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Tanis versuchte auszuweichen, aber die Faust erwischte ihn direkt im Magen. Reglos lag er am Boden und rang nach Luft, während Kitiara ihn von sich herunterrollte und sich anmutig wieder erhob. Verärgert nahm sie den Helm ab, um den zerrissenen Riemen zu untersuchen. Dann wischte sie schmierige Blattfetzen von Armen und Beinen.

Sie hob die Hand zum Abschied. Ihr Gesicht war voller Spott. »Halte mich nicht für undankbar, Tanthalas. Wenn du mal wieder eine Jungfrau retten willst, braucht die vielleicht wirklich deine Hilfe.«

Sie sah ihn noch einen Moment an, drehte sich um und marschierte davon. Das Wort »Schwächling« und bellendes Gelächter kam bei ihm an. Sobald sie ihm den Rücken zukehrte, gab der Halbelf seinen gespielten Zusammenbruch auf und kam wieder auf die Füße. Vorsichtig lief er über die nassen Blätter – für Menschenohren praktisch lautlos. Dann sprang er auf Kitiara los, knallte gegen ihre Schulter, schlang die Arme um ihre Taille, stellte ihr ein Bein und riß sie dann zur Seite.

Einen Moment lang umklammerte er Kitiara, atmete ihren Schweißgeruch und einen schweren, moschusartigen Duft ein. Im nächsten Augenblick segelte Tanis über ihren Kopf durch die Luft, drehte sich jedoch dabei wie eine Katze und landete wieder auf den Füßen. Mit einem Grunzen kam er auf dem Boden auf, wobei sein Lederhemd vorn aufriß. Kitiara warf einen Blick auf seine nackte Brust und nickte anerkennend, noch während sie halb in die Hocke ging. Tanis nahm die gleiche Haltung ein. Im Dunkeln umkreisten sie sich, zwei Schatten, die einander gegenüberstanden, von denen jeder auf eine Blöße des anderen wartete. Keiner zog das Schwert.

»Tanis, so langsam gehst du mir auf die Nerven«, sagte Kitiara. Ihre Worte klangen gleichmütig, doch ihr zäher Körper war angespannt.

Was für eine wundervolle Frau, dachte Tanis unwillkürlich, doch zugleich überblickte er noch einmal die toten Hobgoblins. So sehr er Kitiara bewunderte, er fragte sich, ob sie überhaupt jemand zähmen könnte.

»Bist du so schwach, daß du einen schon von hinten angreifen mußt?« zog ihn Kitiara auf. »Würde sich ein mutiger Mann nicht von vorne an mich heranwagen?« Sie sprang auf ihn los, doch der Halbelf wich zurück. Wieder umkreisten sie sich langsam. Tanis konnte hören, wie sie ihre Atmung beherrschte, ihr inneres Gleichgewicht suchte und fand. Seine Elfensicht war in dem schwachen Licht ein Vorteil für ihn, doch Kitiara schien sich nicht an der Dunkelheit zu stören. Ihre Augen leuchteten. Tanis konnte den Blick nicht von ihr wenden. Ihre höhnischen Bemerkungen ließ er über sich ergehen. Halbelf und Frau umkreisten sich weiter. Kitiaras Fuß blieb an einem Ast hängen, doch sie fing sich rasch. Ihre Worte verrieten keine Spur von Erschöpfung. »Ich muß dir sagen, Tanis, daß ich eigentlich immer bekomme, was – oder wen – ich will.« Ihr Blick sprach Bände.

In diesem Augenblick kam Kitiara genau vor einen der toten Hobgoblins zu stehen. Tanis machte einen Scheinangriff, den Kitiara kontern wollte, doch sie stolperte über den ausgestreckten Arm des Hobgoblins und fing sich diesmal zu langsam. Blitzschnell stellte Tanis ihr ein Bein und ließ sich auf sie fallen.

Kitiara landete mit voller Wucht auf dem Boden. Sie stöhnte auf, doch sie schrie nicht. Als sie nach ihrem Schwert griff, verdrehte Tanis ihr die Hände und drückte die Handgelenke in Schulterhöhe auf den Boden. Er schlang seine Beine um ihre, und die stolze Frau, die ihm weiter Flüche ins Gesicht schleuderte, war bezwungen.

Dann starrte Tanis Kitiara an. Mit einem Mal wurde er sich der Rundungen des Körpers unter ihm bewußt. Als sie ihn anblitzte, wich ihr wütender Gesichtsausdruck langsam einer belustigten Miene.

»Nun?« sagte sie und zog eine Braue hoch.

»Nun«, gab er zurück. Er ließ etwas locker.

Ihr durchtriebenes Lächeln fesselte ihn. »Da wären wir.«

Tanis sog ihren Geruch tief ein. Spöttisch zog Kitiara die Brauen hoch und starrte betont auf die Muskeln, die durch Tanis’ zerrissenes Hemd zu sehen waren. Sie blickte ihn herausfordernd an. Tanis murmelte einen alten Elfenfluch; Kitiaras Lächeln wurde breiter. Was konnte schon Gutes aus einer Verbindung zwischen Mensch und Elf erwachsen? Er wußte doch Bescheid.

