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Zara sammelte inzwischen schweigend ihre Schwerter ein. Die Klingen waren bedeckt von einer schmutziggrünen Schicht eingetrockneten Spinnenschleims; sie reinigte sie sorgfältig, bevor sie die Schwerter zurück in die Scheiden an ihrem Rücken steckte. Dann ging sie hinüber zu den schwelenden Überresten der Monsterspinne, die in der nur noch schwach glimmenden Glut lagen.

Das Ungeheuer war nur noch ein stinkender Haufen verkohlten Fleisches, aus dem die schwarzen Spinnenbeine ragten. Über Nacht hatte das Feuer die Spinne auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Größe schrumpfen lassen.

Zara beförderte den stinkenden Kadaver mit einem Tritt ins Gebüsch, kniete neben der Feuerstelle nieder und legte das restliche Brennholz, das sie gestern Abend gesammelt hatte, in die nur noch schwach schwelende Glut.

Jael entfernte derweil behutsam die weißen Spinnenfäden von Falks Gesicht. „Vielleicht sollten wir ihn so lassen, wie er ist“, schlug sie in einem Anflug von Humor vor. „Dann ist wenigstens eine Weile Ruhe.“

„Daf haf if gehört!“, nuschelte Falk unter den Spinnweben hervor.

„Jedenfalls lebt er noch“, brummte Zara und bemühte sich, das Feuer wieder zu entfachen.

Die Seraphim grinste. Als sie Falk einige Minuten später vollends von den Spinnweben befreit hatte, schlug er sich als Erstes auf wackligen Beinen in die Büsche. Dem Rascheln des Dickichts folgte das Prasseln eines steten Wasserstrahls und dann ein erleichtertes, lang gezogenes Seufzen.

„Zu viel Wein“, meinte er, als er einen Moment später aus den Büschen kam; inzwischen war er schon wieder einigermaßen sicher auf den Beinen. Dann fiel sein Blick auf den Kadaver der Monsterspinne, und Ekel trat in seine Züge. „Du lieber Himmel“, raunte Falk. „Ich habe zwar gehört, dass uns irgendetwas Großes an den Kragen wollte, aber das hier ...“ Er trat mit der Stiefelspitze gegen den Kadaver. „Was, bei allen Teufeln, ist das für ein Vieh?“

„Das“, antwortete Jael und korrigierte ihn zugleich, „war wahrscheinlich ein Ergebnis der schwarzmagischen Experimente, die in Sternental auch heute noch getrieben werden.“

Falk runzelte die Stirn. „Ich dachte, auch in Sternental sei Zaubern strengstens verboten.“

Jael nickte. „Offiziell ist das Studieren, Lehren und Praktizieren der Verbotenen Künste auch in Sternental bei schwerster Strafe untersagt – so wie im Rest von Ancaria. Aber ...“ Sie zuckte mit den Schultern, griff nach dem Proviantbeutel und zog die Schnüre auf, während sie weitersprach: „Im Laufe der Jahrhunderte hat es immer wieder Gerüchte gegeben über verbotene magische Experimente in der Enklave. Man soll angeblich versucht haben, auf schwarzmagischem Wege grauenhafte Wesen und Kreaturen zu schaffen und verschiedenste Gattungen miteinander zu kreuzen, und die Ergebnisse dieser Versuche sollen so grotesk gewesen sein, dass sogar die verbannten Magier nur Abscheu für ihre Schöpfungen empfinden konnten.“ Sie nahm Brot und Käse aus dem Beutel und reichte beides an Zara weiter, die das Feuer inzwischen entfacht hatte. „Eine Delegation Inquisitoren wurde vor gut einem halben Jahrhundert nach Sternental geschickt, um diesen Gerüchten auf den Grund zu gehen, doch obwohl die gesamte Enklave gewissenhaft durchsucht wurde, fand man keinerlei Hinweise, weder auf diese verbotenen Experimente noch auf die Geschöpfe, die ihnen entsprungen sein sollen. Damals mutmaßten einige, dass die Zauberer womöglich irgendwie von dem Auftauchen der Inquisitoren erfuhren und ihre Kreaturen vorher fortschafften, doch wie so vieles im Zusammenhang mit Sternental und dem, was dort vorgeht, ist auch das nichts weiter als eine unbelegte Geschichte.“

„Eine Geschichte, die uns beinahe aufgefressen hätte“, brummte Falk.

„Es ist ja noch mal gut gegangen“, sagte Jael.

„Ja“, stimmte Falk zu, „dank Zara. Das wird langsam zur Gewohnheit.“ Er warf dem verkohlten Kadaver noch einen angewiderten Blick zu und gesellte sich dann zu den beiden Kriegerinnen unter den Felsüberhang. Thor lag ein paar Schritte weiter und ließ die Blicke wachsam hin und her schweifen; er sah aus, als würde er ihrer Unterhaltung folgen.

