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»Ich brauche euch natürlich nicht erst zu sagen, daß ein gefährlicher Mörder unter uns sitzt.«

»Das ist logisch«, nickte Bruder Dathal eifrig. »Aber wenn es nicht Bruder Cian ist, wer ist es dann? Und warum nennst du ihn den gemeinsamen Faktor?«

»Den Mörder kennt ihr, seit ihr im Norden zu dieser Pilgerfahrt aufgebrochen seid«, fuhr sie fort, ohne auf seine Worte einzugehen. »Sein erstes Opfer war Schwester Canair.«

Schwester Ainder stieß heftig den Atem aus.

»Woher willst du das wissen?« fragte sie. »Schwester Canair erschien einfach nicht, als die Gezeiten das Schiff zum Auslaufen zwangen. Wieso glaubst du, daß sie ermordet wurde?«

Beistimmendes Gemurmel erhob sich.

»Weil ich mit jemandem gesprochen habe, der ihre Leiche sah. Bruder Guss hat sie gesehen und Schwester Muirgel auch.«

Cian lachte höhnisch auf.

»Sehr bequem, was, denn Muirgel und Guss sind beide tot und können deine Behauptung nicht beweisen.«

»Sehr bequem«, pflichtete ihm Fidelma bei. »Muirgel wurde ebenfalls ermordet, während Guss ...« Sie zuckte die Achseln. »Na, wir wissen alle, was mit ihm geschah. Er fiel über Bord, weil er von der Furcht getrieben wurde.«

Alle Blicke richteten sich auf Schwester Crella.

»Es gab nur eine Person, vor der Guss aus Angst zurückwich«, bemerkte Bruder Dathal.

Schwester Crella saß starr da wie ein erschrockenes Kaninchen. Sie war totenblaß und konnte nur ablehnend den Kopf schütteln.

»Schwester Crella?« Bruder Tola nickte nachdenklich. »Das ergibt wohl einen Sinn. Es hieß, sie sei eifersüchtig auf Muirgel.«

»Bruder Guss hat mir erklärt, er sei überzeugt, daß Crella diejenige war, die Muirgel umbrachte«, schaltete sich Cian ein, froh darüber, daß anscheinend nicht mehr er verdächtigt wurde.

»Eifersucht? Wollust!« höhnte Schwester Ainder. »Die größte Sünde von allen.«

Schwester Crella brach in leises Weinen aus. Fidelma meinte die Sache klarstellen zu müssen.

»Schwester Crella war nur die ungewollte Ursache für den Tod von Bruder Guss«, erklärte sie. »Unglücklicherweise hegte Bruder Guss einen unerschütterlichen Glauben an Crellas Schuld. Er war jung und ängstlich - und vergeßt nicht, er hatte gesehen, was der Mörder sowohl Canair als auch Muirgel angetan hatte. Er fürchtete für sein Leben, und diese Furcht raubte ihm den Verstand. Als Crella auf ihn zu kam, dachte er, sie wolle ihn erstechen, und er wich aus Angst zurück und fiel über Bord. Sein Tod wurde nicht von Crella verursacht, sondern von der Person, die ihm solche Todesfurcht eingejagt hatte.«

Wieder trat ein langes Schweigen ein. Schwester Crella schaute Fidelma unter Tränen an. Sie verstand nicht recht, was sie gesagt hatte, begriff nur, daß Fidelma sie nicht beschuldigte.

»Treibst du ein Spiel mit uns, Schwester?« fragte Schwester Ainder zornig. »In einem Atemzug beschuldigst du jemanden und im nächsten sprichst du ihn frei. Was soll denn das heißen? Kannst du uns nicht einfach sagen, welches Motiv es für diese Morde gab und wer der Täter war?«

Fidelma sprach so gelassen weiter, als rede sie über das Wetter.

»Du selbst hast mir das Motiv genannt.«

Schwester Ainder war verblüfft.

»Wie?«

»Du hast es gesagt - es war eine der sieben Todsünden, die Sünde der Unkeuschheit.« Fidelma schwieg und ließ ihre Worte auf die Zuhörer wirken, ehe sie fortfuhr. »Bei jeder Ermittlung muß man von der Frage ausgehen, die Cicero einmal einem römischen Richter gestellt hat: Cui bono? Wem nutzt es? Welches ist das Motiv?«

»Du meinst also, das Motiv war Unkeuschheit?« unterbrach Bruder Tola voller Geringschätzung. »Was hat denn der Tod des Kriegers aus Laigin, Toca Nia, mit Unkeuschheit zu tun? Oder behandelst du diesen Mord getrennt? Mir erscheint es offenkundig, daß er wegen seiner Beschuldigungen gegen Cian getötet wurde. Von seinem Tod hatte nur Cian einen Nutzen.«

Es war klar, daß er und Cian alles andere als Freunde waren.

