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Nándor und Valeria, ein wirkliches Fest in einer flimmernden Hitze, und das Fest hat eigentlich schon morgens begonnen, in Mamikas Wohn- und Schlafzimmer, als wir unsere neuen Festtagskleider aus dem Seidenpapier wickeln und auf Grossmutters Betten auslegen; Nomi, Mutter und ich, wir haben uns stundenlang vor Spiegeln gedreht, wir haben uns einen Nachmittag lang von zierlichen Damen beraten lassen, ob wir mit unserem Geschmack richtig liegen, und wir haben uns davon überzeugen lassen, dass man Kleider in ihrer Gesamtheit beurteilen muss, wir haben uns Kleider gekauft, damit wir bei der Hochzeit unseres Cousins von hinten genauso schön aussehen wie von vorn, und für Mamika hat Mutter ein schwarzes Kleid mit einem dezenten Muster ausgesucht, Mamika, die seit dem Tod von Papuci, ihrem Mann, nie etwas anderes getragen hat als Schwarz oder Dunkelblau, aber nie irgendetwas mit Muster. Meint ihr, ich kann das tragen? fragt sie und fährt behutsam mit ihrer Hand über den Stoff, und Mutter hilft Mamika aus ihrem Alltagskleid, ihr sollt nicht immer soviel Geld ausgeben für mich, sagt Mamika, als Mutter ihr noch, nachdem sie ihr den Reissverschluss hochgezogen und den Kragen glatt gestrichen hat, beiläufig eine Tasche in die Hand legt. Ich finde, Sie sehen wunderschön aus, sagt Nomi, und das Muster ist ja nur ganz ganz winzig.

Nándor und Valeria, die Erinnerung an ein kochendes Hochzeitszelt, das im Innenhof von Tante Manci und Onkel Móric aufgestellt worden ist, das wir Kinder am Tag vor der Hochzeit mit Krepppapier und roten Nelken schmücken, Nomi und ich, die etwas unbeholfen am Tisch sitzen, uns in Papierrollen verwickeln, uns von unserer sehr ernsthaften Cou-Cousine zeigen lassen müssen, wie es geht, die einfachste Sache der Welt! Lujza, die mit ihren kurzen Fingern (schwitzende Wurstfinger, sagen wir, auf Schweizerdeutsch) die Papierrollen so rasch übereinanderlegt, als müssten wir nicht nur das Zelt, sondern den ganzen Innenhof samt Haus dekorieren, ich finde es erstaunlich, dass ihr so was nicht auf die Reihe kriegt, sagt Lujza, ohne uns anzuschauen, ich dachte, ehrlich gesagt, dass ihr im Westen alles könnt, und natürlich lästern Nomi und ich auf Schweizerdeutsch weiter über sie, über ihre Flaschenbodenbrille und ihre naive Freude, dass sie die Schleppe der Braut mittragen darf, bei uns gibt's gar kein Krepppapier mehr, sage ich laut, und Nomi und ich zwinkern uns zu, drücken unsere Knie gegeneinander, dann könnt ihr ja gar kein Zelt dekorieren, sagt Lujza und zieht das ineinandergefaltete Papier auseinander, zeigt uns, indem sie den Kopf nach hinten wirft, die rot-grün-weisse Girlande, Lujza, die die Leiter hinauffliegt, die Girlande mit flinken Handbewegungen am Zelt befestigt, das wird ein rauschendes Fest, sag ich euch, eine Hochzeit, von der man noch lange reden wird, und sie zeigt auf das Zelt, das fast fertig geschmückt ist, die Papiergirlanden, die in allen Farben in der Luft hängen, rote Nelken, die wir zu einem Herz geflochten haben und mit ausgewählten Heiligenbildchen da befestigt haben, wo das Brautpaar morgen sitzen wird; und fast schäme ich mich für Lujza, dass sie wegen dem bisschen Papier- und Blumenschmuck so stolz und aufgeregt ist, sie kennt eben die wirkliche Aufregung nicht, Jungs mit richtig sitzenden, modischen Jeans, halsbrecherische Achterbahnen, sie tut mir leid, dass sie wahrscheinlich noch nie in ihrem Leben ein richtiges Schaufenster gesehen hat.

Ich, die nach immer neuen Sachen sucht, die Lujza in ihrer Naivität entlarven, setze mich mit Nomi etwas abseits hin, als Onkel Móric mit ein paar Männern die Lichterketten montieren, wir schauen zu, wie die Männer hängen, umhängen, weil Lujza wieder Bescheid weiss, aber als wir das fertig geschmückte, beleuchtete Zelt sehen, die langen, mit weissen Tischtüchern gedeckten Tische, die vielen Gläser und Teller, die zu Fächern gefalteten Servietten, sind wir doch sprachlos, dass es nicht primitiv, sondern festlich aussieht.

