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Bolitho wartete darauf, daß die Avenger eine ihrer taumelnden Talfahrten beende, und überquerte dann schnell das Deck, um einen Blick auf den Kompaß zu werfen. Der starke Seegang war ermüdend. Jede von achtern auflaufende See hob das kurze und gedrungene Schiff in die Höhe und ließ es sogleich ins nächste Wellental knallen, und dies seit nahezu zwölf Stunden. Die Zeit war ihnen jedoch weitaus länger erschienen. Einer der Rudergänger sagte müde:»West zu Nord, Sir. «Wie sie alle, wirkte auch er erschöpft und entmutigt. Sieben Glas ertönten von der Back. Bolitho ging rasch zur Luvreling und hielt sich dort fest, bevor der Kutter wieder eine seiner verrückten Schlingerbewegungen machte. In einer halben Stunde würde es Mittag sein, Mittag des Weihnachtstages. Aber dieser Tag bedeutete eine Menge mehr für seinen Bruder, ja vielleicht für sie alle. Möglicherweise war es nur eine törichte Geste gewesen, ein letzter, verzweifelter Versuch, das Geschick zu wenden. Sie hatten nichts gesichtet, nicht einmal einen übereifrigen Fischer, was allerdings am heutigen Tag auch kein Wunder war, dachte Bolitho verbittert.

Er schielte durch den Regen, sein Magen rebellierte gegen die großzügige Rumration, die heute verteilt worden war. Das häufige Segeltrimmen und Überstaggehen hatten keine Möglichkeit gelassen, in der Kombüse Feuer zu machen und etwas Warmes zu kochen. Bolitho hatte beschlossen, nie wieder Rum zu trinken, wenn er es vermeiden konnte. Gloag hatte recht gehabt mit seiner Wettervorhersage, wie meistens. Der Regen fiel gleichmäßig stark und schnitt wie Eisnadeln in Gesicht und Hände. Als er schließlich doch etwas nachließ, kam ein seltsamer Dunst auf, der Himmel und See zu einem verschwommenen, grauen Vorhang verschmolz.

Bolitho malte sich seine Mutter bei den Weihnachtsvorbereitungen aus. Die üblichen Besucher von den Höfen und Häusern der Umgebung waren jetzt sicherlich schon da. Man würde Vyvyans Abwesenheit bemerken. Alle würden Harriet Bolitho beobachten, ihr Fragen stellen…

Er straffte sich, als er seinen Bruder wieder an Deck kommen hörte. Seit sie Falmouth verlassen hatten, war er kaum mehr als eine halbe Stunde unter Deck gewesen.

Bolitho berührte grüßend seinen salzverkrusteten Hut.»Wind stetig, noch immer südlich, Sir.»

Er hatte während der Nacht rückgedreht und kam nun nahezu von Backbord querab, das pralle Großsegel krängte die Avenger bis zu den Leespeigatten.

Gloags unförmige Gestalt löste sich von der Leereling, und er murmelte:»Wenn er auffrischt oder schralt, müssen wir wohl über Stag gehen. «Seine Stimme klang unwillig, als wolle er vermeiden, zu den Sorgen seines Kommandanten noch beizutragen, doch er wußte, daß er Verantwortung für alle trug. Bolitho beobachtete, wie sich Unentschlossenheit und Halsstarrigkeit in seinem Bruder einen erbitterten Kampf lieferten, was auf seinen vom Wind geröteten Gesicht deutlich zum Ausdruck kam. Der Kutter stand jetzt etwa zehn Seemeilen südlich des gefürchteten Kap Lizard, und wie Gloag gesagt hatte, befanden sie sich bei aufkommendem Sturm zu dicht unter der Leeküste. Das konnte unangenehm werden und war nur dann zu vermeiden, wenn sie rechtzeitig über Stag gingen. Hugh Bolitho trat an die Luvreling und starrte in den peitschenden Regen.

Mehr zu sich selbst als zu den anderen sagte er:»Die verdammten Schufte! Jetzt haben sie mich endgültig erledigt. «Das Deck hob sich und glitt wieder nach unten. Die Leute fielen in nassen Bündeln durcheinander und fluchten trotz der drohenden Blicke ihrer Unteroffiziere. Bald mußten sie umkehren, sie waren ohnehin schon zu spät daran, um des Admirals Befehl pünktlich zu befolgen. Wenn Hugh die Umkehr noch weiter verzögerte, konnte der Wind ihm einen letzten üblen Streich spielen und ganz drehen, so daß sie zurück kreuzen mußten.

