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»Sehr gut«, antwortete Dunstan.

»Kommt mit«, schlug der andere vor. »Gehen wir gemeinsam über den Markt.«

So schlenderten sie über die Wiese zu den Zelten.

»Wart Ihr schon einmal hier?« fragte der große Mann.

»Ich war auf dem letzten Markt, vor neun Jahren. Damals war ich noch ein kleiner Junge«, antwortete Dunstan.

»Nun«, meinte sein Mieter, »dann denkt daran, immer höflich zu sein und keine Geschenke anzunehmen. Vergeßt nicht, daß Ihr hier der Gast seid. Und jetzt werde ich Euch noch den letzten Teil der Miete zukommen lassen, den ich Euch schulde. Denn ich habe einen Eid geschworen. Und meine Gaben sind äußerst dauerhaft. Sie sind für Euch und für Euer erstgeborenes Kind und wiederum für das erstgeborene Eures Kindes Kind gedacht… Ein Geschenk, das gilt, solange ich lebe.«

»Und was ist es, Sir?«

»Euer Wunschtraum, erinnert Ihr Euch nicht?« antwortete der Gentleman mit dem Zylinder. »Euer Wunschtraum.«

Dunstan verbeugte sich, und sie gingen weiter in Richtung Markt.

»Augen, Augen! Neue Augen für alte!« rief eine winzige Frau an einem Tisch, auf dem Flaschen und Gläser mit Augen jeder Art und Farbe aufgebaut waren.

»Musikinstrumente aus hundert Ländern!«

»Pfeifen für ‘nen Penny! Lieder für zwei! Choräle für drei!«

»Wer will sein Glück versuchen? Tretet näher! Wer ein einfaches Rätsel beantwortet, gewinnt eine Windblume!«

»Immergrüner Lavendel! Akeleituch!«

»Eingemachte Träume, ein Shilling die Flasche!«

»Mäntel der Nacht! Mäntel des Zwielichts! Mäntel der Morgendämmerung!«

»Glücksschwerter! Mächtige Zauberstäbe! Ringe der Ewigkeit! Gnadenkarten! Nur zu, nur zu, immer hereinspaziert!«

»Salben und Tinkturen, Liebestränke, Geheimarzneien aller Art!«

Dunstan blieb vor einer Bude mit kunstvoll geformten Kristallgegenständen stehen, inspizierte die winzigen Tierfiguren und überlegte, ob er für Daisy Hempstock eine kaufen sollte. Vorsichtig nahm er eine Kristallkatze, die nicht größer war als sein Daumennagel, in die Hand, doch als sie ihm vielsagend zuzwinkerte, ließ er sie vor Schreck fallen. Doch genau wie eine echte Katze richtete sich die Figur im Fallen auf und landete sicher auf allen vier Pfoten. Dann stolzierte sie in die Ecke der Bude und begann sich zu putzen.

Dunstan ging weiter durch das Marktgedränge.

Es wimmelte hier von Menschen – alle Fremden, die letzte Woche nach Wall gekommen waren, aber auch viele Einwohner des Ortes waren inzwischen eingetroffen. Mr. Bromios hatte ein Erfrischungszelt aufgebaut und verkaufte Wein und Pastetchen an die Dorfleute. Zwar fanden diese die Eßwaren der Leute von jenseits der Mauer sehr verlockend, aber sie kauften nichts davon. Nicht umsonst war ihnen von ihren Großeltern (die das gleiche von ihren Großeltern gehört hatten) eingeschärft worden, die Finger von Nahrungsmitteln und Früchten aus dem Feenland zu lassen und keinesfalls Feenwasser oder Feenwein anzurühren – das war ein ungeschriebenes Gesetz.

Alle neun Jahre baute nun das Volk von jenseits der Mauer und über dem Hügel seine Stände auf; einen Tag und eine Nacht lang beherbergte die Wiese den Feenmarkt, und es gab Handel zwischen den Nationen – einen Tag und eine Nacht lang, einmal alle neun Jahre.

Es gab Wunder zu kaufen, Mirakel und Sensationen; Dinge wurden feilgeboten, die sich niemand träumen ließ, unerklärlich und phantastisch. Welche Verwendung könnte wohl jemand für sturmgefüllte Eierschalen haben? überlegte Dunstan. Er ließ das Geld in seinem Taschentuch klimpern und hielt Ausschau nach etwas Kleinem und Preiswertem, mit dem er Daisy eine Freude machen konnte.

Da drang ein leises Klingeln an sein Ohr, kaum hörbar im Marktlärm, und er ging dem Geräusch nach.

Unterwegs kam er an einer Bude vorbei, in der fünf riesenhafte Männer zu den melancholischen Klängen einer Drehleier tanzten, die von einem bekümmert dreinblickenden schwarzen Bären bedient wurde; dann passierte er einen Stand, an dem ein Mann mit schütterem Haar in einem farbenfrohen Kimono Porzellanteller zertrümmerte und sie in eine brennende Schüssel warf, von der bunter Rauch aufstieg, wobei er den Passanten pausenlos seine Sprüche zurief.

