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Meine einzige Sorge war, daß Herbert sicher aus dem Haus kam. Denn, ohne von dem Toten schlecht reden zu wollen, darf ich doch sagen, daß er ein schwerfälliger und etwas tölpelhafter Junge war, der bei einem Notfall nicht allzu geistesgegenwärtig reagiert hätte. Schon meinen Plan hatte er nur widerstrebend aufgenommen und mit Martin darüber eine Reihe heftiger, fast bitterer Meinungsverschiedenheiten gehabt... Jedenfalls bin ich, wie Dr. Fell mir soeben erzählt hat, etwas übers Ziel hinausgeschossen, als wir im Garten darauf warteten, daß die Uhr elf schlug. Meine Aufregung in der kritischen Phase des Wartens und meine etwas überflüssige Frage nach Herbert machten ihn doch sehr nachdenklich. Aber ich hatte eine Periode stärkster emotionaler Anspannung hinter mir, nach der solche Symptome nur allzu natürlich waren.

Nun möchte ich mich mit einem weiteren Schlag des bösartigsten und teuflischsten Zufalls beschäftigen, durch den viele meiner Berechnungen über den Haufen geworfen wurden. Natürlich beziehe ich mich auf den zehnminütigen Zeitunterschied der Uhren. Eine ganze Weile habe ich mich gefragt, warum Herbert, da er doch sein Licht zehn Minuten zu früh löschte und damit beinahe eine Katastrophe heraufbeschwor -, warum er dann, fragte ich mich, fast pünktlich Schlag elf der richtigen Zeit im Gouverneurszimmer ankommen konnte? Doch die Antwort darauf wurde vorweggenommen - ich bedaure, das zugestehen zu müssen - durch Dr. Fells Befragung der Bediensteten im Herrenhaus. Herberts Uhr ging vor. Doch während er in Martins Zimmer wartete, blickte er natürlich auf die Uhr dort. Zuvor hatte er dem Hausmädchen befohlen, alle Uhren entsprechend seiner eigenen Zeit vorzustellen, und er ging davon aus, daß sie das auch getan hatte. Und eine große Uhr mit der richtigen Zeit hing, wie Dr. Fell bereits herausgefunden hat, in Martins Zimmer. Deshalb also verließ Herbert das Herrenhaus zur richtigen Zeit. Im Gouverneurszimmer dagegen hatte er nur seine eigene Uhr und verließ dieses zur falschen Zeit.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der junge Amerikaner (vor dem ich übrigens höchsten Respekt habe) - ohne daß dies ein Schwachpunkt meiner Kalkulation gewesen wäre, denn es handelte sich um den simplen Zufall - in eine gefährliche Höhe emotionaler Anspannung gesteigert. Er bestand darauf, über die Wiese hinüberzurennen. Ich versuchte, ihn davon abzubringen, denn es wäre verhängnisvoll gewesen, wenn er dabei auf den soeben das Gefängnis verlassenden Herbert gestoßen wäre. Das hätte mein Verderben bedeutet. Ab ich aber sah, daß es sinnlos war, ihn davon abhalten zu wollen, folgte ich ihm. Aber das Schauspiel eines Geistlichen, der ohne Hut wie ein Junge auf einer Landpartie durchs Gewitter rannte, blieb nicht unbeobachtet durch Dr. Fell; doch meine Gedanken waren mit anderem beschäftigt. Und dann sah ich, daß geschah, was ich erhofft hatte und was ja auch natürlich war - er rannte in Richtung des Hexenwinkels und nicht zum Eingang des Gefängnisses.

Daraufhin hatte ich eine Eingebung, auf die ich allerdings nicht stolz sein kann, da sie ein Teil meines Charakters und nicht meine eigene Leistung ist. Mir ging nämlich auf, wie ich diese Gefahr in einen Vorteil verwandeln konnte. Ich rannte - wie es für einen Mann mit reinem Gewissen nur natürlich war - zum Eingang des Gefängnisses. Ich hatte Herbert eindringlich darauf hingewiesen, sein Licht, das er auf dem Weg zum Gefängnis unbedingt zeigen sollte, auf dem Rückweg unter keinen Umständen aufleuchten zu lassen; ein Fremder könnte ihn ja mit Martin auf dem Weg sehen und Verdacht schöpfen.

Zeitlich lief alles mit einer Genauigkeit ab, die ich nur als die Frucht meiner harten Arbeit ansehen kann. Der Amerikaner verlief sich bei Nacht und Regen, und ich hatte ausreichend Zeit, mit Herbert zusammenzutreffen. Ich überzeugte mich, daß er die Dokumente hatte.

