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Er warf einen letzten Blick zurück auf die Trümmer von Spiral Castle, auf Gwydions Grabhügel. Über dem Bergrücken hoben sich gegen den hellen Himmel deutlich die Umrisse zweier Reiter ab.

„Rasch in den Wald!“ rief Taran seinen Gefährten zu. Melyngar sprengte ins Dickicht, die anderen duckten sich hinter die Sträucher. Die beiden Reiter folgten dem Kamm des Höhenzuges. Sie waren zu weit entfernt, als daß Taran ihre Gesichter hätte erkennen können. Aber aus ihrer steifen Haltung ging deutlich genug hervor, wer sie waren. „Die Kesselkrieger!“ flüsterte er entsetzt.

„O weh!“ stöhnte Fflewddur. „Ob sie uns schon gesehen haben?“

Taran spähte vorsichtig durch die Zweige, deutete auf den Hang hinaus. „Dort habt ihr die Antwort“, sagte er. Die Kesselkrieger hatten die Pferde gewendet und kamen den Hügel herab. „Schnell!“ drängte Taran, „wir müssen weg hier!“

Er kehrte mit seinen Gefährten nicht auf die Wiese zurück; dicht aufgeschlossen eilten sie im Hundetrab quer durch den Wald. Sie wagten nicht anzuhalten, nicht einmal, um zu trinken. Nach einiger Zeit begannen sie müde zu werden vom raschen Lauf. Nur Gurgi zeigte sich weder erschöpft noch verdrossen. Er scherte sich nicht einmal um die Wolke von Mücken und Stechfliegen, die sein struppiges Haupt umschwirrte. Eilonwy hatte anfangs behauptet, ihr mache das Rennen Spaß; nun klammerte sie sich kleinlaut an einem von Melyngars Steigbügeln fest.

Stunde um Stunde verstrich. Niemand wußte zu sagen, wo sich die Kesselkrieger befanden. Daß sie die Spur der Gefährten schwerlich verfehlen würden, stand fest – allein schon des Lärms wegen, den Taran und seine Freunde verursachten. Denn nun bemühten die vier sich nicht länger, leise zu sein. Es war wichtiger, daß sie möglichst schnell vorwärts kamen. Selbst als der Abend hereinbrach, eilten sie ohne Aufenthalt weiter.

Sie rannten blind in die Dunkelheit hinein, der Mond war in schwarzen Wolken ertrunken. Unsichtbare Äste griffen nach ihnen und peitschten ihre Gesichter. Eilonwy stolperte ein paarmal, Taran zog sie wieder hoch. Bald ließ das Mädchen den Kopf hängen. Da schnallte Taran die Waffen von Melyngars Sattel ab und verteilte sie: einen Teil mußte sich Fflewddur aufladen, den anderen Gurgi, der dritte blieb für ihn selbst. Dann hob er Eilonwy, die sich vergebens dagegen sträubte, in den Sattel. Kaum oben, sank sie nach vorn, auf den Hals des Pferdes hinab, und schlief ein.

Die ganze Nacht kämpften sie sich durchs Dickicht. Je näher sie dem Tal des Ystrad kamen, desto dichter wurde der Wald. Bei Tagesgrauen begann selbst Gurgi, vor Müdigkeit zu taumeln. Er vermochte kaum noch einen Fuß vor den anderen zu setzen. Eilonwy war in einen so tiefen Schlaf versunken, daß Taran fürchtete, sie sei krank. Das Haar hing ihr in nassen Strähnen über die Stirn, ihr Gesicht war bleich. Mit Hilfe des Barden hob Taran sie aus dem Sattel und bettete sie ins Moos. Als er jedoch nach dem alten Schwert griff, um es ihr abzunehmen, öffnete sie die Augen, blickte ihn verstört an und entzog ihm die Klinge – mit größerem Nachdruck, als er erwartet hätte.

„Daß man dir alles ein paarmal sagen muß!“ murmelte sie, das Schwert fest an sich gepreßt. „Sind alle Hilfsschweinehirten so schwer von Begriff wie du? Wie oft hab’ ich dir schon gesagt: Laß die Finger von diesem Schwert!“ Gähnend umschlang sie die Waffe mit beiden Armen und schlief wieder ein.

„Wir müssen hier rasten“, sagte Taran zu Fflewddur, „wenn auch nur kurze Zeit.“

„Recht hast du“, seufzte der Barde und streckte sich auf den Rücken, Zehen und Nase steil in die Luft gereckt. „Im Augenblick ist es mir völlig einerlei, wer mich fängt. Ich würde selbst Arawn willkommen heißen, wenn er mir etwas zum Frühstück mitbrächte.“

„Vielleicht haben die Kesselkrieger unsere Fährte während der Nacht verloren“, sagte Taran. „Ich gäbe was drum, wenn ich wüßte, ob sie noch immer hinter uns her sind.“

Gurgi erhob sich, nach ihnen Ausschau zu halten. „Der tüchtige Gurgi wird sich den mächtigen Herren nützlich erweisen!“ rief er. „Mit Spähen und In dieFerne-Sehen!“ Im nächsten Augenblick schwang er sich in das Geäst einer hohen Fichte. Mit Leichtigkeit kletterte er in den Wipfel empor und spähte von dort aus wie eine große dunkle Krähe in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren.

