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»Du glaubst, daß wir die Kontrolle verlieren?«

»Möglich«, sagte er. »Aber ich werde alles tun, damit das nicht passiert. Vor allem, da ich übermorgen diese drei potentiellen neuen

Aufsichtsratsmitglieder erwarte. Also, machen wir den Deckel wieder drauf.«

Sie nickte. »Ich glaube, das schaffen wir.«

»Okay«, sagte er und wandte sich vom Fenster ab. »Sieh zu, daß Stern eins der Gästezimmer bekommt. Sieh zu, daß er wirklich schläft, und blockiere sein Telefon. Und morgen will ich, daß Gordon an ihm klebt wie eine Klette. Er soll ihn herumführen oder was auch immer. Aber er soll bei ihm bleiben. Um acht will ich eine Konferenzschaltung mit den PR-Leuten. Und um neun will ich einen Zustandsbericht über den Transitbereich. Und mittags dann diese Medienheinis. Ruf jetzt gleich alle an, damit sie sich vorbereiten können.« »Okay.«

»Vielleicht schaffe ich es nicht, die Sache unter Kontrolle zu halten«, sagte Doniger, »aber versuchen werde ich es auf jeden Fall.« Stirnrunzelnd wandte er sich wieder dem Fenster zu und blickte zu den Leuten hinab, die sich im Dunkeln vor dem Tunnel drängten. »Wie lange dauert es, bis man wieder in die Höhle kann?« »Neun Stunden.«

»Und dann können wir eine Rettungsaktion auf die Beine stellen? Noch ein Team zurückschicken?«

Kramer hüstelte. »Na ja...«

»Bist du krank? Oder heißt das nein?«

»Die Explosion hat alle Maschinen zerstört, Bob«, sagte sie. »Alle?«

»Ich glaube schon, ja.«

»Dann können wir also nichts tun als den Transitbereich wieder aufbauen und dann faul herumsitzen und abwarten, ob sie heil zurückkommen?«

»Ja. Genauso ist es. Wir haben keine Möglichkeit, sie zu retten.« »Dann können wir nur hoffen, daß sie wissen, was sie tun«, sagte Doniger, »weil sie jetzt ganz auf sich allein gestellt sind. Ich wünsche ihnen auf jeden Fall viel Glück.«

31:40:44

Durch den schmalen Schlitz seines Visiers sah Chris Hughes, daß die Tribünen vollbesetzt waren - fast ausschließlich mit Damen -und daß sich am Geländer das gemeine Volk in Zehnerreihen drängte. Alle schrien, das Turnier solle endlich beginnen. Chris stand jetzt am Ostrand des Turnierplatzes, umringt von seinen Knappen, die versuchten, das Pferd zu besänftigen. Offensichtlich machte das Geschrei der Menge es nervös, es bockte und bäumte sich auf. Die Knappen reichten Chris eine gestreifte Lanze, die absurd lang und sehr unhandlich war. Chris nahm sie, verlor sie aber gleich wieder, weil das Pferd unter ihm schnaubte und stampfte.

Hinter der Absperrung erkannte er Kate unter dem gemeinen Volk. Sie lächelte ihm ermutigend zu, aber sein Pferd tänzelte und drehte sich, und er konnte ihren Blick nicht erwidern.

Und nicht weit entfernt sah er Marek in seiner Rüstung, ebenfalls umgeben von Knappen.

Als Chris' Pferd sich wieder einmal drehte - warum griffen die Knappen nicht nach den Zügeln? -, sah er am anderen Ende des Platzes Sir Guy de Malegant seelenruhig auf seinem Tier sitzen. Er stülpte sich gerade den Helm mit dem schwarzen Busch über. Chris' Pferd bockte und drehte sich. Posaunen erklangen, und die Menge schaute zur Haupttribüne hinüber. Nur am Rande bekam er mit, daß Lord Oliver unter Applaus seinen Platz einnahm. Noch einmal ertönten die Posaunen.

»Squire, das ist Euer Signal«, sagte ein Knappe und reichte ihm noch einmal die Lanze.

Diesmal schaffte er es, die Lanze so lange zu halten, daß er sie in die Kerbe auf dem Sattelknauf legen konnte. Nun lag sie schräg

über dem Pferderücken, die Spitze zeigte nach links vorne. Plötzlich drehte das Pferd sich wieder, und die Knappen liefen schreiend davon, als die Lanze in wildem Bogen über ihre Köpfe schwang. Noch einmal Posaunen.

