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Vom Deck der Basquela aus sah Quinn die Wasserwand, die sich über der Küste erhob, und bemerkte dann mit Entsetzen, dass sie sich plötzlich gegen alle Naturgesetze ins offene Meer zurück und auf das Schiff stürzte.

»Wenden!«, schrie er der wie vom Donner gerührten Mannschaft zu, die endlich aus ihrer Erstarrung erwachte und auf die Posten eilte, um das Schiff in den Wind zu bringen. Quinn selbst blieb nichts anderes übrig, als starr an der Reling zu stehen. Seine scharfen Seemannsaugen waren vor Entsetzen geweitet, als er die Unvermeidlichkeit des Zusammenpralls erkannte und den genauen Zeitpunkt überschlug.

Es gab kein Entkommen.

»Dreht sie der Welle zu!«, schrie er durch den Wind dem Maat zu, der verzweifelt versuchte, die Kontrolle über das Ruder zu erlangen. »Wenn sie uns mittschiffs trifft, sind wir verloren!«

Der Sturm, der den heranbrausenden Monolith aus Wasser umtoste, schluckte die Erwiderung des Maates.

Quinn drehte sich ein letztes Mal um, gefesselt vom Anblick der Blitze und des aufzuckenden Feuers, das in wirbelnden dunklen Farben von Schwefel und Blut in der Gezeitenwelle dahinrollte. In dem Augenblick, bevor die Welle das Schiff traf, hätte Quinn schwören können, dass er ihren gähnenden Rachen sah – ein hoch aufgetürmtes Gesicht in der waagerechten See mit blinden schwarzen Augen und einem titanischen Mund, der in dämonischem Wahnsinn schrie und sich gegen den ganzen Ozean wandte.

Er sprach flüsternd ein Seemannsgebet an den Gott der Tiefe, das er als Kabinenjunge gelernt hatte. Als das Deck in die Luft stieg und das Schiff unter scharfem Knirschen und Knallen in Stücke gerissen wurde, fragte er sich, wie Himmel und Meer hatten eins werden können.

Als die Welle vorüber war, spürte Ashe, dass sie im Widerspruch zu den Naturgesetzen in das Meer hineinlief und dabei flacher wurde, bis sie im Nichts verschwand. Die Strömung wurde stetiger und rollte dann wieder wie in alle Ewigkeit gegen den Strand.

Es war, als sei nichts geschehen.

Langsam stieg er an die Oberfläche und zog den Bolg-König sowie seine Frau mit sich, die er immer noch in irrer Umarmung gegen seine Brust gedrückt hielt. Sie durchbrachen den Wasserspiegel. Die Sonne stach ihnen in die Augen, und das Salz biss ihnen in die Nase.

Ashe hielt Rhapsody nach hinten, sodass ihr Kopf gen Himmel zeigte, und drückte sie weiterhin gegen seine Brust. Er saugte ihr das Meerwasser aus der Lunge und trieb sie zum eigenständigen Atmen an. Dann wandte er sich Achmed zu, der immer noch auf das dampfende Schwert gepfählt war. Ashe zog die elementare Waffe aus der Brust des Bolg-Königs und steckte sie in seinen Gürtel. Er schaute aufs Meer hinaus, wo das Schiff gelegen hatte, und sah noch das rasch sinkende Großsegel in den Wellen verschwinden.

In plötzlicher Erschöpfung legte er sich rücklings auf das Wasser, hielt dabei Rhapsody und Achmed fest und ließ sich mit der ewigen Tide an den Strand treiben.

54

Haguefort — Navarne

Als Caius Haguefort betrat, stand keine Wache am Tor, keine im Vorraum, keine in der Halle, keine auf der Treppe. Es war, als sei die Festung vor einem kommenden Orkan evakuiert worden. Was sie in gewisser Weise auch war.

Er schlich still durch den Eingang und achtete darauf, dass seine Schritte kein Echo auf dem polierten Steinboden auslösten.

Der Armbrustschütze eilte gerade durch den gewaltigen Speisesaal, als eine Frau mittleren Alters mit einer Schürze in der Küchentür erschien. Caius schoss ihr einhändig durch den Kopf, ohne seinen Lauf zu unterbrechen oder zurückzusehen.

Berthe sackte lautlos auf dem Boden zusammen. Das Blut, das sich unter ihrer Stirn und in den Augen sammelte, machte leise, wispernde Geräusche.

Caius lief durch die Korridore, vorbei an wundervollen Rüstungen und Antiquitäten, und suchte nach dem Gemahl der Beute seines Herrn, doch er fand nichts als stille Leere.

