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Marek spielte ihnen ängstliches Hochschrecken vor. Er schien zu meinen, daß sie beträchtliche Aufregung verursachen würden, wenn sie mitten in der Nacht dort auftauchten. Chris zuckte die Achseln: Na und?

Marek wackelte mit dem Finger: Keine gute Idee. Mit den Lippen formte er lautlos: Morgen früh. Chris seufzte.

Marek ging an den Hütten vorbei, bis er zu einem ausgebrannten Bauernhaus kam - vier Wände und die schwarzen Überreste von Balken, die ein Strohdach getragen hatten. Durch eine Tür mit einem roten Streifen quer über dem Blatt traten sie ein. In der Dunkelheit konnte Kate kaum etwas erkennen.

In der Hütte wuchs hohes Gras, einige Stücke kaputten Steingutgeschirrs lagen herum. Marek suchte das Gras ab, bis er zwei irdene Töpfe mit gesprungenen Rändern entdeckt hatte. Für Kate sahen sie aus wie Nachttöpfe. Marek stellte sie vorsichtig auf ein verkohltes Fensterbrett. Sie flüsterte: »Wo sollen wir schlafen?« Marek zeigte auf den Boden.

»Warum können wir nicht ins Kloster gehen?« flüsterte sie und deutete auf den freien Himmel über ihnen. Die Nacht war kalt. Sie hatte

Hunger. Sie wollte ein Dach über dem Kopf.

»Nicht sicher«, flüsterte Marek. »Wir schlafen hier.«

Er legte sich auf die Erde und schloß die Augen.

»Warum ist es nicht sicher?« fragte sie.

»Weil irgend jemand einen Ohrstöpsel hat. Und derjenige weiß, wohin wir gehen.«

Chris sagte: »Ich wollte mit dir noch über -«

»Nicht jetzt«, sagte Marek, ohne die Augen zu öffnen.

Kate legte sich hin, und Chris legte sich neben sie. Sie drückte sich mit dem Rücken an ihn. Nur um sich zu wärmen. Es war so verdammt kalt.

In der Ferne hörte sie Donnergrollen.

Irgendwann nach Mitternacht fing es an zu regnen. Kate spürte schwere Tropfen auf ihren Wangen und stand auf, als der Wolkenbruch anfing. Sie sah sich um und entdeckte einen kleinen hölzernen Verschlag, zwar angekohlt, aber noch mit intaktem Dach. Sie kroch darunter, setzte sich aufrecht an die Wand und kuschelte sich wieder an Chris, der ihr gefolgt war. Kurz darauf kam Marek, legte sich neben sie und schlief sofort wieder ein. Sie sah, daß Regentropfen ihm auf die Wange klatschten, aber er schnarchte weiter.

2:0

Ein halbes Dutzend Heißluftballons stieg über den Tafelbergen in die Höhe. Es war fast elf Uhr. Einer der Ballons hatte ein Zickzackmuster, das Stern an die Sandpaintings der Navajo erinnerte. »Tut mir leid«, sagte Gordon. »Aber die Antwort ist nein. Sie können nicht im Prototypen zurückgehen, David. Es ist einfach zu gefährlich.« »Warum? Ich dachte, das ist alles so sicher. Sicherer als ein Auto. Was ist denn so gefährlich?«

»Ich habe Ihnen gesagt, daß wir bislang keine Transkriptionsfehler hatten - die Fehler, die beim Wiederaufbau passieren«, sagte Gordon. »Aber das stimmt nicht ganz.« »Aha.«

»Normalerweise stimmt es, daß wir keine Hinweise auf Fehler finden können. Aber wahrscheinlich treten sie bei jeder Reise auf. Sie sind einfach nur so winzig, daß sie nicht entdeckt werden. Aber wie radioaktive Strahlung sind auch Transkriptionsfehler akkumu-lativ. Nach nur einer Reise sieht man nichts, aber nach zehn oder zwanzig Reisen werden gewisse Anzeichen sichtbar. Vielleicht haben Sie eine kleine Naht in Ihrer Haut wie eine Narbe. Eine Schliere auf Ihrer Hornhaut. Oder Sie bekommen feststellbare Symptome wie Diabetes oder Durchblutungsstörungen. Wenn das einmal passiert ist, dürfen Sie nicht mehr rüber. Weil Sie es sich nicht leisten können, daß die Probleme schlimmer werden. Das bedeutet, Sie haben Ihr Reiselimit erreicht.«

»Und das ist schon passiert?«

»Ja. Mit einigen Labortieren. Und einigen Leuten. Den Pionieren — denjenigen, die diesen Prototypen benutzt haben.«

Stern zögerte kurz. Dann: »Wo sind diese Leute jetzt?« »Die meisten sind immer noch hier. Und arbeiten noch für uns. Aber sie reisen nicht mehr. Sie dürfen es nicht.«