Taran öffnete mittlerweile die Satteltaschen. Die Vorräte waren fast aufgebraucht. Er einigte sich mit Fflewddur darauf, daß Eilonwy alles bekommen sollte, was ihnen verblieben war.

Gurgi hatte selbst auf dem luftigen Ausguck gemerkt, daß es etwas zu essen gab, und kam eilends heruntergerutscht. „Reißen-und-Beißen?“ fragte er, eifrig umherschnüffelnd.

„Im Augenblick gibt es Dinge, die wichtiger sind!“ rief Taran. „Was hast du gesehen?“

„Zwei Reiter kommen von fern durch den Wald – zwei bleiche, schreckliche Reiter mit Augen wie Kieselsteine. Aber noch sind sie weit weg von hier, noch ist es Zeit für ein wenig Reißen-und-Beißen. Oh, ein klein wenig nur, für den tüchtigen, tapferen Gurgi mit den scharfen Augen!“

„Es gibt nichts mehr“, sagte Taran. „Solange die Kesselkrieger hinter uns her sind, solltest du weniger ums Essen besorgt sein als um dein Fell!“

„Der kluge, findige Gurgi wird was zum Beißen auftreiben – o ja, sehr schnell sogar! Er ist schlau und wird etwas finden, womit er die Bäuche der großen, noblen Herren füllen kann. Auch wenn sie dem armen, bescheidenen Gurgi nicht dafür danken werden, wie immer.“

Nach einem kurzen Wortwechsel mit Fflewddur, der nicht minder verhungert dreinschaute als Gurgi, sah Taran ein, daß sie sich ein wenig Zeit nehmen mußten, um nach Beeren und eßbaren Wurzeln zu suchen. „Ganz recht“, sagte der Barde. „Wir wollen essen, was wir bekommen können, solang wir die Kesselkrieger noch nicht auf dem Hals haben. Soll ich dir bei der Suche helfen? Was die Ernährung mit Waldfrüchten anlangt, da bin ich nämlich ein großer Kenner.“ Die Harfe spannte sich, und es sah aus, als werde im nächsten Augenblick eine Saite reißen. „Nein doch!“ rief Fflewddur rasch. „Ich bleibe lieber mit Eilonwy hier. Die Wahrheit ist, daß ich einen Pfifferling nicht von einem Fliegenpilz unterscheiden kann. Schade, daß ich es nie gelernt habe! Als wandernder Sänger hätte man hin und wieder beträchtlichen Nutzen davon …“

Von Gurgi begleitet, zog Taran los. An einem schmalen Bach hielt er an, um Gwydions Wasserflasche zu füllen. Gurgi schnüffelte hungrig umher. Er rannte voraus und verschwand hinter einer Gruppe von Ebereschen. In der Nähe des Baches entdeckte Taran ein paar Pilze. Während er noch dabei war, sie einzusammeln, hörte er Gurgi plötzlich laut aufschreien. Da ließ er die Pilze Pilze sein und lief nachsehen, was geschehen war. Neben sich eine Honigwabe, lag Gurgi wimmernd und sich vor Schmerzen windend unter den Bäumen. Zuerst dachte Taran, er sei von Bienen gestochen worden, dann sah er den wahren Grund: Während Gurgi einen der Bäume erstiegen hatte, um an den Honig zu kommen, war ein morscher Ast unter seinem Gewicht zusammengekracht; und nun lag er am Boden und jammerte. „Der arme Gurgi hat sich das Bein gebrochen! Aus ist es mit dem Stehen und Gehen, dem Springen und Honigbringen, o-weh-oweh! O-o-o-weh-o-weh!“ Taran beugte sich über den winselnden Gurgi und sah nach dem Bein. Es war nicht gebrochen, wohl aber stark gezerrt und schwoll heftig an. „Nun muß Gurgis Kopf herunter“, jammerte der Tiermensch. „Packen, Zwacken und Kopfabhacken – tu’s schnell, edler Herr,“ tu’s schnell! Der arme, todgeweihte Gurgi wird die Augen schließen und stillhalten.“

Taran blickte Gurgi forschend an. Dem armen Burschen war es ernst mit seinen Worten, das merkte er. „Jetzt gleich!“ schrie Gurgi. „Jetzt gleich mußt du’s tun! Der arme, elende Gurgi kann nicht mehr laufen. Er stirbt lieber durch dein Schwert als von den Händen der Kesselkrieger. Uns alle werden sie umbringen, alle, mit schrecklichem Hauen und Stechen und Knochenbrechen! O, o, o, oooooh!“