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Der Junge war inzwischen am gegenüberliegenden Ufer aus dem Fluß gestiegen und saß auf einem Felsen in der Sonne. Er sagte etwas, das Chris nicht hören konnte, aber sein Ohrstöpsel übersetzte: »Zieht Ihr Eure Kleider nicht aus, um zu baden?« »Warum? Du hast es doch auch nicht getan.«

Worauf der Junge nur die Achseln zuckte und erwiderte: »Aber Ihr könnt, wenn Ihr wollt.«

Chris schwamm zum anderen Ufer und stieg aus dem Wasser. Seine Kleidung war noch immer sehr schlammig, aber jetzt, an der Luft, spürte er die Kälte. Er zog sich bis auf Gürtel und Leinenunterhosen aus, wusch die Oberbekleidung im Fluß und breitete sie dann auf den Felsen zum Trocknen aus. Sein Körper war übersät mit Kratzern, Striemen und Prellungen. Aber seine Haut trocknete bereits, und die Sonne fühlte sich warm an. Er reckte das Gesicht nach oben und schloß die Augen. Er hörte das leise Singen von Frauen auf den Feldern. Vogelgezwitscher. Das sanfte Plätschern des Flusses am Ufer. Und er spürte, wie ein Frieden ihn überkam, der tiefer und vollständiger war als alles, was er je erlebt hatte.

Er lag auf den Felsen und war wohl für ein paar Minuten eingeschlafen, denn beim Aufwachen hörte er:

»Howbite thou speakst foolsimple ohcopan, eek invich army thouart. Essay thousoot Earisher?«

Der Junge redete mit ihm. Einen Augenblick später hörte er die blecherne Stimme in seinem Ohr mit der Übersetzung: »Die Art, wie Ihr ganz einfach mit Eurem Freund sprecht, und die Art, wie Ihr Euch kleidet - sagt mir die Wahrheit. Ihr seid Ire, nicht?« Chris nickte langsam und überlegte. Anscheinend hatte der Junge mitbekommen, wie er auf dem Pfad mit Marek sprach, und hatte daraus geschlossen, daß sie Iren waren. Es schadete wohl nichts, wenn er ihn in diesem Glauben ließ. »Aye«, sagte er.

»Aie?« wiederholte der Junge. Er sprach die Silbe langsam aus, zog dabei die Lippen zurück und zeigte die Zähne.

Versteht er aye nicht? dachte Chris. Er beschieß, etwas anderes zu versuchen. »Oui?« sagte er.

»Oiii... cin...« Auch dieses Wort schien den Jungen zu verwirren. Dann hellte sich sein Gesicht plötzlich auf. »Ourie? Seynglitou ourie?« fragte er, und Chris hörte die Übersetzung: »Schäbig? Sagt Ihr schäbig?«

Chris schüttelte den Kopf. »Ich sage >ja<.«

»Chah?« wiederholte der Junge etwas guttural.

»Ja«, sagte Chris und nickte.

»Ah. Earisher.« Die Übersetzung lautete: »Ah. Ire.«

»Ja.«

» Wee sayen yeaso. Oriws, thousay trew.«

Chris wiederholte: »Thousay trew.« Sein Ohrstöpsel übersetzte seine eigenen Worte: »Ihr sprecht wahr.«

Der Junge nickte, offensichtlich stellte ihn die Antwort zufrieden. Eine Weile saßen sie schweigend da. Der Junge musterte Chris von Kopf bis Fuß. »Dann seid Ihr also edel?«

Edel? Chris zuckte die Schultern. Natürlich war er edel. Ein ungehobelter Primitivling war er sicher nicht. »Thousay trew.« Der Junge nickte nachdenklich. »Ich dachte es mir schon. Euer Gebaren verrät es, auch wenn Euer Gewand Eurem Stand nicht entspricht.« Chris erwiderte nichts. Er wußte nicht so recht, was hier gemeint war. »Wie nennt man Euch?« fragte ihn der Junge. »Christopher Hughes.«

»Ah. Christopher de Hewes«, wiederholte der Junge. Er sprach den Namen langsam aus, als wollte er ihn auf eine Art einschätzen, die Chris nicht verstand. »Wo liegt Hewes? Im irischen Land?« » Thousay trew.«

Wieder schwiegen sie eine Weile und ließen sich von der Sonne bescheinen.

»Seid Ihr ein Ritter?« fragte der Junge schließlich. »Nein.«

»Dann seid Ihr ein Squire«, sagte der Junge mit einem selbstversunkenen Nicken. »Das wird genügen.« Dann wandte er sich wieder Chris zu. »In welchem Alter seid Ihr? Einundzwanzig Jahre?«

»So ungefähr. Vierundzwanzig Jahre.«

Der Junge riß überrascht die Augen auf, als er dies hörte. Chris dachte:

Was ist denn so schlimm an vierundzwanzig Jahren?