Und wir? wie sehen wir denn aus, als wir vor dem Zelt stehen, vom Brautführer begrüsst werden, das grasgrüne, knöchellange Kleid von Mutter, Nomi, die für die 50er Jahre schwärmt und ein rosarotes Tüllkleid trägt, Vater, der in einem Anzug, so finde ich jedenfalls, immer sehr elegant und ernst aussieht, ein hellgrauer Anzug, ein weisses Hemd und eine in drei Farben schillernde Krawatte, und ich trage einen knielangen, eng anliegenden, weissen Jupe, eine hellblaue Bluse, die die Schultern freilässt (und wenn ich nicht wüsste, dass ihr es seid, hätte ich euch nicht erkannt, sagte Mamika, als wir uns umgezogen haben), als wir so vor dem Zelt stehen, der Brautführer irgendwas von wegen weit gereist sind sie, sagt, vergisst die Hochzeitsgesellschaft, weiterzuessen, Suppenlöffel bleiben in der Luft, an Brotbissen wird nicht mehr gekaut, und einen Moment lang kommt es mir so vor, als müssten wir rückwärts wieder raus, damit alles seinen gewohnten Lauf nehmen kann, ohne uns — aber schon im nächsten Moment werden wir lachend zu Tisch gebeten, geben uns Tante Manci und Onkel Móric schmatzende Küsse, das Brautpaar, das uns umarmt, die Hände drückt, beteuert, dass sie sich freuen, von so weit her! für uns, für unseren Tag!

Und schon haben wir eine dampfende Suppe vor uns, eine Hühnersuppe mit beeindruckenden Fettaugen, Füssen, Herzen, Lebern, und derjenige, der das Hirn kriegt, wird so gescheit sein wie Einstein! so ruft man sich zu; gelbe Bohnensuppe mit Essig und Sauerrahm, grüne Erbsensuppe mit Taubenfleisch, die alle grossartig finden, Tante Manci, die das Geheimnis ihres Süppchens nicht preisgibt, aber soviel verrat ich euch, bei mir kommt nur ganz junges Taubenfleisch rein! und natürlich die Fischsuppe mit ganzen Karpfenköpfen, die in der Sommerküche in einem Kessel vor sich hinköchelt.

Und weiter geht's mit leichten Fleischgerichten: knusprig gebratene Hühner und frittierte Kartoffeln, hauchdünn geklopfte, panierte Schweineschnitzel mit Petersilienkartoffeln, und die Musiker singen, und alle singen mit, wir treffen uns bald, wir treffen uns bald in einem andern Land... Kalbfleisch mit frischen Champignons, dazu Sauerrahm und Knödel, hört auf, ruft jemand, sonst können wir nicht mehr in die Kirche, dann müsst ihr die Trauung abblasen! Trotzdem wird noch fasirt aufgetragen, weil Tante Mancis Hackfleischgerichte unwiderstehlich sind — wir essen beim Mittagessen schon so viel, dass Nomi schwört, sie werde den ganzen Tag nichts mehr essen können, wart's ab, meint Mamika lachend, das Fest hat erst gerade angefangen!

Am frühen Nachmittag taumelt die Hochzeitsgesellschaft zur Kirche (alle schwärmen nochmals von der Taubensuppe oder vom köstlichen Hackfleisch oder unterhalten sich darüber, was es nach der Trauung alles geben wird), ein dickes, träges Tier hockt in der Kirche, ein paar Onkel, die von ihren Ehefrauen am Schlafen gehindert werden, lasset uns beten, sagt der Pfarrer, als es sich gerade so gemütlich sitzt, seine Stimme poltert Amen! in den anstrengenden Akt des Verdauens hinein, und endlich, endlich kommt die Hauptsache, das Zeremonielclass="underline" Ist das Hochzeitspaar nicht wunderschön, ist es nicht fast durchsichtig vor Glück, fragt Mutter gerührt, und beim Ja-Wort bricht die halbe Hochzeitsgesellschaft wie auf Kommando in Tränen aus (Mamika, die mir ins Ohr flüstert, oh, das viele Wasser! dann können alle wieder umso mehr saufen), und als alle dem Brautpaar gratuliert und ihm schmatzende Küsse gegeben haben, verwandelt sich das dicke, träge Tier: Die beiden Geiger und Sänger, der Zimbal-Spieler, der Kontrabassist spielen Lieder in Achteln, bringen die mächtigsten Bäuche zum Wippen, und die Zähne lachen, weil sie am Glück teilhaben, und allen voran tänzelt Onkel Móric, der Brautvater, wie man sagt, er tänzelt, schäkert, neckt mit den Schultern und feuert alle an: Macht schon, bewegt euch, dann habt ihr wieder Platz in euren Mägen! und ich erinnere mich an die wachsenden Flecken unter den Achseln der Männer, glitzernde Stirnen, Haare, die in Strähnen am Hinterkopf kleben, Tanz! in dieser Hitze! mächtige, grossbusige Frauen, die sich andauernd an Hals und Ausschnitt abtupfen, vor allem erinnere ich mich daran, dass Nomi und ich mit unseren Kleidern auffallen, aber nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten, und dabei fällt mir das Wort "Schandfleck" ein (Schandfleck und Festtagskleid, mit einem Mal gehört das unzertrennlich zusammen). Hat wirklich jemand, da soll noch einer wissen, wer die Braut ist, gesagt? Hört nicht hin, sagt Mamika, ihr seht ganz einfach hübsch aus!