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Diese Bemerkung schien weder Lelaine noch Romanda zu trösten. Sie erreichten den Lagerrand der Aes Sedai, wo bereits Pferde auf sie warteten, genau wie eine große Gruppe Soldaten und je eine Sitzende von jeder Ajah, ausgenommen der Blauen und der Roten. Es war keine Blaue da, weil Lelaine die einzige noch im Lager Anwesende war; warum es keine Rote gab, war offensichtlich. Nicht zuletzt aus diesem Grund trug Egwene das Rot, ein subtiler Hinweis, dass alle Ajahs an dem bevorstehenden Unternehmen beteiligt sein sollten. Es war zu ihrer aller Besten.

Als Egwene in den Sattel stieg, sah sie, dass ihr Gawyn wieder in respektvollem Abstand folgte. Wo war er hergekommen? Seit dem Morgen hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Als sie aufstieg, folgte er ihrem Beispiel, und als sie sich anschickte, zusammen mit Lelaine, Romanda, den Sitzenden und den Soldaten das Lager zu verlassen, folgte er ihnen in sicherer Distanz. Egwene war sich immer noch nicht sicher, was sie mit ihm machen sollte.

Das Heerlager lag größtenteils verlassen da. Zelte standen leer, Hufe und Füße hatten den Boden zertrampelt, es waren kaum noch Soldaten da. Unmittelbar nach Verlassen des Lagers umarmte Egwene die Quelle und hielt sie fest, bereit, sofort Gewebe herzustellen, sollte sie jemand während des Ritts angreifen. Sie war noch immer nicht davon überzeugt, dass Elaida nicht versuchen würde, den Angriff mit Wegetoren zu stören. Sicher war die falsche Amyrlin vollauf mit den Auswirkungen des seanchanischen Angriffs beschäftigt. Aber solche Annahmen - die Annahme, dass ihr nichts passieren konnte - hatten Egwene erst zur Gefangenen gemacht. Sie war die Amyrlin. Sie durfte sich keinem Risiko aussetzen. Das war ärgerlich, aber ihr war klar, dass ihre Tage des Alleingangs, wo sie das tat, was sie für richtig hielt, zu einem Ende gekommen waren. Genauso gut hätte sie vor diesen vielen Wochen auch getötet statt gefangen genommen werden können. Die Salidar-Rebellion hätte ihr Ende gefunden, und Elaida hätte weiter als Amyrlin geherrscht.

Und so ritt ihre Streitmacht zur Front außerhalb des Dorfes Darein. Die Weiße Burg schwelte noch immer, aus der Mitte der Insel stieg eine kreisrunde Rauchwolke empor und hüllte den weißen Turm ein. Selbst aus der Ferne waren die Narben des seanchanischen Angriffs deutlich sichtbar. Geschwärzte Löcher, die wie faulige Stellen auf einem ansonsten gesunden Apfel erschienen. Die Burg schien beinahe zu stöhnen, als Egwene sie betrachtete. Sie stand seit so langer Zeit, hatte so vieles gesehen. Jetzt war sie so schwer verletzt worden, dass sie einen Tag später noch immer blutete.

Und doch stand sie noch aufrecht. Sollte das Licht sie alle segnen, sie stand aufrecht. Sie ragte in die Höhe, verletzt, aber robust, und zeigte auf die von den Wolken verborgene Sonne. Sie trotzte allen, die sie zerstören wollten, ob nun von innen oder von außen.

Bryne und Siuan erwarteten Egwene hinter den formierten Reihen. Sie waren ein ungleiches Paar. Der schlachtengestählte General mit den grauen Schläfen und einem Gesicht, das so viel Ähnlichkeit mit einer unnachgiebigen Rüstung hatte. Stark und voller Falten. Und neben ihm Siuan, die zierliche Frau in Hellblau mit dem lieblichen Gesicht, die jung genug aussah, um Brynes Enkelin zu sein, obwohl sie doch beide ungefähr im gleichen Alter waren.

Siuan verneigte sich auf dem Rücken ihres Pferdes, als Egwene sich näherte, und Bryne salutierte. Er schaute noch immer unbehaglich drein. Anscheinend schämte er sich für die Rolle, die er bei ihrer Rettung gespielt hatte, obwohl sie ihm nichts nachtrug. Er war ein Mann von Ehre. Wenn sie ihn lange genug bedrängt hatten, damit er mitkam, um die leichtsinnige Siuan und Gawyn zu beschützen, dann konnte man ihm nur dankbar sein, dass er sie am Leben erhalten hatte.

Als sich Egwene zu ihnen gesellte, fiel ihr auf, dass Siuan und Bryne eng nebeneinander ritten. Hatte sich Siuan endlich eingestanden, dass sie sich von dem Mann angezogen fühlte? Und Bryne wies nun eine gewisse vertraute … Anmut auf. Es war unauffällig genug, dass sie sich genauso gut hätte irren können, aber bedachte man, in welcher Beziehung die beiden zueinander standen …

»Habt Ihr endlich einen neuen Behüter erwählt?«, fragte Egwene Siuan.