»Okay«, sagte Stern, »aber ich rede ja nur von einer Reise.« »Außerdem haben wir die Maschine seit langem nicht mehr benutzt oder kalibriert«, sagte Gordon. »Vielleicht ist sie okay, vielleicht aber auch nicht. Sehen Sie: Mal angenommen, ich lasse Sie zurückgehen, und nachdem Sie in 1357 angekommen sind, stellen Sie fest, daß Sie so ernste Transkriptionsfehler haben, daß Sie sich nicht mehr zurückzukehren trauen. Weil Sie eine Akkumulation nicht mehr riskieren können.«

»Sie wollen damit sagen, daß ich dann dort bleiben müßte.« »Ja.« Stern fragte: »Ist das schon mal jemandem passiert?« Gordon zögerte kurz. »Möglicherweise.« »Soll das heißen, daß jetzt noch jemand dort ist?« »Möglich«, sagte Gordon. »Wir wissen es nicht genau.« »Aber das ist doch sehr wichtig«, sagte Stern, plötzlich aufgeregt. »Sie sagen mir, daß dort möglicherweise noch jemand ist, der ihnen helfen könnte.«

»Ich weiß nicht«, erwiderte Gordon, »ob diese spezielle Person ihnen helfen würde.«

»Aber sollten wir es ihnen nicht sagen? Ihnen einen Rat geben?« »Es gibt keine Möglichkeit, Kontakt mit ihnen aufzunehmen.« »Wissen Sie«, sagte Stern. »Ich glaube, es gibt eine.«

Witternd vor Kälte wachte Chris auf. Es war kurz vor Tagesanbruch. Der Himmel war blaßgrau, dünner Nebel waberte über der Erde. Die Knie angezogen, den Rücken an die Wand gelehnt, saß er unter dem Verschlag. Kate hockte neben ihm und schlief noch. Er bewegte sich, um hinauszuschauen, und zuckte vor Schmerz zusammen. Seine Muskeln waren verkrampft und steif— die Arme, die Beine, der Oberkörper, alles. Sein Nacken schmerzte, als er den Kopf drehte. Überrascht stellte er fest, daß die Schulter seines Wamses steif war von getrocknetem Blut. Anscheinend hatte der Pfeil in der vergangenen Nacht ihn so verletzt, daß er geblutet hatte. Chris stöhnte auf vor Schmerz, als er den Arm bewegte, merkte aber zugleich, daß alles halbwegs okay war.

Er zitterte in der morgendlichen Feuchtigkeit. Was er jetzt wollte, war ein Feuer und etwas zu essen. Sein Magen knurrte. Seit mehr als vierundzwanzig Stunden hatte er nichts gegessen. Und er hatte Durst. Wo würden sie Wasser finden? Konnte man aus der Dordogne trinken? Oder mußten sie sich eine Quelle suchen? Und wo würden sie etwas zu essen finden?

Er drehte sich nach Marek um, aber Marek war nicht da. Er sah sich im Bauernhaus um — wieder diese Schmerzen bei jeder Bewegung -, aber Marek war verschwunden.

Chris wollte eben aufstehen, als er das Geräusch näher kommender Schritte hörte. Marek? Nein, entschied er: Er hörte die Schritte von mehr als einer Person. Und das leise Klirren eines Kettenhemds. Die Schritte kamen näher, blieben dann stehen. Er hielt den

Atem an. Rechts, kaum einen Meter von seinem Kopf entfernt, erschien ein Kettenhandschuh im offenen Fenster und legte sich auf das Fensterbrett. Der Ärmel über dem Handschuh war grün mit schwarzem Besatz.

Arnauts Männer.

»Hic nemo habitavit nuper«, sagte eine Männerstimme.

Von der Tür kam eine Antwort: »Et intellego square. Specta, porta habet signum rubrum. Estne pestilentia?«

»Pestilcntia? Certo scisne? Abeamus!«

Die Hand zog sich hastig zurück, und die Schritte eilten davon. Sein Ohrstöpsel hatte nichts übersetzt, weil er abgeschaltet war. Er mußte sich auf seine Lateinkenntnisse verlassen. Was hieß pestilentia'? Wahrscheinlich »Pest«. Die Soldaten hatten das Zeichen auf der Tür gesehen und sich schnell entfernt.

O Gott, dachte er, ist das ein Pesthaus? War das der Grund, warum man es niedergebrannt hatte? Konnte man sich noch immer mit der Pest infizieren? Er dachte gerade darüber nach, als zu seinem Entsetzen eine schwarze Ratte durch das tiefe Gras und zur Tür hinaushuschte. Chris erschauerte. Kate wachte auf und gähnte. »Wie spät ist —« Er drückte ihr den Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf. Er konnte die sich entfernenden Männer noch immer hören, ihre Stimmen klangen schwach durch den grauen Morgen. Chris krabbelte unter dem Verschlag hervor, kroch zum Fenster und schaute vorsichtig hinaus.