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»Nicht sehr ähnlich«,sagte Marek und betrachtete die Muster der Zacken. »Weil sich zusätzlich zur Abweichung im Eisengehalt noch eine Menge von Spurenelementen in der Tinte des Professors finden, darunter — was ist das für eine Spitze zum Beispiel?« »Chrom.«

Marek seufzte. »Was bedeutet, daß sie modern ist.« »Nicht unbedingt, nein.«

»Aber in den beiden anderen Tinten ist kein Chrom.«

»Das stimmt. Aber es findet sich immer wieder Chrom in Manuskripttinten. Ziemlich häufig sogar.«

»Gibt es in diesem Tal Chrom?«

»Nein«, sagte Stern, »aber Chrom wurde in ganz Europa importiert, weil es nicht nur für Tinten, sondern auch als Tuchfarbstoff verwendet wurde.«

»Aber was ist mit all diesen anderen Verunreinigungen?« fragte Marek und zeigte auf andere Zacken. Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Das ist alles nicht schlüssig.«

»Ganz meine Meinung«, erwiderte Stern. »Das muß ein Witz sein.« »Aber sicher wissen wir es erst mit einer Radiokarbondatierung«, sagte Marek. Der C-14-Test würde es ihnen ermöglichen, sowohl Tinte wie Pergament auf etwa fünfzig Jahre genau zu datieren. Das würde reichen, um die Frage nach einer Fälschung zu beantworten. »Und wenn wir gerade dabei sind, würde ich gerne auch einen Thermoluminiszenz-Test machen und vielleicht eine Laserspek-trographie«, sagte Stern. »Das können wir hier nicht.«

»Nein, ich bringe es rüber nach Les Eyzies.« In Les Eyzies, einer Stadt im nächsten Tal, lag das Zentrum für prähistorische Studien m Südfrankreich. Dort gab es ein gutausgestattetes Labor, das - und Kahum-Argon-Datierungen sowie Neutronenaktivierungsanalysen und andere komplizierte Tests durchführen konnte.

Die Ergebnisse waren zwar nicht so exakt wie die der Labors in Paris oder Toulouse, dafür konnten Wissenschaftler dort in wenigen Stunden eine Antwort erhalten.

»Meinst du, daß du das heute nacht noch schaffst?« »Ich werd's versuchen.«

Chris kam zur Gruppe zurück, er hatte versucht, den Professor über ein Handy anzurufen. »Nichts«, sagte er. »Nur seine Mailbox.« »Nun gut«, sagte Marek. »Im Augenblick können wir nichts mehr tun. Ich vermute, daß diese Nachricht ein bizarrer Streich ist. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, wer uns den gespielt haben könnte - aber irgend jemand hat es getan. Morgen machen wir den C-14-Test und datieren die Nachricht. Ich bin mir ziemlich sicher, daß sie neu ist. Und bei allem Respekt vor Elsie, ich glaube, daß es eine Fälschung ist.« Elsie fing an zu protestieren.

»Aber wie auch immer«, fuhr Marek fort, »wir erwarten morgen einen Anruf vom Professor, und dann können wir ihn fragen. Unterdessen würde ich vorschlagen, daß wir alle zu Bett gehen und uns ausschlafen.«

Im Bauernhaus schloß Marek leise die Tür, bevor er das Licht einschaltete. Dann sah er sich um.

Das Zimmer war makellos, wie er es erwartet hatte. Es war aufgeräumt wie eine Mönchszelle. Neben dem Bett lagen, ordentlich aufgestapelt, fünf oder sechs Forschungsberichte. Auf einem Tisch rechts davon lagen neben einem Laptop weitere Papiere. Der Schreibtisch hatte eine Schublade, die Marek nun öffnete und kurz durchstöberte. Aber er fand nicht, wonach er suchte.

Als nächstes ging er zum Kleiderschrank. Die Kleidung des Professors hing ordentlich auf Bügeln, mit Platz zwischen den einzelnen Stücken. Marek ging von einem zum anderen und tastete alle Taschen ab, doch er fand noch immer nichts. Vielleicht ist sie nicht da, dachte er. Vielleicht hat er sie nach New York mitgenommen.

Gegenüber der Tür stand eine Spiegelkommode. Er öffnete die oberste

Schublade: Münzen in einer kleinen flachen Schale, eine Rolle mit einem Gummiband umwickelte Dollarscheine und ein paar persönliche Gegenstände, darunter ein Messer, ein Kugelschreiber und eine

Reserveuhr — nichts Ungewöhnliches.

Dann entdeckte er am äußersten rechten Rand ein Plastiketui.

Er nahm das Etui heraus, öffnete es. Das Etui enthielt eine Brille. Er legte die Brille auf die Kommodenplatte.

Die Gläser waren ovale Bifokallinsen.

Er griff in seine Tasche und zog eine kleine Plastiktüte hervor. Dann hörte er hinter sich ein Knarzen, und als er sich umdrehte, sah er Kate Erickson durch die Tür kommen.

»Durchwühlst du seine Unterwäsche?« fragte sie mit hochgezo-genen Augenbrauen. »Ich habe Licht unter der Tür gesehen. Also habe ich nachgesehen.« »Ohne zu klopfen?«

»Was machst du denn hier drinnen?« fragte sie. Dann sah sie die

Plastiktüte. »Ist es das, was ich glaube?«

»Ja.«

Mit einer Pinzette holte Marek die einzelne Bifokallinse aus der Tüte und legte sie neben die Brille des Professors auf die Kommode. »Nicht identisch«, sagte sie. »Aber ich würde sagen, die Linse gehört ihm.«

»Ich auch.«

»Aber das ist es doch, was du die ganze Zeit gedacht hast, oder? Ich meine, er ist der einzige im Team, der eine Bifokallinse trägt. Die

Verunreinigung muß von seiner Brille stammen.«

»Aber es ist keine Verunreinigung«, erwiderte Marek. »Die Brille ist alt.«

»Was?«

»David sagt, der weiße Rand ist Bakterienwachstum. Die Linse ist nicht modern, Kate. Sie ist alt.«

Sie sah sie sich genau an. »Das kann nicht sein«, sagte sie. »Schau dir nur den Schliff an. Der ist bei der Brille des Professors und dieser

Linse identisch. Sie muß modern sein.«

»Ich weiß, aber David besteht darauf, daß sie alt ist.«

»Wie alt?«

»Das kann er nicht sagen.« »Er kann sie nicht datieren?«

Marek schüttelte den Kopf. »Nicht genug organisches Material.« »Dann bist du also«, sagte sie, »in dieses Zimmer gekommen, weil...« Sie hielt inne und starrte zuerst die Brille an und dann ihn. Sie runzelte die Stirn. »Ich dachte, du hast gesagt, diese Schrift sei eine Fälschung, Andre.« »Habe ich, ja.«

»Aber du hast David auch gefragt, ob er den Radionkarbontest noch heute machen kann, nicht?« »Ja ... «

»Und dann bist du hierhergekommen, mit der Linse, weil du dir Sorgen machst...« Sie schüttelte den Kopf, wie um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. »Worüber? Was glaubst du, was hier los ist?«

Marek sah sie an. »Ich habe absolut keine Ahnung. Nichts ergibt einen Sinn.«