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Nun summte er wieder einmal vor sich hin, während er den massiven Patronengurt auszog. Das Knirschen von Leder und Metall bildete eine schöne Untermalung seiner Musik, einem angenehm blutigen Volkslied über die Plünderung einer Wüstenstadt, das er von seiner bengardischen Mutter gelernt hatte.

Die erste Klinge, die er herauszog, war zugleich die längste und die kürzeste Waffe, die er besaß. Es handelte sich um die Spitze eines Streitspießes, die er liebevoll Beggie genannt hatte, als Abkürzung für Begrüßung. Beggie hatte eine Doppelschneide und eine traditionelle Speerspitze mit einem Beilkopf an der einen Seite, allerdings fehlte der hölzerne Schaft. Grunthor hielt die Spitze gegen das Licht des Kaminfeuers in seinem Zimmer und erfreute sich an der Art und Weise, wie das schon seit langem getrocknete Blut in den von Zeit und Abnutzung gefrästen Scharten der Waffe glitzerte.

»Hallo, kleiner Freund«, murmelte er zärtlich. »Ich beschaff dir bald ’nen neuen Schaft. Tut mir leid, dass ich das noch nich getan hab.«

Die nächste Klinge, der er seine Aufmerksamkeit widmete, war das Alte Luder, ein schartiges, dünnes Schwert, das er im Gedenken an eine Hure mit stark behaarten Beinen benannt hatte, der er in der alten Welt sehr zugetan gewesen war. »Na, na, Liebchen, nich beißen«, murmelte er, während er vorsichtig die äußerst scharfe Schneide einölte. »Hab dasselbe vor vielen Jahren zu deiner Namenspatronin gesagt. Die hatte im Gegensatz zu dir aber keine Zähne.«

Mit unendlicher Sorgfalt kümmerte er sich um die Bedürfnisse jeder einzelnen Klinge, polierte den Stahl, sprach leise und sanft mit ihnen, fast wie zu einem Säugling, während er sie im Arm wiegte. Wenn der Anblick Grunthors, wie er die Klingen schärfte, die Ahlen anfeilte und die Metallgeißeln seiner Bullenpeitsche richtete, nicht so bedrohlich gewesen wäre, hätte er ein lustiges Bild für jedermann abgegeben, der tapfer oder dumm genug war, ihn zu stören.

Ein Stück seiner Sammlung nach dem anderen wurde geduldig in Bestzustand gebracht. Der Sergeant hatte genauso viel Freude daran wie an den Erinnerungen, die mit den Waffen verbunden waren. Schließlich kam er an die letzte, die man Triatine nannte, wie ihm ein Cymrer der Ersten Generation gesagt hatte. Es war eine Dreifachklinge aus drei dünnen Blättern, die im Mittelpunkt zusammengeschweißt und allesamt rasiermesserscharf waren. Sie diente nicht nur zum Aufschlitzen und war dabei lang und scharf genug, um den Gegner auf Abstand zu halten, sondern man konnte mit ihr auch große Stücke Fleisch und Muskeln herausschneiden, wenn man sie unter Anwendung von genügend Kraft mit der dreieckigen Spitze voran einsetzte und dann in der rechten Weise drehte. Dies war die letzte Waffe, die er seiner Sammlung in der alten Welt einverleibt hatte. Achmed hatte sie aus einem toten Soldaten gezogen, der Rhapsody verfolgt hatte, und es war die einzige seiner Waffen, die er noch nie eingesetzt hatte.

Das Säubern und Pflegen der Waffen half Grunthor dabei, seine Gedanken zu ordnen. Auf dem Weg von Gwynwald nach Haguefort hatte er kaum einen Augenblick gefunden, in dem er mit seinem König und besten Freund allein hatte reden können. Achmed hatte auf der ganzen Reise in der Kutsche zusammen mit Rhapsody, ihrem Gemahl und dem neugeborenen Sohn eisern geschwiegen, während sie sich allmählich der Festung aus rosig-braunem Stein, dem Herzogssitz von Navarne, genähert hatten. Dieser Ort war der erste gewesen, an dem die drei – ohne Ashe – in der neuen Welt, dem Wyrmland, zu dem sie von der anderen Seite der Zeit geflohen waren, ehrlich und aufrichtig willkommen geheißen worden waren.