Die Frau kniff die Augen zusammen. »Aye«, sagte sie.

Bryne erschien überrascht und ein kleines bisschen verlegen.

»Tut Euer Bestes, General, sie aus allem Ärger herauszuhalten«, sagte Egwene und schaute Siuan in die Augen. »In letzter Zeit hat sie genug davon gehabt. Beinahe bin ich geneigt, sie Euch als Fußsoldat zu überlassen. Die militärische Disziplin könnte ihr guttun, sie daran erinnern, dass Gehorsam manchmal vor Initiative geht.«

Siuan schrumpfte in sich zusammen und schaute zur Seite.

»Ich habe noch nicht entschieden, was ich mit Euch mache, Siuan«, sagte Egwene in einem weniger scharfen Tonfall. »Aber mein Zorn wurde geweckt. Und mein Vertrauen ist verloren. Ihr werdet das Erstere beschwichtigen und am Letzteren arbeiten müssen, wenn Ihr wollt, dass ich mich je wieder auf Euch verlassen soll.«

Sie wandte sich von Siuan an den General, dem schlecht zu sein schien. Vermutlich, weil er gezwungenermaßen Siuans Scham spüren musste.

»Man muss Euch zu Eurem Mut beglückwünschen, General, dass Ihr zugelassen habt, von ihr den Bund zu empfangen«, fuhr Egwene fort. »Mir ist schon klar, dass es eine beinahe unlösbare Aufgabe ist, sie von jedem Ärger fernzuhalten, aber ich setze mein Vertrauen in Euch.«

Der General entspannte sich. »Ich werde mein Bestes tun, Mutter«, sagte er. Dann wendete er sein Pferd und betrachtete die Reihen seiner Soldaten. »Da gibt es etwas, das Ihr sehen solltet. Wenn Ihr die Freundlichkeit hättet?«

Egwene nickte, trieb ihr Pferd an und ritt neben ihm die Straße entlang. Sämtliche Dorfbewohner waren evakuiert worden, und die Hauptstraße wurde von Tausenden von Brynes Soldaten gesäumt. Siuan begleitete Egwene, und Gawyn folgte ihr. Lelaine und Romanda blieben nach einem Handzeichen Egwenes bei den anderen Sitzenden. Ihr neu gefundener Gehorsam erwies sich als nützlich, vor allem, seit sie sich anscheinend entschieden hatten, einander darin zu übertreffen, Egwenes Zustimmung zu gewinnen. Vermutlich wetteiferten sie beide um den Posten ihrer neuen Behüterin der Chroniken, jetzt, da es Sheriam nicht mehr gab.

Der General führte Egwene zur Frontlinie, und sie bereitete ein Gewebe Luft vor nur für den Fall, dass man einen Pfeil in ihre Richtung abschoss. Siuan sah sie an, sagte aber nichts über die Vorsichtsmaßnahme. Eigentlich hätte sie nicht nötig sein dürfen - Burgwächter würden niemals auf eine Aes Sedai schießen, nicht einmal in solch einem Konflikt. Aber über Behüter konnte man nicht das Gleiche sagen, und Unfälle geschahen nun einmal. Es wäre schon sehr praktisch für Elaida gewesen, hätte ein verirrter Pfeil ihre Rivalin in den Hals getroffen.

Die Pflastersteine wichen quadratischen Steinfliesen, als sie durch Darein ritten, und die wichen wiederum Marmorfliesen, die auf die Alindaer-Brücke führten, eine majestätische weiße Konstruktion, die den Fluss bis nach Tar Valon überspannte. Hier war das, was Bryne ihr zeigen wollte: auf der anderen Seite der Brücke stand eine Streitmacht der Burgwache in ihren Wappenröcken mit der Flamme von Tar Valon hinter einer provisorischen Barrikade aus Steinen und Baumstämmen. Und es konnten nicht mehr als tausend Mann sein.

Brynes Heer verfügte über zehntausend Mann.

»Ich weiß, dass es nie die Zahlen waren, die uns vom Angriff abhielten«, sagte der General. »Aber die Burgwache sollte dazu fähig sein, mehr Männer ins Feld zu führen, insbesondere, wenn sie in der Stadt rekrutieren. Ich bezweifle, dass sie die letzten Monate damit verbracht haben, am Feuer zu sitzen, Haken zu schnitzen und über alte Zeiten zu plaudern. Wenn Chubain auch nur einen Funken Verstand hat, dann hat er neue Rekruten ausgebildet.«

»Und wo sind sie dann alle?«, fragte Egwene.

»Das weiß das Licht allein, Mutter.« Bryne schüttelte den Kopf. »Wenn wir an dieser Streitmacht vorbei wollen, werden wir einige Männer verlieren, aber nicht sehr viele. Wir werden sie vernichtend schlagen.«