Während wir dort im Gewittersturm standen, erzählte ich ihm in aller Kürze, daß er sich - glückliche Eingebung! - verkalkuliert hatte und zehn Minuten zu früh war, weshalb Martin die Pfarrei noch nicht verlassen hätte. Außerdem sagte ich ihm, die Beobachter hätten Verdacht geschöpft und seien hinter uns her. Er solle zu Fuß und auf Umwegen zurück zur Pfarrei eilen. Ich hatte wirklich Angst, daß er sein Licht doch noch sehen lassen könnte, und riß ihm deshalb die Lampe aus der Hand, um sie später irgendwo im Wald loszuwerden.

Doch eine weitere plötzliche Eingebung wies mir eine bessere Möglichkeit. Außer bei gelegentlichen Blitzen konnte der Amerikaner so gut wie nichts sehen. Deshalb zertrat ich die Lampe, und da ich mich beeilte, ihn zu finden, ließ ich sie einfach in der Nähe der Mauer fallen. In solchen Krisen verblüfft einen doch immer wieder der eigene Verstand durch die Schnelligkeit und feingesponnene Kunstfertigkeit seiner Entwürfe.

Nun hatte ich nichts mehr zu befürchten. Herbert ging zu Fuß. Es war unmöglich, daß der Amerikaner Martins Leiche nicht finden würde; sollte er sie aber doch verpassen, war ich darauf vorbereitet, selbst darüber zu stolpern. Woraufhin man mich, der ich das einzige Auto weit und breit besaß, nach Chatterham schicken würde, um die Polizei oder den Arzt zu holen. Dann hatte ich genügend Zeit, Herbert in der Pfarrei zu erwarten.

Muß ich noch betonen, daß alles genau so ablief? Ich hatte in dieser Nacht übermenschliche Aufgaben zu erledigen, doch ich habe mich ihnen kühn gestellt; und nachdem ich Martin nun einmal getötet hatte, hätte die unbeschreibliche Stimulanz dieser Tat mich noch zu einem Dutzend weiterer Taten treiben können. Bevor ich zu Dr. Markley fuhr, hielt ich - wie ich später auch dem Chief Constable sagte - kurz am Pfarrhaus, um mir, was nur natürlich war, einen Regenmantel zu holen.

Ich hatte mich etwas verspätet, und so kam ich kaum zehn Sekunden vor Herbert dort an. Es wäre vielleicht klüger gewesen, ihn nahe herankommen zu lassen und ihn mit dem Lauf direkt zu berühren, um möglichst wenig Geräusch zu verursachen. Doch das Pfarrhaus liegt sehr einsam, und es bestand eigentlich keine Gefahr, daß ein Revolverschuß gehört werden würde. Außerdem schien es mir in diesem Augenblick besonders sportlich zu sein, ihn aus einiger Entfernung zwischen die Augen zu treffen.

Dann zog ich meinen Regenmantel an und fuhr mit Dr. Markley zurück zum Gefängnis.

Um ein Uhr war unsere ganze Arbeit erledigt. Ich hatte nun bis Sonnenaufgang noch einige Stunden, in denen ich meine Vorkehrungen vervollständigen konnte. Niemals zuvor habe ich mich so gedrängt gefühlt, alles so fein aufzuräumen wie jemand, der Spaß daran hat, sein Zimmer mit größter Sorgfalt zu säubern. Ich hätte Herberts Leiche - zumindest für eine Weile - im Keller verbergen können, wo ja auch das Motorrad, die Tasche und gewisse Utensilien, die ich für Martin gebraucht hatte, versteckt waren. Doch ich wollte nicht zu Bett gehen, ohne daß mein Haus (wenn ich so sagen darf) ordnungsgemäß bestellt war. Außerdem wollte ich den Mord an Martin ja dessen Vetter in die Schuhe schieben und durfte nichts dem Zufall überlassen.

Alles, was ich tat, tat ich in dieser Nacht. Es war keine schwere Arbeit, denn der Körper wog nicht sehr viel. Ich kannte den Weg im Schlaf und brauchte nicht mal eine Lampe. Wie oft war ich doch, einsam und allein, durch das Gefängnis gestreift, hatte auf dessen Mauern gestanden (häufig, fürchte ich, nicht ungesehen) und war historische Korridore entlangspaziert, ein passendes Zitat auf den Lippen... Ich kannte also meinen Weg auch im Dunkeln. Nun, da die Starberth-Schlüssel in meinem Besitz waren, hatte ich Zugang zum Gouverneurszimmer. Ich war immer unsicher gewesen, ob die Tür zum Balkon überhaupt abgeschlossen war oder nicht; auf jeden Fall konnte ich sie jetzt - dank der Schlüssel -öffnen. Das tat ich, und mein Plan war komplett.