Es war klar für Grunthor, dass sich ein Krieg zusammenbraute. Nach so langer Zeit ohne Übung als Feldkommandant war er bereit und sogar erpicht darauf, in die Schlacht zu ziehen, ob sie nun mit traditionellen Waffen oder solchen außerhalb seines Erfahrungshorizontes oder mit beiden zugleich geschlagen werden würde. Im Gegensatz zu Rhapsody, die sich auch dann noch nach Frieden sehnte, wenn er völlig unwirklich geworden war, und Achmed, der nie an die Möglichkeit des Friedens glaubte, empfand Grunthor den Frieden als eine Zeit der Unannehmlichkeit, in welcher die Waffen rostig und unbrauchbar und die Soldaten unaufmerksam und faul wurden, weil ihnen der Ansporn der Angst fehlte. Die Bengard-Rasse seiner Mutter hatte sich schon vor langer Zeit die Vorstellung vom andauernden Krieg als bestem Seinszustand zu eigen gemacht, selbst wenn sie diesen Krieg mit künstlichen Mitteln hervorrufen musste, denn er führte zu einem Zustand der gesteigerten Wachsamkeit und des gemeinsamen Opfers.

Und natürlich machte Krieg Spaß.

Als Grunthor das kleine Kurzschwert namens Luzi ölte, legte sich ein schiefes Grinsen über sein gebräuntes Gesicht, wodurch ein sorgsam polierter Stoßzahn unter den aufgeworfenen Lippen hervorlugte. Luzi war das Schwert, das er Rhapsody geliehen hatte, um ihr die Handhabung einer Klinge beizubringen. Sie hatte ihm alle Ehre gemacht und trug nun eine eigene historische Waffe, doch am liebsten sah er sie noch so vor sich, wie sie, die eine Armlänge kleiner als er war und höchstens ein Drittel seiner Körpermasse besaß, sich dazu gezwungen hatte, ihn in den ersten Übungsstunden nicht mit all ihrer Kraft anzugreifen. Er hätte sie wie eine Grille zertreten können, ohne sich die Stiefel besonders schmutzig zu machen, doch er hatte gelernt, sie und ihre Gaben hoch zu schätzen, auch wenn er sie nie ganz verstanden hatte.

Sein Grinsen verblasste, als ihm ein frischeres Bild von ihr in den Sinn kam: wie sie bleich und grau vom Blutverlust und den inneren Verletzungen bei der Geburt des Drachenjungen dagelegen hatte. Es war das Kind Ashes, der selbst Drachenblut in den Adern hatte. Sie und Achmed waren unter dem versteinerten Körper ihres Schwiegervaters Llauron hervorgekommen, eines hinterhältigen Mannes, dem Grunthor nie getraut hatte, auch als er noch menschliche Gestalt besessen hatte. Selbst seine Verwandlung in die ätherische Existenz eines Drachen hatte Grunthors Meinung nicht ändern können. Llaurons Opfertod, der nach Achmeds Ansicht sie beide vor der Raserei der Drachin Anwyn gerettet hatte, war das Mindeste, was der alte Mann in Grunthors Augen hatte tun können.

Als er Rhapsody im Wald gesehen hatte, wie sie in der Kutsche ihres Gemahls verschwunden war – die sie erst in Haguefort wieder verlassen hatte, um sich in die Festung zu begeben –, hatte sie in Grunthor ein Gefühl des Unbehagens hinterlassen, an das er nicht gewöhnt war. Er ließ den ledernen Waffengürtel schnalzen und beschloss dafür zu sorgen, dass er vor seiner Abreise mit ihr allein reden und sich von ihrem Zustand überzeugen konnte.

Er steckte gerade seine Waffen weg, als es an der Tür klopfte. Ashe hatte nicht gelogen und die Wartezeit kurz gehalten. Grunthor legte den Waffengürtel an und ging hinter den Wachen hinunter in die Halle, wo hoffentlich die fruchtbare Planung eines großen militärischen Abenteuers stattfinden würde.

Bei dieser Aussicht konnte er es einfach nicht sein lassen, ein fröhliches Liedchen zu summen.

Während Grunthor seine Waffen säuberte, hatte der Bolg-König die Wartezeit genutzt, um einen kleinen Schwarm Burgschwalben zu beobachten. Es waren Wintervögel, die das ganze Jahr über in den Spalten und Ritzen von Hagueforts hohen Mauern nisteten. Bei ihrem Anblick dachte Achmed über alte Verluste nach.

Das Zwitschern der Vögel schien heller zu sein, wenn sie höher im Wind dahinglitten, und ihre Rufe kitzelten die empfindlichen Nervenenden in Achmeds Kopfhaut. Das war an und für sich nicht ungewöhnlich; fast alles, was lebte oder sich bewegte, machte sich mit seinen Schwingungen auf der Haut des Bolg-Königs bemerkbar. Das Gewebe aus Adern und Nerven, das jeden Zoll seiner Körperoberfläche durchzog, war dafür verantwortlich, dass er auf der Jagd seine Beute erspüren konnte; zu allen anderen Zeiten hingegen ärgerte ihn seine Fähigkeit nur.