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Man mußte darüber nachdenken.

Im Moment erforderte die Lage allerdings eher Handeln als Nachdenken. Während sie ihren Anfall von Ehrfurcht verfluchte, stopfte sie die neun Steine in die Tasche und rannte hinaus.

Wod, Cavens Knappe, wartete an der verabredeten Stelle. Der schlaksige Junge hatte Obsidian am Zügel und hielt sich von einem stampfenden, schwarzen Hengst fern, der an eine Eiche gebunden war. Ohne ein Wort zu sagen, entwand Kitiara Wod die Zügel und bestieg ihr Pferd. Sie wendete die Stute, als jemand sie rief.

Kitiara hielt noch einmal an. »Caven, ich verschwinde.«

Er schwang sich auf seinen Hengst Malefiz. Caven war der einzige, der das Tier beherrschen konnte, das er einem Minotauren auf Mithas beim Würfeln abgenommen hatte. »Ich komme mit.«

»Aber – «, setzte Kitiara an.

»Ich komme mit«, unterbrauch er sie nachdrücklich. Er winkte Wod, der davonrannte.

Kitiara entschied, daß er ihr vielleicht nützlich sein könnte. Besonders jetzt. »Also los.« Caven konnte sie später immer noch loswerden, dachte sie bei sich.

Kurz darauf tauchten die beiden schwarzen Pferde mit den Reitern in den Bäumen unter. Nur Minuten später folgte ihnen Wod auf einem langbeinigen, braunen Klepper.

Hinter ihnen nahm die Schlacht ein blutiges Ende. Der Zauberer saß noch immer auf der Bank im Zelt des Valdan. »Hol die Steine«, befahl der Anführer.

»Noch nicht«, sagte Janusz.

»Du hast gesagt, sie sind mächtig.«

»Man muß sie erst ganz genau untersuchen«, wehrte sich der Zauberer. »Ich kenne ihre Geheimnisse noch nicht.«

»Hol sie!«

Erschöpft stand der Zauberer auf und holte das Sandelholzkästchen aus seinem Zelt. Wieder beim Valdan, setzte er zu dem, Spruch an, der das Kästchen öffnen sollte. Mitten im Spruch brach er ab. Der Deckel ging leicht auf. Als der Magier aufblickte, kämpften Schrecken und Zorn in seinem grauen Gesicht. Dann starrte er wieder in das Sandelholzkästchen. »Dieses Weibsstück!« Mit aufeinandergepreßten Lippen griff Janusz in die Tasche und zog zwei glänzende Steine hervor. »Sie hat neun, und soweit ich weiß, reicht schon einer, um Krynn zu beherrschen.«

Draußen ertönte ein Schrei. Der selbstgerechte General trat ins Zelt, doch jede seiner Handbewegungen spiegelte seine Nervosität. »Wir haben die Leiche Eures Schwiegersohns gefunden, Valdan«, sagte er und fügte unnötigerweise hinzu: »Des Meirs.«

»Und?« fauchte der Anführer. »Wir wissen, daß er schon beim ersten Angriff ums Leben gekommen ist. Verschwinde oder komm zur Sache. Ich habe wichtigere Probleme.«

Der General zuckte sichtlich zusammen. »Vor dem Sarg liegt die Leiche einer Frau.«

»Na, und? Wer ist es?«

»Es… es müßte der Leichnam der Frau des Meir sein.«

Der Valdan wurde gefährlich still, um dann zu sagen: »Kitiara hat geschworen, daß Dreena entkommen ist.«

»Hauptmann Uth Matar muß sich geirrt haben, Valdan«, sagte der General, dessen Stimme vor Bosheit triefte. »Der Körper trägt den Hochzeitsschmuck von Dreena ten Valdan – die Malachiteule an einer Silberdrahtkette. Die Kette ist geschmolzen, doch der Stein ist zu erkennen.«

Die Stimme des Valdan blieb ruhig. »Dreena würde sich nie davon trennen.«

»Beim dunklen Gott Morgion«, sagte Janusz schließlich gebrochen. Seine Stimme war rauh. »Dreena ist im Zauberfeuer umgekommen. Und ich…« Ihm fehlten die Worte. Benommen sah er zu, wie der General dasselbe Schicksal erlitt wie sein Kamerad zuvor.

Noch während der General sein Leben aushauchte, fuhr der Valdan zum Zauberer herum. Sein Gesicht war fahl, die Fäuste geballt.

»Wenn dir dein Leben lieb ist, Zauberer, dann finde Kitiara Uth Matar. Bring sie zu mir. Ich will sie sterben sehen.«

1

Nächtliche Begegnung

Der Schrei zerriß die Nacht wie eine Breitaxt, die den Schädel eines Ogers spaltet.