Plötzlich wünschte Tanis, er hätte diese Kitiara Uth Matar nach einem versteckten Dolch durchsucht. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr.

Später in der Nacht, während Tanis auf Kitiaras Lager schlief, huschte die Kämpferin davon und griff nach ihrem Gepäck, das zwischen Decke und Feuer lag. Nachdem sie sich noch einmal vergewissert hatte, daß der Halbelf schlief, langte Kitiara mit der Hand in den Beutel und schob Kleidung und Proviant beiseite, während sie nach der Scheinnaht des falschen Bodens tastete. Fast ohne zu atmen zog sie das steife Tuch zur Seite und spähte in den Beutel. Violettes Licht strömte in die Lichtung. Sie ließ die Finger über die Quelle dieses Lichts gleiten. »… acht, neun«, murmelte sie. »Alle da.« Sie seufzte und lächelte wie in süßer Befriedigung, doch ihre Augen funkelten.

2

Geteilte Gefahr

»Und als dann meine Halbbrüder zur Welt kamen, habe ich für Raistlin und Caramon gesorgt. Meine Mutter… konnte es nicht«, schloß Kitiara. Dieser letzte Satz bedeutete: die häufigen Trancen und Krankheiten ihrer Mutter, die endlosen Wochen, die die Frau im Bett gelegen hatte, während sich Kitiara, der nur ihr Stiefvater zur Seite stand, um die Zwillinge kümmerte.

»Als sie sechs waren und Raistlin zur Zauberschule zugelassen wurde, bin ich von Solace fortgegangen. Das ist lange her – sieben, nein, zehn Jahre.« Ihre Stimme blieb gleichmütig.

»Kehrst du jetzt zum ersten Mal nach Solace zurück?« fragte Tanis, während er seinen schweren Wallach Paladin um ein paar Felsen lenkte. Er hielt das kastanienbraune Pferd auf dem einfacheren, ausgetretenen Weg. Mit einer Hand zog er sein ledernes Stirnband ab, mit der anderen wischte er sich den Schweiß vom Gesicht. Dann setzte er das Band wieder auf. Die Sommerhitze war selbst hier im Schatten drückend.

»Hin und wieder komme ich heim«, meinte Kitiara achselzuckend. »Ich war da, als meine Mutter starb, und dann noch ein paarmal. Ich bringe den Zwillingen Geschenke und Geld, wenn ich welches habe.«

»Du scheinst nicht…« Tanis verbiß sich den Kommentar.

Kitiara sah ihn von der Seite an. »Was, Halbelf?« Als er nicht weiterredete, langte sie hinüber und boxte Tanis lächelnd in die Rippen, woraufhin er das Gesicht verzog.

»Dafür, daß du deine Brüder ewig nicht gesehen hast, scheinst du es nicht besonders eilig zu haben«, sagte Tanis schließlich. »Wir sind schon über einen Monat unterwegs, und du drängst nicht im mindesten auf etwas Tempo. Außerdem«, fügte er hinzu, weil er sich für das Thema erwärmte, »warst du diejenige, die darauf bestanden hat, dem Horax nachzujagen.«

Das sechs Fuß lange, insektenartige Ungetüm war vor über zwei Wochen eines Morgens in ihr Lager gestürmt, hatte ihre Sachen durchwühlt und sich mit Kitiaras Packsack aus dem Staub gemacht. Das Bodentier, dessen Körperplatten es von den Kiefern bis zum hintersten Beinpaar wie eine Rüstung schützten, hatte zwölf Beine und war erschreckend schnell und wild gewesen.

Zuerst hatte Kitiara befürchtet, der Zauberer des Valdan habe ihr den Horax nachgeschickt, um die Eisjuwelen zurückzuholen. Diesen Gedanken hatte sie jedoch verworfen, nachdem das Raubtier nach einigem Herumwandern schließlich einfach in seine unterirdische Kolonie zurückgekehrt war. Sie und der Halbelf hatten in der Kälte der frühen Morgenstunden zugeschlagen, wo der Kaltblüter und seine Artgenossen noch langsam gewesen waren.

Die Jagd nach dem Horax hatte sie südwestlich in die Wälder von Qualinesti zurückgeführt, wo Tanis sich bestens auskannte, allerdings waren sie weit von ihrem ursprünglichen Weg nach Solace abgekommen. Der Zwischenfall hatte die Hälfte des Monats in Anspruch genommen, der verstrichen war, seit sich Tanis und Kitiara beim Kampf gegen die Hobgoblins kennengelernt hatten. Jetzt lag der Packsack wieder sicher an seinem Platz hinter Kitiaras Sattel, und die Reisenden standen einige Meilen südlich von Haven.