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Nichts, das heißt, abgesehen von diesem verdammten Whitetide Clan, der seinen Standort unter The Cloisters hatte. Ja, diese Vampire waren ihm ein Dorn im Auge. Aber kein großer. Sobald er das schreckliche Mädchen fand, diese Caitlin, und diesen abtrünnigen Verräter Caleb, würden sie ihn zu dem Schwert führen. Damit wäre der Whitetide Clan wehrlos, und nichts würde Kyle und seinem Clan noch im Wege stehen.

Kyle schäumte vor Wut, als er an dieses dumme kleine Mädchen dachte, das ihm entwischt war. Sie hatte ihn der Lächerlichkeit preisgegeben.

Nun bog er in die Wall Street ein. Ein Passant, ein großer Mann in einem adretten Anzug, hatte das Pech, seinen Weg zu kreuzen. Kyle rammte ihn mit aller Kraft an der Schulter, sodass er einige Schritte rückwärtsstolperte und gegen eine Mauer prallte.

Der Mann schrie erbost: »He Kumpel, wo liegt dein Problem??«

Als Kyle ihn spöttisch angrinste, veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Mit einem Mann wie Kyle, der mehr als eins neunzig groß war und äußerst breitschultrig, legte man sich besser nicht an. Obwohl er selbst auch groß und kräftig war, drehte der Mann sich schnell um und ging weiter. So dumm war er nicht.

Nach diesem kleinen Zwischenfall fühlte Kyle sich ein wenig besser, aber seine Wut war immer noch nicht abgekühlt. Er würde dieses Mädchen finden und sie dann ganz langsam töten.

Aber jetzt war nicht die richtige Zeit. Er musste einen klaren Kopf bewahren, weil er sich um wichtigere Dinge zu kümmern hatte. Die Lieferung am Kai.

Er atmete tief ein, und langsam breitete sich wieder ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Die Lieferung war nur noch wenige Häuserblocks entfernt.

Dieser Tag war für ihn schöner als Weihnachten.

5.

Kapitel

Sam erwachte mit heftigen Kopfschmerzen. Vorsichtig öffnete er ein Auge und erkannte, dass er auf dem Boden der Scheune im Stroh eingeschlafen war. Es war kalt. Keiner seiner Freunde hatte sich am Vorabend die Mühe gemacht, das Feuer zu schüren. Dazu waren sie alle zu bekifft gewesen.

Der Raum drehte sich immer noch um Sam. Er hob den Kopf, zog sich einen Strohhalm aus dem Mund und spürte einen fürchterlichen Schmerz an den Schläfen. Er hatte in einer merkwürdigen Haltung geschlafen, deshalb schmerzte sein verkrampfter Nacken, als er den Kopf bewegte. Er rieb sich die Augen und versuchte, die verklebten Lider zu öffnen, aber es fiel ihm schwer. Gestern Abend hatte er es wirklich übertrieben. Er erinnerte sich an die Wasserpfeife. Danach hatte er Bier und Southern Comfort getrunken, später noch mehr Bier. Er hatte sich übergeben müssen und dann wieder Gras geraucht. Irgendwann im Laufe der Nacht war er einfach aus den Latschen gekippt. Wann genau, das wusste er nicht mehr.

Obwohl ihm schlecht war, hatte er großen Hunger. Am liebsten würde er jetzt einen ganzen Stapel Pfannkuchen und ein Dutzend Eier vertilgen, aber er befürchtete, sich erneut übergeben zu müssen. Allein beim Gedanken daran musste er würgen.

Mühsam versuchte er, sich an die Ereignisse des Vortages zu erinnern. Die Begegnung mit Caitlin fiel ihm ein – wie könnte er das vergessen. Ihr Auftritt hatte ihn so richtig fertiggemacht. Wie sie Jimbo zu Fall gebracht hatte. Dann die Sache mit dem Hund. Was zum Teufel war das gewesen? War das wirklich passiert?

Als er aufblickte, sah er das Loch in der Wand, durch das der Hund gesegelt war. Kalte Luft strömte herein. Das war eindeutig der Beweis dafür, dass er nicht geträumt hatte. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Und wer war der Kerl, der sie begleitet hatte? Er sah aus wie ein Footballspieler, war aber extrem blass. Er wirkte, als wäre er geradewegs dem Film Matrix entstiegen. Sam konnte nicht einschätzen, wie alt er war. Das Eigenartige war, dass er das unbestimmte Gefühl hatte, ihn von irgendwoher zu kennen.

Seine Freunde lagen um ihn herum und schliefen, die meisten schnarchten. Sam hob seine Uhr vom Boden auf und sah, dass es elf Uhr vormittags war. Sie würden sicher noch eine Weile weiterschlafen.

