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»Glaubst du, wir kommen von hier weg?«, fragte ich das Wesen, das in meinem Körper lebte.

Vielleicht.

Die Cualcua kennen weder Takt noch Angst vorm Tod. In letzter Zeit fand ich Gefallen an dieser Einstellung.

Nachdem ich mir die Sachen des anderen Mannes angezogen hatte, stand ich auf. Fünfhundert Meter vor mir machte ich flache, fensterlose Bauten aus. Waren das Hangars? Werkstätten? Oder Treibstofftanks?

»Ob sie Rimers Schiff womöglich noch gar nicht zerstört haben?«, fragte ich voller Hoffnung. »Es wäre schön, wenn wir damit zurückkehren könnten …«

Der Cualcua antwortete nicht, seltsamerweise meinte ich jedoch, einen Abklang von seinen Gefühlen zu erhaschen. Leichte Ironie, Sympathie und Billigung.

Ob sich ein Wesen, das als lebender Mechanismus dienen muss, als Panzerung und Lenkvorrichtung eines Torpedos, in die Technik hineinversetzen kann? Ob das Mitgefühl mit einem Schiff für dieses Wesen eine der seltenen Emotionen ist, zu denen es überhaupt imstande ist?

»Es wird Zeit, nach Hause zu kommen«, sagte ich.

Nur für diejenigen, die ein Zuhause haben …

»Habt ihr denn kein …«

Unsere Rasse hat sich in der Vergangenheit den Beschlüssen des Konklaves widersetzt. Wir haben rebelliert. Damals hatten wir noch einen Planeten. Jetzt gibt es dort nur noch Staub.

Schweigend starrte ich auf das Grün des Kosmodroms.

Mach dich auf den Weg, Pjotr. Für dich gibt es einen Ort, an den du zurückkehren kannst.

»Hoffentlich«, erwiderte ich. »Hoffentlich.«

Erster Teil

Die Erde

Eins

Das rot-violette Geschwader der Alari. Hundert Schiffe, die an den Grenzen des galaktischen Konklaves Patrouille flogen.

Durch die durchsichtig gewordene Verkleidung betrachtete ich die am Himmel verteilten Lichter. Sobald ich ein Schiff länger ansah, wurde es größer. Die Technik der Geometer war wirklich hervorragend.

Aber kam es darauf an?

Es gibt Dinge auf der Welt, die stärker als Waffen sind: den Willen, die Geisteskraft, die Gewissheit, richtig zu handeln, der Zusammenhalt untereinander. Was konnte das Konklave schon gegen die Zivilisation der Geometer ins Feld führen? Reibereien und Streit, die angestaute Unzufriedenheit der Schwachen Rassen, die Selbstzufriedenheit und Arroganz der Starken Rassen. Das ganze labile Gleichgewicht würde im Handumdrehen zusammenbrechen. Und wenn dann noch die Regressoren mitmischen würden …

Kapitän, jemand zwingt uns einen Kurs auf.

»Dann lass uns gehorchen«, sagte ich.

Die Situation ist gefährlich.

»Es ist alles in Ordnung. Ich habe Anweisungen. Alles geschieht zum Wohl Der Heimat«, sagte ich kurz angebunden.

Das Erkundungsschiff, das Rimer gehört hatte, hatte ich am Ende doch nicht gefunden. Anscheinend war es doch zerstört worden. Sicherheitshalber. Vielleicht war es besser so. Gegenüber einem Computer, der sich einen Teil von Niks Gedächtnis, seine Art zu kommunizieren und seine Gedichte einverleibt hatte, hätte ich mich unwillkürlich wie gegenüber einem intelligenten Lebewesen verhalten. Mit diesem neuen Schiff, mit dem nie zuvor irgendjemand geflogen war, gab es diese Probleme nicht. Die Geometer hatten es fertiggebracht, sich verteufelt schlaue Bordpartner zu schaffen, zu selbstständiger Kommunikation und nicht standardisierten Reaktionen imstande, die dennoch Maschinen blieben.

Vermutlich hatten sie das ganz richtig gemacht. Schließlich dürfte es kein Zufall sein, dass nicht eine einzige Rasse des Konklaves – zumindest nicht in großem Maßstab – auf künstliche Intelligenz vertraute, sondern lieber auf die Dienste der Zähler, der Cualcua oder anderer hoch spezialisierter Wesen zurückgriff. Allein der Gedanke, ein neues intelligentes Wesen zu schaffen, einen möglichen Konkurrenten, hat etwas Erschreckendes. Aber galt das auch für die Geometer? Mit ihrem Hang zur Geschlossenheit und Freundschaft? Warum hatten sie diese Möglichkeit nicht genutzt? Ging am Ende doch jede Ideologie flöten, sobald der Überlebensinstinkt einer Rasse ins Spiel kam?