Wer im Wald unterwegs war, lernte schnell, augenblicklich hellwach zu sein – sonst erwachte man womöglich gar nicht mehr. Im Handumdrehen war Tanis aufgesprungen und hatte mit einer Geschmeidigkeit, die man durch viele einsame Nachtlager erwirbt, sein Langschwert gezogen. Mit bloßen Füßen trat er Sand über das glimmende Feuer, um dann mit vor sich ausgestrecktem Schwert zu erstarren. Langsam drehte sich Tanis um seine Achse und spähte ins umliegende Unterholz.

Nichts. Obwohl er als Elf auch nachts gut sehen konnte. Die leichte Brise reichte kaum aus, um die Frühlingsblätter an den jungen Ahornbäumen zu bewegen. Vom Weißen Fluß im Norden trug der Wind den Geruch von Schlamm und faulenden Pflanzen heran, doch außer dem Gurgeln des Stroms und dem Knarren der uralten Eichen war nichts zu hören. Beide Monde, der silberne Solinari und der karmesinrote Lunitari, nahmen ab, und für jeden anderen als einen Elfen wäre die Finsternis auf der Lichtung fast undurchdringlich gewesen.

Dann gellte wieder der Schrei durch die Nacht und zerrte an Tanis’ Nerven wie die falsch gestimmte Saite einer Leier. Von Norden, stellte er fest.

Der Halbelf ergriff Bogen und Köcher und rannte so schnell durch die Nacht, daß die Fransen seines Lederhemds flatterten. Die Nachttiere des Waldes – Stinktier, Opossum und Waschbär – drückten sich platt an den Boden, als der Halbelf vorbeikam. Seine Schritte waren leichter als die der Menschen, aber weit schwerer als die seiner elfischen Verwandtschaft, die er vor Wochen in Qualinost verlassen hatte.

An einer Gabelung des Pfads blieb Tanis stehen, weil er nicht wußte, ob er rechts oder links weiterlaufen sollte. Der linke Pfad führte ungefähr nach Nordwesten, wo man nach wenigen Tagen in Haven ankommen würde. Der rechte Pfad endete irgendwann an der Schlucht des Weißen Flusses gegenüber vom Düsterwald. Es gab reichlich Gerüchte über die Wesen – lebendige und weniger lebendige –, die sich in dem abweisenden Wald niedergelassen hatten. Aus erster Hand erfuhr man wenig über den Düsterwald, denn wer sich hineinwagte, kam selten wieder heraus.

In diesem Augenblick ließ ein weiterer Schrei den Halbelfen den linken Pfad entlangjagen. Tanis brach aus dem Unterholz auf eine Lichtung zwischen den Eichen und Ahornbäumen, wo er sah, wie ein Mensch mit deutlicher Befriedigung ein Langschwert in ein haariges Ungetüm stieß. Das Opfer, das eine blutrote Rüstung trug, fiel mit einem Schrei. Die Waffe des Wesens, eine Art Dornenkeule – ein Morgenstern –, rollte ins Unterholz.

»Hobgoblins!« flüsterte der Halbelf. Auf dem fauligen Abfall auf der Lichtung kam er zum Stehen.

Drei von den Monstern lagen reglos da. Drei weitere, die Tanis alle um einen Kopf überragten, umringten fauchend den schlanken Menschen. Sie stießen mit Speeren zu, ließen Peitschen knallen und schwangen ihre Morgensterne. Eines der Ungeheuer sprang vor, wobei das wäßrige Mondlicht des abnehmenden Solinari seine orangerote Haut mit einem silbrigen Glanz überzog.

Der Hobgoblin schwang seine Keule über dem Helm des Menschen. Der Mensch machte einen entschlossenen Schritt zur Seite. Unter der Kappe des Hobgoblins konnte man seine gelbfunkelnden Augen sehen. Der Gestank von Blut, zertrampelten Pflanzen, Matsch und ungewaschenen Hobgoblins hing in der Luft. Die Monster rochen nach Aas und unzähligen Kämpfen. Die geschmeidige Gestalt des Menschen köpfte mit einem Hieb und einem Fluch den angreifenden Hobgoblin, doch im Fallen traf die Faust des Wesens den Menschen noch und zerriß den Riemen, der den Helm hielt. Der Helm verrutschte und enthüllte ein blasses Gesicht und einen dunklen Lockenschopf.

»Eine Frau?« rief Tanis staunend aus. Seine Stimme lenkte die beiden übrigen Hobgoblins ab, die herumfuhren, um Tanis anzusehen.

Die Frau warf dem Halbelfen einen wütenden Blick zu und wechselte ihr Schwert von der Rechten in die Linke. Sie rückte sich den Helm zurecht, ohne auf den zerrissenen Riemen zu achten, und führte die Spitze ihrer Waffe in einem sauberen Bogen gegen den kräftigen Arm des einen Hobgoblins. »Werd bloß nicht unverschämt«, fuhr sie ihren Gegner in Gemeinsprache an. »Ich kann dich jederzeit erledigen.«