Chris, der kaum etwas sehen konnte, riß an den Zügeln und versuchte, das Pferd unter Kontrolle zu bekommen. Am anderen Ende des Platzes sah er kurz Sir Guy, der ihn, still auf seinem völlig ruhigen Pferd sitzend, beobachtete. Chris wollte die Sache endlich hinter sich bringen, aber das Pferd war nicht zu bändigen. Wütend und frustriert riß er ein letztes Mal heftig an den Zügeln. »Verdammt noch mal, läufst du jetzt endlich!«

Und plötzlich riß das Pferd zweimal kurz den Kopf hoch und legte die Ohren an. Und stürmte los.

Marek sah dem Ritt angespannt zu. Er hatte Chris nicht alles gesagt, es hatte ja keinen Sinn, ihn mehr als nötig in Angst zu versetzen. Aber natürlich würde Sir Guy versuchen, Chris zu töten, was bedeutete, daß er mit seiner Lanze auf den Kopf zielen würde. Chris hoppelte wild im Sattel hin und her, die Lanze zuckte auf und nieder, sein Oberkörper schwankte von einer Seite zur anderen. Er gab ein schlechtes Ziel ab, aber wenn Sir Guy geschickt war — und Marek hatte keinen Zweifel, daß er das war —, würde er trotzdem auf den Kopf zielen und, um einen tödlichen Treffer zu landen, lieber beim ersten Mal einen Fehlstoß riskieren.

Na ja, dachte Marek, eine Chance besteht immerhin, daß Chris überlebt.

Chris sah kaum etwas. Gefährlich im Sattel schaukelnd, erhaschte er nur verschwommene Blicke auf die Tribünen, den Erdboden, den anderen Reiter, der auf ihn zustürmte. Und so konnte er nicht abschätzen, wie weit entfernt Guy noch war, wie lange es bis zum Zusammenstoß dauern würde. Er hörte die donnernden Hufe seines Pferdes, seinen rhythmischen schnaubenden Atem. Verzweifelt hielt er seine Lanze umklammert, wurde im Sattel hin und her geworfen. Alles dauerte viel länger, als er erwartet hatte. Es kam ihm so vor, als würde er schon eine Stunde auf diesem Pferd reiten.

Im letzten Augenblick sah er Guy nur wenige Meter vor sich, der mit furchterregendem Tempo auf ihn zukam, und dann spürte er, wie die Lanze in seiner Hand zurückschnellte und ihn schmerzhaft an der rechten Flanke traf. Ein scharfer Schmerz schoß ihm in die linke Schulter. Der Aufprall verdrehte ihn im Sattel, und er hörte das Knacken splitternden Holzes. Die Menge tobte.

Das Pferd rannte weiter, zum anderen Ende des Platzes. Chris war benommen. Was war passiert? Seine Schulter brannte heftig. Seine Lanze war entzweigebrochen. Und er saß noch immer im Sattel. Scheiße.

Marek war nicht sehr glücklich über das, was er sah. Es war einfach Pech; die Lanze hatte Chris nur gestreift und ihn so nicht aus dem Sattel heben können. Jetzt würde er zu einem zweiten Durchgang antreten müssen. Er sah zu Sir Guy hinüber, der fluchend den Knappen eine neue Lanze aus den Händen riß, sein Pferd wendete und sich auf den zweiten Angriff vorbereitete.

Am anderen Ende des Platzes versuchte Chris, seine neue Lanze zu kontrollieren, die wild hin und her schwang wie ein Metronom. Schließlich schaffte er es, sie über den Sattel zu legen, doch das Pferd bockte und drehte sich.

Guy war wütend und mit seiner Geduld am Ende. Jetzt wartete er nicht länger. Er gab seinem Pferd die Sporen und galoppierte los. Du Mistkerl, dachte Marek.

Die Menge schrie überrascht auf, als sie diesen einseitigen Angriff sah. Erst jetzt merkte Chris, daß Guy bereits in vollem Tempo auf ihn zu galoppiert kam. Aber sein Pferd ließ sich noch immer nicht bändigen. Er riß an den Zügeln, und in diesem Augenblick hörte er ein Klatschen: Einer der Knappen hatte sein Pferd aufs Hinterteil geschlagen. Das Pferd wieherte. Es legte die Ohren an. Und rannte los.

Dieser zweite Angriff war schlimmer, denn diesmal wußte Chris, was ihm bevorstand.

Die Lanze traf ihn mit voller Wucht, ein Schmerz schoß ihm durch die Brust, und er wurde in die Luft gehoben. Alles um ihn herum verlangsamte sich. Er sah, wie der Sattel sich von ihm entfernte, dann die Hinterflanken des Pferdes, und er kippte nach hinten und starrte plötzlich in den Himmel.