, rief er.

Seine Männer blickten überrascht, aber sie gehorchten. Sie nahmen die Schwertbajonette aus ihren Scheiden und steckten sie auf die Gewehrmündungen. Sharpe zog seine schwere Kavallerieklinge, die er statt des üblichen leichten Säbels führte. »In Ordnung, Jungs. Vier Reihen!«

»Sir?« Harper war verwirrt.

»Sie haben mich verstanden, Sergeant! Vier Reihen. Los jetzt!«

Harper befahl den Männern, sich zu formieren. Die französische Infanterie war aus der Stadt herausgekommen und war jetzt nur noch hundert Schritte hinter ihnen, zu weit für einen akkuraten Musketenschuss, doch ein Franzose versuchte sein Glück, und die Kugel krachte in die weiß getünchte Wand eines Schuppens neben der Straße. Der Knall schien Sharpe zu verärgern. »Im Laufschritt!«, blaffte er. »Vorrücken!«

Sie marschierten über die Straße auf die etwa zweihundert Yards entfernte Barrikade zu. Der Fluss floss grau zu ihrer Linken, und auf ihrer Rechten erstreckte sich ein Feld, das mit den Überresten der letzten Heuernte gesprenkelt war. Eine angepflockte Kuh beobachtete sie beim Passieren. Einige Flüchtlinge, bestürzt über die Straßensperre, hatten sich auf dem Feld niedergelassen und warteten auf ihr Schicksal.

»Sir?« Harper schaffte es, Sharpe einzuholen, der ein Dutzend Schritte vor seinen Männern marschierte.

»Sergeant?«

Es ist immer »Sergeant«, dachte Harper, wenn die Dinge mies standen, nie »Patrick« oder »Pat«. »Was machen wir, Sir?«

»Wir greifen die Barrikade an, Sergeant.«

»Sie werden uns zusammenschießen, Sir. Die Scheißer werden uns fertigmachen.«

»Ich weiß das«, sagte Sharpe, und Sie wissen das. Aber wissen das die Scheißer auch?«

Harper starrte zu den Dragonern, die ihre Karabiner auf den umgedrehten Ruderbooten auflegten. Der Karabiner, nicht zu vergleichen mit einem Gewehr, hatte einen glatten Lauf und war folglich ungenau, was bedeutete, dass die Dragoner bis zum letzten Moment mit ihrer Salve warten würden. Und diese Salve würde noch verstärkt werden, denn weitere grün berockte Feinde tauchten auf der Straße hinter der Barrikade auf und legten ihre Waffen an.

»Ich nehme an, die Scheißer wissen das, Sir«, sagte Harper.

Sharpe war seiner Meinung, sagte es aber nicht. Er hatte seinen Männern befohlen, die Schwertbajonette aufzupflanzen, weil der Anblick der Bajonette Furcht erregender war als der der Gewehre allein, doch die Dragoner wirkten nicht beunruhigt von der Bedrohung der Stahlklingen. Sie sammelten sich hinter der Barriere, sodass jeder bei der Eröffnungssalve mitschießen konnte. Sharpe wusste, dass er sich ergeben würde, aber er wollte es nicht tun, ohne dass ein einziger Schuss abgefeuert wurde. Er beschleunigte seine Schritte, nahm an, dass einer der Dragoner zu früh schießen würde, und das würde für Sharpe das Signal zum Halten sein. Er würde das Schwert hinwerfen und so seinen Männern das Leben retten. Die Entscheidung war schmerzlich, doch es war die einzige Wahl, die ihm blieb, wenn kein Wunder geschah.