Er blickte seinen jüngeren Bruder an und lächelte finster.»Du denkst zu viel, Richard, man sieht es dir an. «Bolitho versuchte, es mit einem Achselzucken abzutun.»Die Suchaktion war schließlich mein Vorschlag. Ich dachte nur.«»Mach dir keinen Vorwurf, es ist ohnehin beinahe vorüber. Zu Mittag werden wir umkehren. Im übrigen war es eine gute Idee. An jedem anderen Tag des Jahres würde hier im Kanal das übliche Gewimmel von Schiffen herrschen, dann wäre er so wenig zu finden gewesen wie eine Nadel im Heuhaufen. Aber am Weihnachtstag?«Er seufzte.»Wenn das Schicksal es ein bißchen besser gemeint und wir wenigstens gute Sicht gehabt hätten, wer weiß?«Lustlos fügte er hinzu:»Wir sollten besser noch einmal die Segel überprüfen, für den Fall einer plötzlichen Wetterverschlechterung. «Es war seine Pflicht, sich um Schiff und Segel zu kümmern, aber an seiner Stimme konnte man erkennen, daß er in Gedanken weit weg war, noch immer nach seinem Feinde suchte.»Enter auf und überprüf die Leesegelbäume, dann sag Mr. Pyke, daß wir bald reffen müssen. «Er blickte zu dem prall gefüllten Toppsegel auf, zu den vibrierenden Wanten und Stagen, die mit zornigem Brummen auf den Ansturm des Windes reagierten.

Dancer war ebenfalls an Deck gekommen, er wirkte blaß und zerzaust.»Ich gehe nach oben, Sir!»

Hugh lächelte müde.»Immer noch diese Höhenangst, Richard?«Die Brüder blickten sich an, und Dancer, der nur den einen von ihnen genauer kannte, hatte das Gefühl, daß die beiden sich jetzt näher waren als seit langem.

Während Dancer im Luvwant auf enterte, sagte Bolitho:»Ich bin froh, daß du mich auf die Avenger geholt hast. «Dann wandte er sich ab, verwirrt darüber, daß es so schwierig war, etwas Derartiges auszusprechen.

Hugh nickte langsam.»Auf der alten Gorgon beneiden sie euch wahrscheinlich und stellen sich vor, daß ihr vergnügt an einer reichgedeckten Tafel sitzt. Wenn sie wüßten. «Er blickte auf, offensichtlich erregt, als Dancer von oben rief:»An Deck! Segel in Luv Voraus!»

Noch während sein Schrei verhallte, erklangen von der Back acht Glasen. Sie waren also die ganze Zeit hinter dem anderen Schiff hergefahren, ohne es zu sehen. Es konnte nur die Virago sein, mußte sie sein. Noch ein paar Minuten, und die Avenger hätte abgedreht und ihrem Gegner erlaubt, für immer zu verschwinden. Pyke und Truscott, der Stückmeister, kamen nach achtern gerannt, das Haar naß vom Spritzwasser, ihre Gestalten in so schrägem Winkel zum Deck, daß sie wie betrunken wirkten. Pyke rief:»Ich gehe nach oben, Sir, um festzustellen, ob sie es ist!«Er fletschte die Zähne, als wolle er zeigen, daß dies seine persönliche Angelegenheit sei, die er mit keinem anderen teilen wollte.

Hugh Bolitho reichte seinen Hut einem der Seeleute und knurrte:»Nein, ich gehe selbst.»

Schweigend warteten sie. Wäre Dancer nicht aufgeentert, so wären sie jetzt nach Plymouth gesegelt, ohne etwas von der

Anwesenheit der Virago zu ahnen. Hugh Bolitho stieg mit Rockschößen, die wie ein Doppelwimpel um seine weiße Kniehose wehten, rasch nach oben. Er hielt nur einmal kurz an, als er den Fähnrich passierte, und enterte dann weiter auf, bis er fast in Regen und Dunst verschwand. Als er die Toppsegelrah erreicht hatte, blieb er stehen, die Arme um den wild vibrierenden Mast geschlungen, und hielt Ausschau. Nach zwei Minuten war er wieder unten an Deck und erklärte mit ausdruckslosem Gesicht:»Es ist die Virago, daran besteht kein Zweifel. Zwei Masten, ketchgetakelt, unter Vollzeug. «Lediglich seine Augen zeigten Leben, sie glühten wie feurige Kohlen, als er jetzt seine Gedanken aussprach.»Sie hat natürlich den Windvorteil, aber das macht nichts. «Er trat an den Kompaß, dann musterte er sorgfältig jedes Segel.»Setzen Sie den Klüver, Mr. Pyke, danach schicken Sie die Leute nach oben und lassen die Leesegelbäume ausbringen. Mit den Leesegeln können wir sogar diese Schaluppe aussegeln. «Seine Augen blitzten, als er scharf hinzufügte:»Oder ich ziehe jemandem das Fell über die Ohren!«Dancer wurde wieder an Deck beordert und ein erfahrener Seemann nach oben geschickt, um seinen Platz einzunehmen. Als Dancer naß und atemlos an Deck erschien, rief er aus:»Das Glück hat sich gewendet, Sir!»