Bis er die Große Halle betrat.

Am hinteren Ende, neben den riesigen Fenstern, saß ein Mann auf einem schweren hölzernen Stuhl an einem ähnlich schweren Holztisch und schaute Pergamentrollen durch. Als er aufschaute und sich ihre Blicke trafen, erstarrte Caius.

Es war der Soldat, den er in seinen Träumen gesehen hatte, der verkrüppelte Mann, der auf einem hochlehnigen Sattel durch das brennende, im Wind treibende Laub ritt, um die Frau zu retten, nach der es seinen Meister gelüstete.

Der Mann, der seinen Zwillingsbruder getötet hatte.

Cauis konnte die Gedanken des Mannes lesen, als er die Armbrust anlegte und auf sein Herz zielte. Der erste Blick des Kriegers hatte den Fenstern hinter ihm gegolten, weil er herausfinden wollte, ob durch sie eine Flucht möglich war, doch er hatte den Gedanken wegen der Höhe sofort wieder verworfen. Dann hatte er sich nach einem anderen Ausgang umgeschaut, doch zwischen ihm und Caius gab es keinen. Er erkannte die Zwecklosigkeit eines Fluchtversuchs.

Es gab kein Entkommen.

Üblicherweise sprach Caius nicht mit seinen Opfern, denn er sah Gespräche mit Menschen, die im nächsten Augenblick tot sein würden, als Kraftverschwendung an. Doch in diesem Fall war der Blick des Mannes hinter dem Tisch so unverschämt und sein Gesichtsausdruck so hart, dass er eine Ausnahme machte.

»Du hast meinen Bruder getötet«, sagte Caius anklagend.

Der Ausdruck des Kriegers veränderte sich nicht, während er das Wort sprach, das wohl sein letztes sein würde.

»Gut.«

Die Wut über diese Beleidigung, verbunden mit der Trauer über den Verlust seines Bruders, überschwemmten Caius. Er hob den Bogen ein klein wenig höher und nahm sich Zeit, zu zielen und den Augenblick zu genießen.

Er spannte den Bogen.

Hinter seinen Augen schien es zu blitzen, als der Pfeil harmlos über den Kopf des Mörders hinwegschoss.

Unmöglich, dachte er.

Das war sein letzter Gedanke, bevor er seitwärts zu Boden fiel. Ein weiß gefiederter Pfeil hatte sein Gehirn an den Schläfen durchbohrt.

Anborn hatte die Zähne zusammengebissen und die Bauchmuskeln angespannt in der Hoffnung, so wenig wie möglich zusammenzuzucken, wenn das Geschoss ihn durchdrang. Nun blinzelte er und drückte sich mit den Händen an der Tischplatte ab. Er starrte auf den am Boden liegenden Körper und schaute dann nach links, von wo der Pfeil gekommen war.

Dort stand Gwydion Navarne, noch in der Haltung des Bogenschützen. Die Hand, die den Bogen hielt, zitterte leicht. Die andere Hand war am Schusspunkt hinter dem Ohr erstarrt.

Es dauerte lange, bis er den Blick des Generals erwiderte, der hinter dem Tisch geblieben war, mit starrem Körper und starrem Gesicht. Gwydion schaute seinen Lehrer ernst an.

»Ich glaube, Ihr schuldet mir oder eher meinem Bogen das Zugeständnis Eures Irrtums«, sagte er keck. »Ich habe Euch gesagt, als Bogenschütze muss ich bloß gut genug sein, um einen Heuballen zu durchschießen.« Er ging hinüber zu dem Leichnam, drehte ihn mit der Stiefelspitze um und bewunderte den sauberen Durchschuss zwischen den Schläfen. »Und das kann ich, wie Ihr seht.«

Anborn starrte weiterhin auf den am Boden liegenden Armbrustschützen. Schließlich schüttelte er den Kopf und wandte sich an den zukünftigen Herzog von Navarne.

»Sind das die Albatrospfeile, die Rhapsody dir in Yarim gekauft hat?«

»Ja.«

Ein zögerliches Lächeln legte sich über das Gesicht des Generals.

»Ich nehme an, wir müssen sowohl dir als auch meiner verrückten Tante Manwyn einen Volltreffer zugestehen. Heute haben sich gleich zwei Wunder ereignet. Es ist dir gelungen, einen guten Schuss zu landen, obwohl du nur einen Langbogen hast und nicht einmal hier sein solltest, und Manwyn hat tatsächlich eine richtige Vorhersage abgegeben. Ich glaube, die Welt wird bald untergehen.«

Gwydion Navarne lächelte. »Oder sie steht erst am Anfang.«