Выбрать главу

Am nächsten Tag nahm ich die Veränderungen an mir wahr. Ich hatte definitiv mehr Kraft, und ich wurde empfindlicher gegenüber Licht. Auch mein Geruchssinn veränderte sich. Tiere benahmen sich seltsam in meiner Gegenwart, und auch ich reagierte merkwürdig auf sie.

Und dann war da die Sache mit meiner Mom. Sie sagte mir, sie wäre nicht meine richtige Mutter, und kurz darauf wurde sie von diesen Vampiren umgebracht, die hinter mir her waren. Ich habe nie gewollt, dass ihr so etwas zustößt. Ich fühle mich immer noch irgendwie schuldig. Aber ich kann mich jetzt nicht gehen lassen. Ich muss mich auf das konzentrieren, was vor mir liegt, was ich steuern kann.

Es folgte meine Gefangennahme durch diese furchtbaren Vampire. Später meine Flucht. Mit Caleb. Ohne ihn hätten sie mich bestimmt getötet. Oder mir Schlimmeres angetan.

Calebs Clan. Sein Volk. Sie waren so anders. Aber trotzdem waren auch sie Vampire. Sie hatten ein ausgeprägtes Revierverhalten. Waren eifersüchtig. Misstrauisch. Sie warfen mich hinaus und ließen ihm keine Wahl.

Aber er wählte trotzdem. Trotz allem entschied er sich für mich. Erneut rettete er mich. Er hat alles für mich riskiert. Ich liebe ihn dafür. Mehr, als er je erfahren wird.

Ich muss ihm helfen. Er glaubt, ich sei die Auserwählte, eine Art Vampir-Messias. Er ist überzeugt, dass ich ihn zu einem verlorenen Schwert führen kann, das einen Vampirkrieg verhindern und alle retten wird. Ich persönlich glaube nicht daran. Nicht mal sein eigenes Volk glaubt es. Doch ich weiß, dass das alles ist, was er hat; es bedeutet die Welt für ihn. Und für mich ist es das Mindeste, was ich tun kann. Dabei geht es mir gar nicht um das Schwert. Ich will einfach nicht, dass er geht.

Also tue ich, was ich kann. Meinen Dad wollte ich ohnehin schon immer suchen. Ich will wissen, wer er wirklich ist. Wer ich wirklich bin. Ob ich wirklich ein halber Vampir bin, beziehungsweise ein halber Mensch, oder was auch immer. Ich brauche Antworten. Außerdem will ich wissen, was aus mir werden wird …

»Caitlin?«

Als sie aufwachte, war sie völlig benommen. Caleb stand vor ihr und schüttelte sie sanft an der Schulter. Er lächelte.

»Ich glaube, du bist eingeschlafen«, sagte er.

Sie sah sich um und entdeckte das offene Tagebuch in ihrem Schoß. Schnell klappte sie es zu und spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Hoffentlich hatte er nicht darin gelesen. Vor allem nicht den Teil über ihre Gefühle für ihn.

Sie setzte sich auf und rieb sich die Augen. Es war noch dunkel, und das Feuer war bis auf die Glut heruntergebrannt. Er musste auch gerade erst aufgewacht sein. Sie fragte sich, wie lange sie wohl geschlafen hatte.

»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe zum ersten Mal seit Tagen geschlafen.«

Er lächelte wieder, ging zum Feuer und legte einige Holzscheite auf. Sie begannen zu knacken und zu zischen, als das Feuer wieder aufflackerte. Sie spürte, wie die Wärme ihre Füße erreichte.

Er starrte ins Feuer, und sein Lächeln verblasste langsam, als er sich in seinen Gedanken verlor. Die Flammen warfen einen warmen Schein auf sein Gesicht und ließen ihn noch attraktiver wirken, falls das überhaupt möglich war. Seine großen, hellbraunen Augen waren weit geöffnet. Während sie ihn betrachtete, wechselten sie die Farbe und wurden hellgrün.

Caitlin setzte sich auf und merkte, dass ihr Weinglas noch fast voll war. Sie trank einen Schluck. Der Wein wärmte sie. Sie hatte schon eine ganze Weile nichts mehr gegessen, weshalb ihr der Alkohol sofort zu Kopf stieg. Sie sah den anderen Becher dort stehen und besann sich auf ihre guten Manieren.

»Soll ich dir auch etwas einschenken?«, fragte sie und fügte nervös hinzu: »Ich meine, ich weiß nicht, ob du überhaupt Wein trinkst …«

Er lachte.