»Dann, guter Squire,bin ich sehr froh über Eure Hilfe und danke Euch,

daß Ihr mich vor Sir Guy und seinen Mannen gerettet habt.« Er deutete zum anderen Ufer, wo sechs dunkle Reiter dicht am Wasser standen und zu ihnen herüberschauten. Sie ließen ihre Pferde im Fluß saufen, aber ihre Augen waren starr auf Chris und den Jungen gerichtet.

»Aber ich hab dich nicht gerettet«, sagte Chris. »Du hast mich gerettet.«

»Habdich?« Noch ein verwirrter Blick.

Chris seufzte. Offensichtlich benutzten diese Leute noch keine Verschleifungen. Es war so schwierig, auch nur den einfachsten Gedanken auszudrücken; er fand es sehr mühselig. Aber er versuchte es noch einmaclass="underline" »Ich hab dich nicht gerettet, du hast mich gerettet.« »Guter Squire, Ihr seid zu bescheiden«, erwiderte der Junge. »Ich stehe mein Leben lang in Eurer Schuld; und es wird mir ein Vergnügen sein, Euch zu umsorgen, wenn wir erst in der Burg sind.« »In der Burg?«

Vorsichtig verließen Kate und Marek den Wald und machten sich auf den Weg in Richtung Kloster. Von den Reitern, die den Pfad hinuntergaloppiert waren, war nichts mehr zu sehen. Auf sie wartete eine friedvolle Szene: Direkt vor ihnen lagen Felder des Klosters, begrenzt von niedrigen Steinmäuerchen. In der Ecke eines der Felder erhob sich ein schlankes, sechseckiges Bauwerk, reich mit Meißelarbeiten verziert, wie die Turmspitze einer gotischen Kirche. »Ist das ein montjoie?« fragte Kate.

»Sehr gut«, entgegnete Marek. »Ja. Das ist ein Feldstein, ein Grenzzeichen. Man sieht sie hier überall.«

Zwischen den Feldern hindurch gingen sie zur drei Meter hohen Mauer, die das Kloster umgab. Die Bauern auf den Feldern achteten nicht auf sie. Auf dem Fluß trieb ein Lastkahn, die Fracht in Tuchbahnen verpackt. Der Bootsführer im Heck sang fröhlich. Vor dem Kloster drängten sich die Hütten der Bauern, die auf den Feldern arbeiteten. Dahinter entdeckten sie eine kleine Tür in der Mauer. Das Kloster umfaßte ein so großes Gelände, daß es Türen an allen vier Seiten hatte. Dies hier war nicht der Haupteingang, aber Marek hielt es für besser, erst hier zu klopfen.

Sie gingen eben zwischen den Hütten hindurch, als sie das Schnauben eines Pferdes und eine leise, beruhigende Stimme hörten. Marek streckte die Hand aus, um Kate zu stoppen. »Was ist?« flüsterte sie.

Er deutete. Etwa zwanzig Meter entfernt und hinter den Hütten nicht gleich zu erkennen, standen fünf Pferde, die von einem Burschen gehalten wurden. Die Pferde waren reich geschmückt, die Sättel mit rotem, silberbesetztem Samt bedeckt. Streifen roten Samts hingen an den Flanken herab.

»Das sind keine Ackergäule«, sagte Marek. Doch die Reiter konnte er nirgendwo entdecken.

»Was sollen wir tun?« fragte Kate.

Chris folgte dem Jungen zum Dorf von Castelgard, als plötzlich sein

Ohrstöpsel knisterte. Er hörte Kate sagen: »Was sollen wir tun?«, und

Marek antwortete: »Ich weiß nicht so recht.«

Chris sagte: »Habt ihr den Professor gefunden?«

Der Junge drehte sich um und sah ihn an. »Sprecht Ihr mit mir, Squire?«

»Nein, nein«, sagte Chris. »Mit mir selbst.«

»Mittemir sehst?« wiederholte der Junge und schüttelte den Kopf. »Eure Sprache ist schwer zu verstehen.« Im Ohrstöpsel sagte Marek: »Chris? Wo zum Teufel bist du?« »Jetzt gehe ich zur Burg«, sagte Chris laut. »An diesem wundervollen Tag.« Er schaute dabei zum Himmel hoch und tat so, als würde er mit sich selbst sprechen.

Er hörte Marek sagen: »Warum gehst du dorthin? Bist du noch bei diesem Jungen?«

»Ja, wirklich wundervoll.«

Der Junge drehte sich wieder um und sah ihn mit besorgtem Gesicht an.