Das Klimpern und Klingeln wurde lauter.

Als er zu dem Stand kam, von dem das Gebimmel ausging, konnte er dort niemanden entdecken. Alles war mit Blumen geschmückt: Akelei und Fingerhut, Glockenblumen und Osterglocken, aber auch Veilchen und Lilien, winzige purpurrote Heckenröschen, blasse Schneeglöckchen, blaue Vergißmeinnicht und eine Fülle anderer Gewächse, deren Namen er nicht kannte. Sie waren aus Kristall oder Glas gefertigt, ob geblasen oder geschliffen, konnte Dunstan nicht beurteilen, doch alle waren sie ein perfektes Abbild der Natur, sie klingelten und bimmelten wie ferne Glasglocken.

»Hallo?« rief Dunstan.

»Seid mir gegrüßt an diesem schönen Marktmorgen«, rief die Standinhaberin und kletterte von dem bunt bemalten Wohnwagen, der hinter der Bude geparkt war. Sie lächelte ihn an, daß die weißen Zähne in dem dunklen Gesicht blitzten. Ganz eindeutig gehörte sie zum Volk von jenseits der Mauer, das erkannte Dunstan sofort an ihren Augen und ihren Ohren, die unter den schwarzen Locken hervorschauten. Die Augen waren tiefviolett, die Ohren ähnelten denen einer Katze, sanft geschwungen und von einem feinen dunklen Pelz überzogen. Die junge Frau war sehr schön.

Dunstan nahm eine Blume vom Stand. »Diese hier ist hübsch«, sagte er. Es war ein Veilchen, und es klimperte und sang in seiner Hand, was sich in etwa so anhörte, wie wenn man mit dem nassen Finger auf dem Rand eines Weinglases entlangstreicht. »Wieviel kostet sie?«

Die Feenfrau zuckte anmutig mit den Schultern.

»Ich fange einen Handel niemals mit dem Preis an«, erklärte sie ihm. »Womöglich würde ich viel mehr verlangen, als Ihr zu zahlen bereit seid, und dann würdet Ihr auf dem Absatz kehrtmachen und gehen, wodurch wir beide etwas verloren hätten. Laßt uns etwas allgemeiner über die Ware sprechen.«

Dunstan überlegte. In diesem Augenblick kam der Gentleman mit dem Zylinder am Stand vorbei. »Bitte sehr«, murmelte Dunstans Mieter. »Hiermit ist meine Schuld an dich beglichen, meine Miete bezahlt.«

Dunstan schüttelte den Kopf, als wollte er aus einem Traum erwachen, ehe er sich wieder an die junge Lady wandte. »Woher kommen die Blumen denn nun?« fragte er.

Sie lächelte geheimnisvoll. »Am Hang des Mount Calamon befindet sich ein Glasblumenhain. Die Reise dorthin ist gefährlich, die Reise zurück noch gefährlicher.«

»Und welchem Zweck dienen diese Blumen?« fragte Dunstan.

»In erster Linie dekorativen und ästhetischen Zwecken; sie bringen Freude, man kann sie einem geliebten Menschen als Unterpfand der Bewunderung und Zuneigung zum Geschenk machen, und der Laut, den sie hervorbringen, ist wohltuend fürs Ohr. Außerdem bricht sich das Licht so wunderschön in ihnen.« Sie hielt eine Akelei empor, aber Dunstan dachte, daß die Farbe des Sonnenlichts, welches durch den violetten Kristall glitzerte, es weder im Farbton noch in der Schattierung mit ihren Augen aufnehmen konnte.

»Verstehe«, sagte er laut.

»Man verwendet sie außerdem für bestimmte Bannsprüche und Zauberformeln. Sollte der Herr ein Magier sein…?«

Dunstan schüttelte den Kopf. Die junge Frau hatte zweifellos etwas höchst Bemerkenswertes an sich.

»Ah. Trotzdem sind die Blumen wunderschön«, sagte sie und lächelte wieder.

Dunstan bemerkte, daß vom Handgelenk der schönen Frau eine dünne Silberkette hinunter zum Fußgelenk lief und dann in dem Wohnwagen hinter ihr verschwand.

Dunstan erkundigte sich danach.

»Die Kette? Sie fesselt mich an den Stand. Ich bin die persönliche Sklavin der Hexenfrau, der diese Bude gehört. Vor vielen Jahren schon hat sie mich gefangen – als ich an den Wasserfällen auf dem Land meines Vaters spielte, hoch oben in den Bergen. Da lockte sie mich in Gestalt eines hübschen Frosches immer weiter fort, stets gerade so weit von mir entfernt, daß ich glaubte, sie greifen zu können – bis ich schließlich das Land meines Vaters verlassen hatte, ohne es zu merken. Daraufhin nahm sie ihre wahre Gestalt an und stopfte mich in einen Sack.«