»Du hast recht«, stimmte ihm Fidelma ruhig zu. »Toca Nia wurde getötet, um Cian zu schützen.«

Cian wollte wieder aufstehen, doch Gurvan drückte ihn auf seinen Platz zurück.

»Also beschuldigst du mich am Ende doch?« fragte er verbittert. »Ich habe nicht .«

»Du hast ihn nicht umgebracht?« unterbrach ihn Fidelma in mildem Ton. »Nein, das hast du nicht. Ich habe gesagt, er wurde getötet, um dich zu schützen; ich habe nicht gesagt, er wurde von dir getötet. Doch das Motiv für den Mord an Toca Nia war dasselbe wie für die Morde an Canair und Muirgel und die beide Versuche, mich zu ermorden.«

»Zwei?« forschte Bruder Dathal. »Jemand hat zweimal versucht, dich zu töten?«

»O ja«, nickte Fidelma. »Der zweite Versuch wurde letzte Nacht in meiner Kajüte während des Sturms unternommen. Ich verdanke mein Leben einem Kater.« Weitere Erklärungen gab sie nicht dazu. Dafür war später noch Zeit.

»Also gibt es nur einen Mörder und ein Motiv? Das meinst du damit?« fragte Murchad, der ihrer Logik zu folgen versuchte.

»Und dieses Motiv ist die Unkeuschheit«, bestätigte sie. »Oder vielleicht sollte ich lieber sagen, der Glaube an eine Liebe zu Cian, der so stark war, daß er jede Vernunft austrieb und nur noch die Besessenheit hinterließ, ihn zu beschützen und alle zu beseitigen, die nach seiner Liebe strebten.«

Bleich und zitternd lehnte sich Cian zurück.

»Ich verstehe nicht, was du damit meinst.«

»Hätte Toca Nia dir geschadet, dann wärst du für die Person, die dich für sich haben wollte, nicht mehr erreichbar gewesen.«

»Das verstehe ich immer noch nicht.«

»Dabei ist es ganz einfach. Ich sagte, du warst der gemeinsame Faktor. Warst du nicht zu verschiedenen Zeiten der Geliebte sowohl von Canair wie von Muirgel?«

Cian blieb verstockt.

»Das leugne ich nicht«, antwortete er knapp.

»Es gab noch mehrere andere, deren Zuneigung du mit deinem unersättlichen Appetit auf junge Frauen errungen hast. Wolltest du dich damit für das entschädigen, was Una dir angetan hatte?« Diesen boshaften Stich konnte sie sich nicht versagen.

»Una hat damit nichts zu tun«, schwor Cian.

Schwester Gorman beugte sich gespannt vor.

»Wer ist Una? Wir hatten keine Schwester Una in Moville.«

»Una war Cians Ehefrau. Sie ließ sich von ihm scheiden mit der Begründung, er sei steril«, sagte Fidelma mit einem unversöhnlichen Lächeln. »Vielleicht wollte Cian diese herabwürdigende Erfahrung dadurch wettmachen, daß er sich so viele junge Geliebte wie möglich suchte.«

Cians Gesicht verzerrte sich vor Zorn.

»Du ...« setzte er an.

»Eine dieser Geliebten konnte die Vorstellung, daß du noch andere hättest, nicht ertragen«, schnitt ihm Fidelma das Wort ab. »Anders als die meisten deiner Geliebten war diese Person geistesgestört, man könnte auch sagen, wahnsinnig vor Eifersucht. Du hast nie begriffen, was für einen Hexenkessel von Eifersucht und Haß du da aufgerührt hast. Was für ein Glück für dich, Cian, daß sich dieser Haß nicht gegen dich richtete, sondern gegen deine anderen Geliebten.«

Als hätte sie Eiswasser auf seinen Zorn gegossen, so plötzlich wurde Cian still. Er saß mit halbgeöffnetem Mund da und versuchte rasch zu überdenken, was sie gesagt hatte.

Bruder Tola beugte sich zu ihr herüber.