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„Als ob Dallben überhaupt jemals jemandem etwas verraten würde!“ warf Eilonwy ein.

„Daß er mit seinem Wissen sparsam umzugehen pflegt, müßtet ihr allmählich gemerkt haben“, meinte Gwydion. „Ja, es soll eine Ratsversammlung hier stattfinden. Soviel mir bekannt ist, werden einige wichtige und berühmte Männer dran teilnehmen.“

„Und ich?“ unterbrach ihn Taran aufgeregt. „Werde ich mit dabeisein? Schließlich habe ich viel gelernt in der letzten Zeit. Ich habe an Eurer Seite gefochten, ich habe mit Euch zusammen …“

„Gemach, gemach!“ erwiderte Gwydion. „Wir haben beschlossen, dir einen Platz in der Runde der Männer einzuräumen. Dennoch darfst du mir glauben, daß es nicht immer leicht ist, ein Mann zu sein.“ Seine Stimme klang weich und ein wenig traurig, er legte die Hände auf Tarans Schultern. „Halte dich also bereit, du wirst deinen Auftrag erhalten wie jeder andere – und das früh genug.“

Gwydions Voraussage traf zu, im Lauf des Morgens stellten sich mancherlei weitere Gäste auf Caer Dallben ein. Bald nach dem Fürsten kam eine Abteilung berittener Krieger an, die auf den Wiesen hinter dem Obstgarten ihr Lager aufschlug. Taran sah, daß die fremden Reiter bis an die Zähne bewaffnet waren. Sein Herz schlug vor Freude. Sicherlich hatten auch diese Kriegsleute etwas mit Dallbens Ratsversammlung zu tun. Neugierig eilte er auf das Lager zu – doch plötzlich, auf halbem Weg etwa, stutzte er und hielt an. Zwei vertraute Gestalten kamen den Pfad heraufgeritten. Taran rannte ihnen entgegen. „Fflewddur!“ rief er erfreut. „Und Doli! Seid ihr es wirklich?“

Der Zwerg mit dem feuerroten Haarschopf schwang sich von seinem Pony. Einen Augenblick grinste er übers ganze Gesicht, dann nahm er seine gewohnte mürrische Miene an.

Taran klopfte ihm auf die Schulter. „Welche Freude, dich wiederzusehen, Doli – und das mit dem Wiedersehen meine ich wörtlich! Du hättest dich ja auch unsichtbar machen können.“

„Unsichtbar machen!“ Der Zwerg in der Lederjacke rümpfte die Nase. „Du ahnst nicht, wie sehr einen das auf die Dauer anstrengt. Daß ich jedesmal schreckliches Ohrensausen davon bekomme, ließe sich noch ertragen. Das schlimmste ist, daß einen niemand sehen kann, während man unsichtbar ist. Läßt du dir gern auf die Zehen treten? Mitunter geschieht es auch, daß einem je mand den Ellbogen ins Gesicht stößt. Das, ich gestehe es ohne Umschweif, ist ganz und gar nicht nach meinem Geschmack; ich habe die Nase voll davon!“ „Und du, Fflewddur?“ fragte Taran den Barden, während er ihm vom Pferd half. „Was führt dich hierher? Ich schätze, daß deine Ankunft mit dieser Ratsversammlung zusammenhängt – oder? Auch Doli scheint ihretwegen gekommen zu sein, nicht wahr?“

„Ich weiß nichts von einer Versammlung“, murmelte Doli. „Eiddileg, unser König, hat mich nach Caer Dallben geschickt, um Gwydion einen Gefallen damit zu erweisen. Mehr weiß ich nicht. Aber wenn du mich fragst, so wäre ich tausendmal lieber zu Hause geblieben, im Reich der Unterirdischen, wo ich mit meinen eigenen Angelegenheiten mehr als genug zu tun hätte.“„Und wie steht es mit dir?“ fragte Taran den Barden. Fflewddur strich sich das Haar aus der Stirn, nahm die Harfe von der Schulter und beteuerte: „Gwydion kam rein zufällig durch mein Königreich, rein zufällig, wie es den Anschein hatte. Er fragte mich, ob ich. nicht Lust hätte, euch zu besuchen auf Caer Dallben. Als er dann noch hinzufügte, daß ich auch Doli dort antreffen würde, hat es mich keinen Augenblick länger daheim gehalten – obwohl ich mich in der Heimat, als König in meinem Königreich, ganz zufrieden und glücklich gefühlt habe. Kurz und gut, ich bin lediglich aufgebrochen, um Gwydion einen Gefallen zu tun.“ In diesem Augenblick rissen zwei Saiten an Fflewddurs Harfe mit schrillem Mißklang. Der Barde brach auf der Stelle in seiner Erklärung ab und räusperte sich. „Also schön“, bekannte er kleinlaut. „Ich fühlte mich, um die Wahrheit zu sagen, entsetzlich elend in meinen vier Wänden. Jeder erdenkliche Vorwand wäre mir recht gewesen, um mich für eine Weile aus meinem feuchten, traurigen Schlößchen davonzumachen. Du sagtest, daß eine Ratsversammlung hier stattfindet? Schade! Ein Erntefest, wo man auf meine Lieder erpicht ist, wäre mir lieber gewesen!“

„Gleichviel!“ sagte Taran. „Jedenfalls freut es mich, daß ihr beiden hier seid.“

„Mich weniger“, raunzte Doli. „Wenn man mich braucht, ist das meistens ein Zeichen dafür, daß irgendwo etwas stinkt.“

Während sie zu Dallbens Hütte gingen, blickte sich Fflewddur neugierig um.

