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»Du, ich warne dich! Ich komme mit!« rief sie und griff nach seinem Arm.

»Gut, dann zieh deinen Mantel über. Ich weiß nicht, wie lange dieser kleine Spaßvogel da oben noch wartet. Wo wir gerade dabei sind, am besten nehme ich wohl eine Taschenlampe mit. Der Doktor hat hier gestern abend eine hingelegt, fällt mir ein... Also los.«

»Liebling«, hauchte Dorothy Starberth, »ich wußte, daß du mich mitnehmen würdest.«

Aufgeweicht und dreckbespritzt stapften sie über den Rasen zur Weide hinüber. Am Zaun hatte sie einige Schwierigkeiten mit ihrem langen Regenmantel. Als er sie hinüberhob, spürte er einen Kuß auf seiner nassen Backe. Allmählich ließ der Jubel, endlich diese Person im Gouverneurszimmer zu stellen, etwas nach. Das hier war kein Spaß. Es war eine widerliche, gefährliche Arbeit. Er wandte sich im Dämmerlicht um.

»Schau«, sagte er, »du gehst jetzt wirklich besser zurück. Wir machen das hier nicht zum Vergnügen, und ich möchte nicht, daß dir etwas zustößt.«

In der Stille hörte er den Regen auf seinen Hut tropfen. Nur dieses einsame Licht schimmerte durch die Regenwand, flackerte weiß über der Wiese. Als sie antwortete, klang es leise, kühl und entschlossen.

»Das weiß ich ebensogut wie du. Aber ich will es wissen. Außerdem mußt du mich mitnehmen, denn du findest doch gar nicht allein zum Gouverneurszimmer, wenn ich dir nicht den Weg zeige. - Schach und Matt, mein Lieber.«

Sie begann, ihm voran die Böschung hinaufzustapfen. Er folgte ihr und zischte dabei mit seinem Knüppel durch das aufgeweichte, hohe Gras. Beide schwiegen, doch das Mädchen keuchte, als sie das Tor des Gefängnisses erreichten. So weit entfernt vom Kaminfeuer mußte man sich schon einige Male selbst versichern, daß es absolut nichts Übernatürliches in diesem altertümlichen Gebäude der Folter und des Henkens gab. Rampole drückte auf den Knopf der Taschenlampe. Der weiße Strahl drang in den glitschiggrünen, übelriechenden Tunnel, tastete ihn ab, schwankte, bewegte sich dann langsam vorwärts.

»Glaubst du«, flüsterte das Mädchen, »daß es wirklich der Mann ist, der - ?«

»Du gehst besser zurück, ich sag' es dir!«

»Denk dir was Originelleres aus«, flüsterte sie mit schwacher Stimme. »Ich hab' zwar Angst, aber wenn ich zurückgehen müßte, hätte ich noch mehr Angst. Gib mir deinen Arm und dann zeige ich dir den Weg. Vorsichtig. - Was er wohl da oben macht? Er muß doch verrückt sein, so was zu riskieren.«

»Glaubst du, er kann uns kommen hören?«

»Oh nein. Jetzt noch nicht. Es ist noch meilenweit bis dahin.«

Ihre Schritte klangen hohl wie tröpfelndes Sickerwasser. Ram-poles Licht hüpfte. Mißtrauisch wurden sie von kleinen Augen beobachtet, die hastig verschwanden, wenn der Strahl in dunkle Winkel leuchtete. Mücken umschwirrten ihre Gesichter, und irgendwo in der Nähe mußte auch Wasser sein, denn das Quaken von Fröschen - ein rauher, gutturaler Chor - drang zu ihnen herüber. Rampole befand sich also ein weiteres Mal auf dieser endlosen Reise, wand sich durch enge Korridore und verrostete Türen, steinerne Treppen hinunter und wieder hinauf. Als der Strahl der Lampe auf das Gesicht der Eisernen Jungfrau fiel, flatterte etwas durch die Dunkelheit.

Fledermäuse. Das Mädchen duckte sich, und Rampole schlug wütend nach ihnen. Er hatte sich verschätzt, der Stock klirrte auf Eisen und schickte ein hallendes Scheppern zum Dach hinauf. Aus einer flatternden Wolke schrillte das Quieken der Fledermäuse als Antwort herüber. Rampole spürte, wie ihre Hand an seinem Arm zitterte.

