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Als das heilende rote Licht von Omets Gesicht glitt, sahen sie, dass seine Haut wieder normal war und eine natürliche, gesunde Farbe angenommen hatte. Die Augenlider zuckten und der Kopf bewegte sich hin und her, als wolle Omet den Schlaf abschütteln.

Entzückt lauschten die Männer, als sich der Ton gleichzeitig mit der Bewegung über die Führungsschienen veränderte. Nun wandelte sich das Licht vollständig vom Rot der ersten Abteilung in der Kuppeldecke zur Farbe der nächsten Scheibe: orange. Frith-re. Feuerleger. Shaene holte tief Luft, als es in dem Raum plötzlich warm wurde. Er schaute zu dem Regenbogen aus Glas über ihm, in dem nur das violette Endstück fehlte, und in den klaren Himmel dahinter. »Es verspricht ein wunderbarer Tag zu werden«, sagte er zu Rhur.

Das waren die letzten Worte, die in dem Raum zu hören waren, bevor die ganze Welt explodierte. Als er sich davon überzeugt hatte, dass das Erdenkind ungestört schlummerte, versiegelte Grunthor den Tunnel und eilte zurück in den Kessel und zum Gurgus.

Drei Korridore davor wurde ihm der Weg versperrt.

Überall unter dem Berg waren die Tunnel zusammengebrochen und hatten die Durchgänge in unpassierbare Wände aus Schutt und Schiefer verwandelt. Bolg-Soldaten eilten durch die angrenzenden Tunnel und evakuierten die Räume, die nicht eingestürzt waren. Sie trugen die Verletzten und Toten hinaus und husteten heftig in der alles durchdringenden Staubwolke.

»Criton!«, flüsterte Grunthor und starrte auf die Verwüstung. »Was ist passiert?«

Niemand antwortete ihm.

Verzweifelt rannte Grunthor zu der dichten Geröllmauer, die den obersten Korridor abschloss. Er konzentrierte sich, griff tief in sich hinein, berührte das elementare Band, das ihn an die Erde fesselte, und ließ die Kraft durch seine Hände in den geborstenen Stein um ihn herum fließen. Er rief alle Erdenmacht zusammen und trieb einen Tunnel durch die Mauer aus Schutt. Schiefer und Fels glitten von ihm fort, als schmölzen sie bei seiner Berührung. Er grub sich tiefer ein, drückte seinen Körper hindurch und machte sich einen eigenen Tunnel.

In all dem Durcheinander erkannte er Leichen. Am äußeren Ende der Verwüstung hatten sich hingegen keine befunden. Zwei fand er tief im Gesteinsschutt begraben und erkannte sie als Shaene und Rhur, die unter Tonnen geborstenen Schiefers und gewaltiger Basaltstücke, den Überresten des Gurgus-Gipfels, zerschmettert lagen.

»O nein!«, murmelte er, als er Shaene fand, der aufrecht zusammengedrückt worden war. »Verdammt.«

Er bahnte sich weiter einen Weg durch die Bruchstücke des Berggipfels, bis er endlich zu einer Öffnung hinter dem Schuttwall durchgebrochen war. Seine Augen stachen vom Staub, der sich auch in Kehle und Nase sammelte.

Dort, auf dem Boden des Turms, lag in einem glitzernden Regenbogen aus farbigem Glas Omet. Er hatte die Augen geschlossen und war mit Blut besprenkelt, das von dem Glasregen herrührte, doch ansonsten schien er unverletzt zu sein. Als Grunthor den großen Haufen aus Glasscherben betrachtete, war er verblüfft, dass der junge Mann nicht in Streifen geschnitten worden war. Grunthor kroch vorsichtig über die Splitter, die alles waren, was von der wunderbaren Kuppeldecke übrig geblieben war, schritt an den Arbeitstischen vorbei, hob Omet aus dem Glashaufen und legte ihn sich über die Schulter.

Omet jammerte, als sein Oberkörper an Grunthors Rücken herabhing.

»Grunthor?«, flüsterte er. Sein langes, glattes Haar fiel bis auf den Boden. Der Sergeant drehte sich um und machte sich durch das Geröll auf den Rückweg.

»Was?«

Omet bemühte sich, deutlich zu sprechen, obwohl er wie verrückt hin und her schwang und mit dem Kopf nach unten hing.