„Nanu, nanu – flattert dort drüben nicht König Smoits Banner im Wind? Kein Zweifel, auch er ist in Gwydions Auftrag hier!“

Ein Reiter sprengte heran und rief Fflewddur beim Namen. Der Barde stieß einen Freudenschrei aus. „Das ist Adaon!“ rief er. „Taliesins Sohn, des Obersten aller Barden!“

Adaon sprang aus dem Sattel, und Fflewddur beeilte sich, ihm die Gefährten vorzustellen. Taliesins Sohn war ein großer, stattlicher Mann mit vollem schwarzem Haar, das ihm auf die Schultern fiel. Trotz seiner vornehmen Herkunft trug er den Waffenrock eines einfachen Kriegers, ohne jeden Schmuck – bis auf eine seltsam geformte eiserne Spange am Hals. Seine Augen waren sehr tief und klar: der Junge spürte sofort, daß Adaons Blicken wenig verborgen blieb. „Das trifft sich ja!“ sagte Adaon, während er Taran und seinen Freunden die Hand drückte. „Den Barden des Nordens sind eure Namen nicht unbekannt.“ „Bist etwa auch du ein Barde?“ fragte Taran. Adaon schüttelte lächelnd das Haupt. „Wenn es nach meinem Vater gegangen wäre, hätte ich längst die Prüfungen abgelegt“, sagte er. „Doch ich beschloß zu warten damit, weil es noch viele Dinge gibt, die ich lernen möchte.“

Adaon wandte sich Fflewddur zu. „Mein Vater sendet dir Grüße und fragt, wie du mit der Harfe zurechtkommst, die er dir zum Geschenk gemacht hat. Im Augenblick, sehe ich, ist sie nicht ganz in Ordnung.“ „Tja“, räumte Fflewddur verlegen ein. „Ich habe gewisse Schwierigkeiten mit ihr. Mitunter erliege ich der Versuchung, die Dinge ein wenig farbiger darzustellen, als sie sich von Natur aus zeigen, was in den meisten Fällen kaum zu umgehen ist. Doch wann immer ich meiner künstlerischen Eingebung folge, ist dies das Ende vom Lied!“

Seufzend deutete er auf die geborstenen Saiten. Adaon lachte freundlich und sprach ihm Mut zu. „Deine Geschichten“, rief er, „sind alle Harfensaiten in Prydain wert, glaub mir das!“

Dann wandte er sich an Taran und Doli. „Ihr müßt versprechen“, bat er sie, „daß ihr mir nächstens von euren ruhmreichen Taten berichtet. Jetzt muß ich zum Fürsten Gwydion.“

Er verabschiedete sich von ihnen und ritt davon. Fflewddur blickte ihm nach und sagte voll Zuneigung und Bewunderung: „Es kann sich um nichts Geringes handeln, wenn Adaon hier ist, einer der tapfersten Männer, von denen ich weiß. Und mehr noch: Er hat das Herz eines echten Barden. Der Tag wird kommen, da wird er unter den Sängern einer der größten sein. Denkt daran, was ich euch gesagt habe!“

„Er kennt tatsächlich unsere Namen?“ fragte Taran. „Und es ist wahr, daß man unsere Taten in Liedern besingt?“ Fflewddur strahlte über sein Pferdegesicht. „Ich selbst habe unseren Sieg über den Gehörnten König in Verse gebracht“, gestand er. „Ein bescheidenes Stückchen Dichtkunst, gewiß – und dennoch erfüllt es mich mit Genugtuung, wenn ich sehe, welch große Verbreitung es mittlerweile gefunden hat. Laßt mich diese vermaledeiten Saiten flicken, dann will ich es euch mit Freuden darbieten!“

Am frühen Nachmittag, nachdem alle sich ein wenig erfrischt hatten, rief Coll die Gäste in Dallbens Stube zusammen, wo eine lange Tafel bereitstand, mit Sitzgelegenheiten zu beiden Seiten. Taran stellte verwundert fest, daß der Meister offenbar den Versuch unternommen hatte, in seiner von Büchern und allerlei altem Plunder angefüllten Behausung ein wenig Ordnung zu schaffen. Nicht ohne Schaudern gewahrte er hoch auf dem obersten Wandbord das „Buch der Drei“, jenen schweren, in Leder eingebundenen Folianten, woraus Dallben sein geheimes Wissen schöpfte. Auf einmal packte der Barde Taran am Ärmel und zog ihn beiseite. Ein dunkelbärtiger Krieger betrat den Raum. „Eines ist sicher“, wisperte Fflewddur, „es handelt sich nicht um ein Erntefest. Sieh doch, wer da gekommen ist!“