Nach dem Proviantbeutel greifend, flüsterte Falk, an Zara gewandt: „Du hast mir das Leben gerettet. Schon wieder.“

„Mir auch“, schloss sich Jael an, und man merkte, dass es ihr nicht leicht fiel, das zuzugeben. „Danke.“

„Dankt nicht mir, sondern Thor“, entgegnete Zara, schnitt mit ihrem Messer ein Stück Wurst ab und schnippte es dem Wolf zu. Der schnappte nach dem Bissen, wofür er nur seinen gewaltigen Kopf hob und ansonsten still liegen bleib. „Ohne ihn wären wir jetzt alle tot.“

„Ja.“ Jael sah zu Thor hinüber, der aufmerksam die Ohren gespitzt hatte, als wüsste er, dass sie über ihn sprachen. Sie lächelte. „Er ist wirklich ein gutes Tier. Und mutig dazu. Ein Glück, dass er sich doch nicht aus dem Staub gemacht hat. Und trotzdem, Zara – du hast für mich gekämpft und ...“

„Für uns!“, warf Falk kauend ein.

„... für uns gekämpft“, korrigierte sich Jael, „und dafür danke ich dir.“

„Jo, ich auch!“, brummte Falk.

Zara schnitt noch ein Stück Wurst ab, steckte es sich in den Mund und sah ihre Gefährten mit undeutbarer Miene an. „Auch wenn euch diese Vorstellung vielleicht nicht gefällt, aber in erster Linie habe ich für mich gekämpft. Nicht für euch, nicht für die Alten Götter, auch nicht für sonst wen. Dass ihr noch am Leben seid, war keine Absicht.“

Jael blickte sie einen Moment lang nachdenklich an. Dann glitt ein kleines Lächeln über ihre Züge. „Wie auch immer“, sagte sie, „wir sind jedenfalls froh, dass du es getan hast.“

„Und wie“, stimmte Falk zu, und die unschuldige Unbekümmertheit, mit der er es sagte, ließ auch Zara grinsen.

Sie schüttelte amüsiert den Kopf, warf noch ein paar Zweige ins prasselnde Feuer und sah hinüber zum Horizont. Dicke graublaue Wolken trieben vor der milchigen Scheibe der Sonne dahin und verbargen die Gipfel des Ripergebirges jenseits der verkrüppelten, moosbehangenen Bäume des Nimmermehrsumpfs. Vereinzelt fielen Schneeflocken vom Himmel, doch es sah nicht so aus, als würde es in absehbarer Zeit wieder stärker schneien. Trotzdem war Zaras Blick düster, während sie die schroffen, zerklüfteten Berge betrachtete.

Falk folgte ihrem Blick. „Über diese Berge müssen wir, oder?“

Zara nickte. „Dahinter liegt Sternental“, bestätigte sie.

„Sieht verdammt steil aus“, meinte Falk. „Wird sicher kein Zuckerschlecken, das Gebirge zu durchqueren.“

„Das werden wir bald wissen“, brummte Zara missmutig. Sie erhob sich und begann, ihre Sachen zu packen. „Wir sollten aufbrechen. Wir haben schon zu viel Zeit verloren.“

Jael nickte ernst. „Und wer weiß, wie viel uns noch bleibt...“

An diesem Tag war Falk sogar froh darüber, nichts anderes tun zu müssen, als im Sattel zu sitzen und seinen Gedanken nachzuhängen. Auch wenn er es vor seinen übermenschlichen Begleiterinnen nicht zugeben wollte, er spürte die Nachwirkungen des Spinnengifts noch immer, wie den Kater nach einer durchzechten Nacht. Um sich von dem Schwindelgefühl in seinem Kopf und dem Grummeln in seinen Eingeweiden abzulenken, konzentrierte er sich auf die Landschaft, durch die sie ritten, doch das, was sich seinem Blick darbot, taugte nicht wirklich dazu, seine Stimmung zu heben.

Je weiter sie nach Süden vordrangen, desto ungastlicher wurde es. Nach und nach wurden Bäume, Büsche und Sträucher weniger, um schließlich so gut wie ganz zu verschwinden; ausgedehnte Sumpfflächen breiteten sich vor ihnen aus, die man auf den ersten Blick leicht für gewöhnliche Steppe halten konnte. Bloß stiegen hin und wieder blubbernde Blasen Sumpfgas an die Oberfläche, und es stank nach Moder und Verwesung, als litte ein Ork unter Blähungen. Falk war sicher, dass einen der Sumpf, war man erst einmal in seinen morastigen Griff geraten, nie mehr losließ. Ihr Glück war, dass Jael den Weg offenbar kannte; sie ritt voran und führte sie.