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Am Ende des Stückes beugte sich Orla zu Fidelma hinüber. »Wie du siehst, können selbst wir armen Heiden uns an unserer Musik erfreuen.«

Fidelma überhörte Orlas verborgene Spitze.

»Mein Mentor, der Brehon Morann von Tara, sagte einmal, wo Musik ist, kann es nichts Böses geben.«

»Eine weise Bemerkung«, stimmte ihr Laisre zu. »Nun wähle ein Lied, Fidelma, und meine Musiker werden dir eine Probe ihres Könnens geben.«

Zu dem Spieler der cruit hatte sich ein weiterer Harfenspieler mit einer ceis, einer kleineren, viereckigen Harfe, gesellt, mit der er die cruit begleitete. Die Gruppe wurde vervollständigt durch ein timpan, ein Instrument mit acht Saiten, das mit Bogen und Plek-tron gespielt wurde, und einen Pfeifer mit seinem cruisech.

Bei einem Festmahl wurden vorzugsweise drei Arten von Musik vorgetragen. Gen-traige regte die Zuhörer zu Fröhlichkeit und Lachen an und schloß auch lebhafte Tanzweisen ein; gol-traige drückte Kummer und Klage aus, hier vernahm man unter anderem traurige Lieder auf den Tod von Helden; süan-traige war eine sanftere Art von Musik, dazu gehörten Liebesund Schlaflieder.

Die Musik war ein wesentlicher Teil von Fidelmas Kindheit gewesen. Im Palast von Cashel mangelte es nie an Musikanten, Sängern und Balladendichtern.

Sie dachte noch über die Wahl eines Liedes nach, als Murgal, der neben Bruder Solin am Nebentisch saß, sich mühsam auf die Füße stellte. Sein Gesicht war gerötet, und Fidelma sah sofort, daß er dem Wein reichlich zugesprochen hatte.

»Ich kenne ein Lied, das nach dem Geschmack einer Eoghanacht-Prinzessin sein wird«, spottete er. »Das werde ich singen:

>Die Burg auf dem großen Felsen von Muman, Einst gehörte sie Eoghan, einst gehörte sie Conall, Sie gehörte Nad Froich, sie gehörte Feidelmid, Sie gehörte Fingen, sie gehörte Failbe Fland, Jetzt gehört sie Colgü; Die Burg überlebt einen jeden und seine Zeit -Und die Könige schlafen in der Erde.<«

Die Krieger an ihrem Tisch brüllten vor Lachen, und manche klopften vor Begeisterung mit ihren Messergriffen auf die Holzplatte.

Es war unzweifelhaft, was Murgal damit sagen wollte: Die Autorität der Könige von Cashel bestand nur vorübergehend.

Laisres Gesicht drückte Zorn aus.

»Murgal, der Wein steckt in dir, und dein Verstand ist draußen! Willst du deinen Fürsten beleidigen, indem du ihn in den Augen seiner Gäste herabsetzt?«

Murgal wandte sich seinem Fürsten zu und lächelte einfältig. Der Wein machte ihm Mut.

»Deine Besucherin von den Eoghanacht wollte ein Lied hören. So habe ich eins zu Ehren ihres Bruders in Cashel gesungen.«

Noch immer lächelnd, ließ er sich schwerfällig nieder. Fidelma sah, daß Bruder Solin über ihre vermeintliche Verlegenheit schmunzelte. Ihr fiel eine junge Frau an der anderen Seite Murgals auf, eine schlanke, recht attraktive blonde Frau. Sie verzog keine Miene und schaute vor sich auf den Tisch, sichtlich peinlich berührt von ihrem betrunkenen Nachbarn.

Laisre wollte sich bei Fidelma entschuldigen, doch sie hatte sich erhoben. Sie lächelte leise, als genieße sie Murgals Scherz.

»Murgal hat ein hübsches Lied gedichtet«, erklärte sie den Anwesenden, »wenn ich auch schon bessere gehört habe und vor allem besser gesungene. Vielleicht darf ich darauf mit der jüngsten Komposition der Barden von Cashel erwidern?«

Ohne sich zu zieren, warf sie das Haar zurück und sang, zuerst leise, dann mit größerer Klangfülle. Fidelmawar musikalisch begabt, und ihr heller Sopran ließ es in der Festhalle ganz still werden.