»Theophila ist ... in Wirklichkeit ... die Gildenmeisterin der ... Mörder- und Diebesgilde von... Yarim.«

»Da bin ich dir ’nen Schritt voraus«, erwiderte Grunthor und bückte sich, damit Omets Rücken nicht über die niedrige Decke schrammte.

Der junge Handwerker machte eine wilde Handbewegung.

»Rhur und Shaene sind auch hier irgendwo, glaube ich. Ich habe sie reden hören, kurz bevor ...«

Grunthor tätschelte Omets Steiß. Sein Gesicht zeigte keine besondere Regung, aber seine Blicke schössen wild umher.

»Psst jetzt«, sagte er streng. »Hast noch genug Zeit zum Reden, wenn ich dich hier rausgebracht hab und du dich hast ausruhen können.«

Acht Tage später erhielt der Verwalter der Rabengilde ein Päckchen durch die Postkarawane aus Ylorc.

Dranth brach die Siegel auf und entfernte vorsichtig das Pergament, in das es eingepackt war. Bisher hatte Esten nur unzerbrechliche Dinge und Papiere geschickt, doch er wollte nicht das Risiko eingehen, den Inhalt zu beschädigen. Dem Gestank nach zu urteilen, der aus dem Päckchen drang, hatte es wahrscheinlich bereits durch die Hitze in den Postwagen Schaden genommen. Als er das letzte Stück Verpackung abgenommen hatte, trat Dranth, der Gildenverwalter des seelenlosesten, tödlichsten Zirkels von Dieben und Mördern in Roland, einen Schritt zurück von dem Tisch, legte die Hand über den Mund und erbrach sich dann auf den Boden der Güdenhalle. Grunthor hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, Estens schwärende Augen zu schließen, bevor er sie zu ihrer Gilde zurückgeschickt hatte.

Epilog

Das Verknüpfen der Fäden

Die Welle aus der Explosion unter dem Meer schleuderte den Kirsdarkenvar und die beiden, die an ihm hingen, auf den schwarzen, unnachgiebigen Sand des felsigen Strandes.

Der Boden war für Ashe wie ein Rettungsring, auch wenn er schlüpfrig war und andauernd ins Meer abglitt, wenn die Brecher darüberrollten. Er ließ das Schwert los, drehte sich rasch auf den Bauch und schaute nach, ob Rhapsody noch lebte. Als er sich dessen sicher sein konnte, wandte er sich dem Bolg-König zu, der sich die Lunge aus dem Leib hustete.

Die nächste Welle, die gischtend über den Strand rollte, war schon flacher und zeichnete Echos der letzten nach, erreichte aber nicht mehr deren Gewalt. Als das Wasser zurückschwappte, blieben Teile von Holz und Seil übrig – die Reste des untergegangenen Schiffes. Keines der Stücke war größer als gewöhnliches Treibholz.

Ashe zog seine Frau in die Arme und drückte sie fest an sich, damit er ihr so viel Wärme wie möglich geben konnte. Der Drache in seinem Blut schätzte sie ab und bemerkte, dass ein wenig Körpergewicht fehlte. Die Haut war eingesunken und bleich vom Salz und dem endlosen Wasser aus ihrer Zeit in der Höhle; das Haar war verfilzt und gedunkelt und dort zerzaust, wo sie es abgeschnitten hatte. Als er sah, wie dünn Hände und Hals waren, musste er die Tränen zurückhalten.

Aber sie war zu Hause – aus dem Meer zurückgekehrt.

Und in ihr wuchs noch immer das Kind. Es war stark; er spürte deutlich seine Gegenwart. Er zog sie näher an sich heran, sprachlos vor Erleichterung, und passte seinen Atem dem ihren an. So schwelgte er in dem heiseren Geräusch des Lebens, das von ihr ausging, und legte schließlich den Kopf in den Sand. Die Sonne blendete ihn.

Er bemerkte, wie neben ihm der Bolg-König aufstand und sich noch immer von dem Meer in ihm befreite. Dann ging er die Küste entlang.

Achmed schaute den Windgepeitschten Strand hinunter zu dem schwarzen, zerklüfteten Felsbett, über das die Brandung donnerte. Dort hatte MacQuieth die Bestie mit in das Meer genommen. Wo vorhin quellender Dampf und angeschwollene Gischt gewesen waren, herrschte nun Frieden. Das Meer war zu seinem ewig gleichen, heftigen Anbranden zurückgekehrt; die Wellen kamen weiß herein und eilten wieder hinaus, wobei sie die oberste Sandschicht mitnahmen.