Die Situation ist sehr gefährlich, teilte mir das Schiff besorgt mit.

»Gehorche. Wir führen eine Mission der Freundschaft durch.«

Wie praktisch, wenn die Weltanschauung oberste Priorität genießt. Selbst wenn die Geometer damit gerechnet haben sollten, dass ein Schiff entführt werden kann, hatten sie ihm keine Zweifel erlaubt. Mit gedrosselten Triebwerken flogen wir mitten in das Geschwader, zum Flaggschiff. Es war erst eine Woche her, seit ich es zum ersten Mal gesehen hatte. Damals hatte die riesige Scheibe einen erbärmlichen Eindruck gemacht. Denn obwohl die Alari es geschafft hatten, ein Schiff der Geometer unbeschädigt und intakt in ihre Gewalt zu bringen, hatten sie enorme Verluste hinnehmen müssen. Jetzt sah das Flaggschiff wieder wie neu aus. Eine bedrohliche Kriegsmaschine, die keine Niederlage zu kennen schien …

Cualcua, dachte ich, haben deine Artgenossen bei der Reparatur geholfen?

Ja, erhielt ich lautlos Antwort. Wir haben in den heißen Bereichen geholfen.

Ist das denn nicht gefährlich für euch?

Doch. Na und?

Was für eine frappierende Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod. Dergleichen hatte ich noch nie erlebt. Diese Einstellung der amöbenartigen Wesen musste einen Grund haben, wenn auch bisher noch niemand wusste, welchen.

In der Mitte des Flaggschiffs öffnete sich eine Luke. Schleusen gab es keine, stattdessen hielt ein Kraftschild die Luft zurück. Wir fielen durch die Luke – und es erinnerte wirklich an einen Fall. Als die Gravitationsfelder der Schiffe in Wechselwirkung miteinander traten, wurde mir leicht schwindlig.

»Stell die Gravitation ab!«, befahl ich, als wir uns im Flaggschiff befanden. »Fahr alle Verteidigungssysteme runter! Öffne die Kabine!«

Diesmal gehorchte das Schiff widerspruchslos, als habe es sich darauf besonnen, dass ein Geköpfter nicht um die Haare weint. Das Cockpit öffnete sich, und ich nahm den leicht würzigen Geruch der fremden, nicht-menschlichen Umwelt wahr. Die höhlenartige Halle im Flaggschiff war nur schwach beleuchtet, die reglosen Figuren der Alari ließen sich kaum erkennen.

Mir wurde mulmig zumute.

Vor einer Woche war ich durch ihre Reihe gestürmt. Ein wackerer Held, der sich nicht mehr erinnerte, wer er war, großzügig Kinnhaken verteilte und links und rechts mit einem Messer auf die kleinen Wesen einstach … Dabei hatten sich mir nur Techniker und Ingenieure entgegengestellt, denen durchweg jede Erfahrung im Zweikampf fehlte. Die Illusion eines Kampfes war nötig – und deshalb wurde sie geschaffen. Wenn mich ein paar echte Soldaten angegriffen hätten, noch dazu in den berühmten alarischen Panzeranzügen, wäre mir die Flucht nie im Leben geglückt.

Die zotteligen Körper um mich herum warteten. Was empfanden sie für mich? Verständnis – weil schließlich alle wussten, wozu das damals sein musste? Hass – weil an meinen Händen das Blut ihrer Artgenossen klebte? Neugier – immerhin war ich zurückgekehrt und brachte Informationen?

»Wo sind meine Freunde?«, fragte ich, während ich aus dem Schiff sprang. »Alari!«

Schweigen. Nach einer Weile trat ein schwarzes Wesen in einer goldenen Tunika vor.

»Kommandant?«, fragte ich.

»Ich begrüße dich an Bord, Pjotr Chrumow«, erwiderte der Alari mithilfe des Cualcua, der als hässlicher Auswuchs an seinem Hals schwabbelte. »Wir freuen uns, dass du es geschafft hast zurückzukommen.«

An zwei Stellen seines Körpers bedeckten weiße Binden das Fell, bei denen es sich kaum um Details der Kleidung handeln dürfte. Ob das Andenken an meine Schläge waren?