»Er ist kein Ast an einem dürren Baum, Colgü, der Prinz der Eoghanacht, Der Sohn Failbe Flands von den edlen Taten, Erhabener Abkomme von Eoghan Mor, Sproß des Geschlechts von Eber dem Schönen, Der über Eireann herrschte vom Ufer des Boyne Nach Süden bis zur Woge von Cliodhna. Er ist vom Stamm eines echten Prinzen, Ein Baum erwachsen aus den Wurzeln Des heiligen Forsts von Eireann, Der rechtmäßige Erbe von Milesius, Frucht der großen Ernte vieler Bäume, Deren jeder so alt wie die älteste Eiche, Die Krone über einer Vielzahl von Zweigen.«

Sie setzte sich inmitten eines verlegenen Schweigens. Eadulf hatte nicht alle Nuancen dieses Wechselspiels begriffen und nur gehört, daß Fidelma ein wunderschönes Lied gesungen hatte, und nun, vom Alkohol beflügelt, begann er laut zu klatschen. Sein Applaus veranlaßte Laisre schließlich, seinem Beispiel zu folgen, und bald erschallte höflicher Beifall in der Halle. Als er erstarb, gab Laisre den Musikern ein Zeichen, leise aufzuspielen.

Mit ihrem Lied hatte Fidelma Murgal geantwortet, der höhnisch darüber gespottet hatte, daß die Könige von Cashel sterblich seien und ihre Macht von kurzer Dauer sei. Sie hatte darauf hingewiesen, daß die Eog-hanacht ihre Herkunft auf Eber, den Sohn von Mile-sius, zurückführten, den Anführer der Milesier, die als erste Gälen in Irland gelandet waren. Von Eber stammte Eoghan Mor ab, der Begründer des Königshauses der Eoghanacht. Auf geschickte Weise erinnerte das Lied ihre Zuhörer daran, welchen Rang sie besaß.

Laisre schaute sie reuig an.

»Ich entschuldige mich für Murgals Mangel an Takt.«

Er meinte damit die strenge Regel, daß ein Gast in der Festhalle nicht gekränkt werden durfte.

Fidelma antwortete ohne Groll.

»Wie du richtig bemerkt hast, Laisre, war es der Wein, der ihn sich vergessen ließ. Allerdings, wie Theognis einmal sagte, der Wein enthüllt das Wesen eines Menschen.«

Der Schall einer Ohrfeige kam so unerwartet, daß die leise Musik des cruit-Spielers verebbte, denn es folgten weitere Geräusche rasch aufeinander. Erst stürzte ein Stuhl rücklings um, Geschirr zerschellte am Boden und ein unterdrückter Zornesruf war zu hören. Alle Augen in der Festhalle richteten sich auf den Tisch, an dem Murgal wieder schwankend stand, doch jetzt hielt er sich mit einer Hand die sich rötende Wange, und seine Blicke funkelten wütend die blonde Frau an, die neben ihm gesessen hatte und die jetzt auch aufgesprungen war und dem Druiden gegenüberstand.

Es war die schlanke Frau, die Fidelma aufgefallen war. Ihr Gesicht war von Zorn verzerrt.

»Schwein und Schweinesohn!« zischte sie, drehte sich abrupt um und stürmte aus der Halle, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Eine rundliche Frau erhob sich an einem anderen Tisch, schaute Murgal ärgerlich an und trottete ebenfalls hinaus. Fidelma erkannte in ihr die Gästehausverwalterin Cruinn.

Murgal schien vor Zorn zu beben und verließ dann auch die Halle. Einen Moment später stand einer der Krieger auf, der blonde Rudgal, und folgte Murgal eilig.

Fidelma wandte sich mit einem fragenden Blick an Laisre.

»Eine Familienangelegenheit, vermute ich?« erkundigte sie sich unschuldig.

»Nein, Marga ist nicht Murgals Frau«, warf Orla boshaft ein, bevor ihr Bruder antworten konnte. »Aber Murgal schaut gern nach anderen.«

Esnad, Orlas junge Tochter, fing an zu kichern, doch als sie die grimmige Miene ihres Vaters Colla bemerkte, schmollte sie und verstummte.