»Wir haben ihn gewarnt«, flüsterte sie. »Ich habe Angst! Jetzt haben wir ihn gewarnt... Nein, nein, laß mich nicht hier! Ich muß bei dir bleiben. Wenn das Licht hier ausgeht... Diese garstigen Viecher, beinahe spüre ich sie in meinen Haaren...«

Obwohl er ihr beruhigend zuredete, fühlte er das heftige Pochen seines eigenen Herzens. Wenn es wirklich Tote gab, dachte er, die in dem steinernen Gebäude, wo sie gestorben waren, umgingen, dann hatten sie bestimmt genau solche leeren, spinnwebverhangenen Grimassen wie die Eiserne Jungfrau. Der Schweißgeruch dieser alten Folterkammer schien noch immer über den Gegenständen zu liegen. Er biß die Zähne zusammen, als habe er eine Bleikugel dazwischen, wie es die Soldaten zu Anthonys Zeiten taten, um die Schmerzen bei einer Amputation zu betäuben.

Anthony...

Vor ihnen erschien ein Licht. Sie bemerkten es, sehr matt, ganz am Ende einer Flucht von Stufen, die zu jenem Korridor führten, von dem das Gouverneurszimmer abging. Jemand trug eine Kerze.

Rampole knipste sein Licht aus. Er spürte, daß Dorothy im Dunkeln zitterte, als er sie hinter sich zog und dann entlang der linken Wand, den Knüppel frei in der Rechten, die Treppe hinaufzusteigen begann. Mit kalter Klarheit wußte er, daß er keine Furcht vor einem Mörder hatte. Liebend gerne sogar würde er mit seinem Stock auf den Schädel eines Mörders einschlagen.

Was jedoch die kleinen Drähte in seinen Knien straffte und vibrieren ließ und seinen Magen so kalt werden ließ wie einen ausgewrungenen Putzlappen, das war die Angst, es könnte doch jemand anderes sein.

Einen Moment lang fürchtete er, das Mädchen hinter ihm würde aufschreien. Und er wußte, daß er auch geschrien hätte, wenn dort drüben im Kerzenlicht ein Schatten aufgetaucht wäre und dieser Schatten einen dreispitzigen Hut getragen hätte... Von oben ertönten Schritte. Offenbar hatte der andere sie kommen hören, glaubte nun aber, sich geirrt zu haben; denn das Geräusch verschwand wieder in Richtung Gouverneurszimmer.

Irgendwo tappte ein Stock...

Stille.

Langsam, endlose Minuten lang, schlich Rampole die Treppe hinauf. Ein matter Lichtschein drang aus der geöffneten Tür des Gouverneurszimmers. Er steckte die Taschenlampe ein und ergriff Dorothys kalte, feuchte Hand. Seine Schuhe quietschten, doch die Ratten quietschten ebenfalls. Er glitt den Flur entlang und spähte um die Ecke der Tür.

In einem Halter auf dem Schreibtisch brannte eine Kerze. Davor saß bewegungslos Dr. Fell, das Kinn in die Hand gestützt, einen Stock gegen sein Bein gelehnt. An die Wand hinter ihm warf die Kerze seinen Schatten, der Rampole seltsamerweise an eine Statue Rodins erinnerte. Unter dem Baldachin auf Anthonys altem Bett saß, auf die Hinterpfoten aufgerichtet, eine große graue Ratte, die mit blitzenden, höhnischen Augen zu Dr. Fell hinüberblickte.

»Kommt rein, Kinder«, sagte Dr. Fell, kaum zur Tür aufblickend. »Ich muß gestehen, ich war sehr beruhigt, als ich merkte, daß ihr es seid.«

Kapitel 13

Rampole ließ den Stock durch seine Hand gleiten, und die Metallspitze klirrte auf den Boden. Er mußte sich abstützen; er sagte: »Dr. - « und stellte fest, daß sich seine Stimme in eine völlig verrückte Tonart verschoben hatte.

Das Mädchen lachte und hielt sich die Hand vor den Mund.

»Wir dachten - «, sagte Rampole und schluckte.

»Ja«, nickte der Doktor. »Ihr dachtet, ich wäre der Mörder oder ein Gespenst. Ich hatte allerdings befürchtet, daß Ihr meine Kerze vom Yew Cottage aus sehen könntet und herüberkämt, um nachzuschauen. Es gab leider keine Möglichkeit, das Fenster zu verhängen. Mein liebes Mädchen, Sie setzen sich wohl besser. Ich bewundere Ihre Nerven. Was mich angeht - «

Er zog einen altertümlichen Derringer-Revolver aus der Tasche und wog die schwere Waffe nachdenklich in der Hand. Er keuchte und nickte wieder.

»Weil wir es mit einem, wie ich glaube, sehr gefährlichen Mann zu tun haben. Hier, setzt euch, Kinder.«

»Aber was machen Sie hier, Sir?« wollte Rampole wissen.