Er durchquerte die Scheune und griff nach einer Flasche Wasser. Er wollte gerade trinken, als er merkte, dass sie mit Zigarettenstummeln gefüllt war. Angewidert stellte er die Flasche ab und sah sich suchend um. Aus dem Augenwinkel entdeckte er einen halb gefüllten Wasserkrug auf dem Boden. Er trank und trank, bis er ihn fast geleert hatte.

Jetzt ging es ihm schon besser. Seine Kehle war so trocken gewesen. Er atmete tief ein und legte sich eine Hand an die Schläfe. Der Raum drehte sich immer noch, und es stank. Er musste hier raus.

Also ging Sam zum Scheunentor und schob es auf. Die kalte Morgenluft fühlte sich gut an, aber trotz der Wolken war es so verdammt hell, dass er die Augen zusammenkneifen musste. Es schneite wieder. Super, noch mehr Schnee.

Früher hatte Sam Schnee geliebt, vor allem, wenn es so viel geschneit hatte, dass sie nicht in die Schule gehen konnten. Zusammen mit Caitlin war er den halben Tag Schlitten gefahren.

Aber jetzt schwänzte er ohnehin meistens die Schule, sodass es keinen Unterschied mehr machte. Der Schnee ging ihm nur noch auf die Nerven.

Sam steckte die Hand in die Tasche und zog eine zerknitterte Zigarettenpackung heraus. Er steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an.

Ihm war klar, dass er eigentlich nicht rauchen sollte. Aber alle seine Freunde rauchten, und immer wieder hatten sie ihm Zigaretten aufgedrängt. Schließlich hatte er nachgegeben und vor einigen Wochen damit angefangen. Es gefiel ihm. Er hustete zwar mehr als zuvor, und seine Brust schmerzte bereits, aber das war ihm egal. Er wusste, dass Rauchen schädlich war, aber er glaubte ohnehin nicht, dass er lange leben würde. Er hatte schon immer das Gefühl gehabt, dass er nicht älter als zwanzig werden würde.

Allmählich bekam er wieder einen klaren Kopf und dachte über den Vortag nach. Caitlin. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Ein richtig schlechtes Gewissen, denn er liebte sie doch, wirklich. Sie war eigens hergekommen, um ihn zu sehen. Warum hatte sie nach Dad gefragt? Oder hatte er sich das eingebildet?

Er konnte kaum glauben, dass sie auch hier war. Ob ihre Mom wohl ausgeflippt war, als Caitlin ebenfalls gegangen war? Ganz bestimmt. Wahrscheinlich versuchte sie gerade, sie beide zu finden. Aber vielleicht auch nicht. Wen kümmerte es? Sie hatte sie einmal zu oft zu einem Umzug gezwungen.

Aber Caitlin stand auf einem anderen Blatt. Er hätte sie nicht so schlecht behandeln dürfen. Er hätte netter sein sollen, aber er war einfach zu bekifft gewesen. Trotzdem hatte er ein schlechtes Gewissen. Vermutlich wollte ein Teil von ihm zur Normalität zurückkehren, was auch immer das war. Caitlin kam der Normalität am nächsten.

Warum war sie zurückgekommen? Wollte sie auch wieder in Oakville leben? Das wäre fantastisch. Vielleicht könnten sie sich gemeinsam eine Wohnung nehmen. Je mehr Sam darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm die Vorstellung. Er wollte mit ihr reden.

Er zog sein Handy aus der Tasche und sah das blinkende Symbol im Display. Er klickte es an und las die neue Facebook-Nachricht. Sie war von Caitlin – sie war in der alten Scheune.

Perfekt. Er würde sofort hinfahren.

***

Nachdem Sam den Wagen abgestellt hatte, ging er über das Grundstück zur alten Scheune. Wenn sie von der alten Scheune sprachen, wussten beide sofort, was gemeint war. Als sie in Oakville gewohnt hatten, waren sie häufig dort gewesen. Die Scheune gehörte zu einem Grundstück mit einem großen Haus, das schon seit Jahren zum Verkauf stand. Aber der Kaufpreis war viel zu hoch. Soweit sie wussten, kamen nie Interessenten, um das Gebäude zu besichtigen.

Ganz hinten auf dem Grundstück stand diese coole Scheune – sie war völlig leer. Sam hatte sie eines Tages entdeckt und Caitlin gezeigt. Sie fanden nichts dabei, dort abzuhängen. Beide hassten den kleinen Wohnwagen, den sie sich mit ihrer Mom teilen mussten. Eines Abends waren sie lange in der Hütte geblieben, hatten sich unterhalten und über der coolen Feuerstelle Marshmallows geröstet. Schließlich waren sie beide eingeschlafen. Seitdem hatten sie hin und wieder dort übernachtet, vor allem, wenn zu Hause dicke Luft gewesen war. Nach einigen Monaten hatten sie begonnen, die Scheune als ihr Eigentum zu betrachten.