»Doch, auch Vampire trinken Wein«, erwiderte er lächelnd, kam zu ihr herüber und hielt ihr seinen Becher hin.

Sie war überrascht. Nicht von seinen Worten, sondern von seinem Lachen. Es klang sanft, elegant und schien im Raum zu verklingen. Wie alles an ihm war auch sein Lachen rätselhaft.

Sie sah ihm in die Augen, als er sein Glas an die Lippen hob, und hoffte, er würde ihren Blick erwidern.

Er tat es.

Dann sahen beide gleichzeitig weg. Caitlins Herz schlug schneller.

Caleb kehrte an seinen Platz zurück, setzte sich ins Stroh, lehnte sich zurück und sah sie an. Er schien sie genau zu mustern, und das machte sie verlegen.

Unbewusst strich sie sich mit der Hand über ihre Kleidung und wünschte, sie trüge etwas Hübscheres. Ihre Gedanken rasten, während sie überlegte, was sie überhaupt anhatte. Irgendwo auf dem Weg – sie konnte sich nicht mehr an den Ort erinnern – hatten sie kurz Halt gemacht. Sie war in das einzige Bekleidungsgeschäft gegangen, das es gab – ein Secondhandladen der Heilsarmee –, und hatte sich andere Kleidung besorgt.

Jetzt blickte sie entsetzt an sich herunter und erkannte sich selbst kaum wieder. Sie hatte zerrissene, verwaschene Jeans an, Turnschuhe, die ihr eine Nummer zu groß waren, und ein Sweatshirt über einem T-Shirt. Darüber trug sie eine ausgeblichene, lila Jacke, an der ein Knopf fehlte und die ihr ebenfalls zu groß war. Aber die Sachen hielten warm. Und das war momentan das Wichtigste.

Trotzdem war sie verlegen. Warum musste er sie so sehen? Da lernte sie schon mal jemanden kennen, der ihr wirklich gefiel, und dann hatte sie keine Chance, sich hübsch zu machen. In dieser Hütte gab es kein Bad, und selbst wenn es eines gäbe, hätte sie keine Schminkutensilien dabei. Beschämt wich sie seinem Blick aus.

»Habe ich lange geschlafen?«, fragte sie.

»Ich weiß es nicht. Ich bin selbst gerade erst aufgewacht«, antwortete er und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Ich habe meinen Durst heute ziemlich früh gestillt. Das hat mich ganz aus dem Konzept gebracht.«

Sie sah ihn an.

»Erklär es mir«, forderte sie ihn auf.

Er verstand nicht, was sie meinte.

»Die Nahrungsaufnahme«, präzisierte sie. »Wie funktioniert es? Bringst du … Menschen um?«

»Nein, nie«, antwortete er.

Er schwieg eine Weile und ordnete seine Gedanken.

»Es ist kompliziert, wie alles, was mit Vampiren zu tun hat«, erklärte er. »Es hängt vom Vampirtyp ab, außerdem von der Clanzugehörigkeit. Ich ernähre mich nur von Tieren, hauptsächlich Rehen. Davon gibt es ohnehin zu viele, und die Menschen jagen sie auch – häufig essen sie sie nicht einmal.«

Sein Gesichtsausdruck wurde finster.

»Aber andere Clans sind nicht so kultiviert. Sie ernähren sich von Menschenblut. In der Regel suchen sie sich unerwünschte Menschen aus.«

»Unerwünschte?«

»Obdachlose, Herumtreiber, Prostituierte … Menschen, deren Verschwinden niemandem auffällt. So ist es immer schon gewesen. Vampire wollen keine Aufmerksamkeit auf sich lenken.

Weil wir kein Menschblut trinken, betrachten wir uns – das heißt meinen Clan, den Whitetide Clan – als reinblütig und die anderen Arten als unrein. Wovon man sich ernährt … von dessen Energie wird man durchströmt.«

Caitlin saß ganz still und dachte nach.

»Wie ist es bei mir?«, fragte sie schließlich.

Er warf ihr einen Blick zu.

»Warum will ich manchmal Blut trinken, manchmal aber auch nicht?«

Er runzelte nachdenklich die Stirn.

»Ich bin mir nicht sicher. Bei dir ist es anders. Du bist ein Halbblut. Das ist sehr selten … Ich weiß aber, dass du gerade erwachsen wirst. Andere Vampire werden verwandelt, über Nacht. Bei dir ist es ein längerer Prozess. Vielleicht wird es eine Weile dauern, bis du alle Veränderungen durchlaufen und dich damit arrangiert hast.«