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Laisre war leicht errötet. »Das ist nichts, worüber man vor Gästen bei einem Fest redet«, fuhr er seine Schwester an. Orla schnitt ihrem Bruder eine ärgerliche Grimasse und lehnte sich zurück. Laisre wandte sich in ruhigerem Ton an Fidelma.

»Sagen wir, der Wein kann auch die Besten von uns zu Flegeln machen«, meinte er und versuchte den Vorfall ins Scherzhafte zu ziehen.

»Wein ist wie Regen. Fällt er in den Sumpf, macht er ihn noch schlimmer, fällt er aber auf guten Boden, läßt er ihn erblühen und erstrahlen«, bemerkte Colla, der seit einiger Zeit geschwiegen hatte. Es war klar, daß er nicht viel von Murgal hielt.

»Diese Marga ist eine attraktive Frau«, meinte Fidelma. »Wer ist sie?«

»Sie ist unsere Apothekerin«, antwortete Laisre zurückhaltend. Fidelma nahm die Röte auf seinen Wangen wahr. Dann fügte er wie zur Antwort auf ihre Worte hinzu: »Ja, eine attraktive Frau.«

Fidelma war überrascht.

»So jung und schon Apothekerin!«

»Sie hat alle gesetzlichen Bedingungen erfüllt«, rechtfertigte sich Laisre.

»Das hätte ich auch nicht anders erwartet.« Fidel-mas sanfte Erwiderung hatte einen leicht tadelnden Unterton. »Wohnt sie im rath?«

»Ja. Warum fragst du?« schaltete sich Colla ein.

»Ach«, wechselte Fidelma das Thema angesichts des Mißtrauens, das aus Collas Worten sprach, »es ist immer gut, zu wissen, wo man einen Apotheker findet.«

Einer der Musiker hatte das endlos lange Lied wieder aufgenommen, in dem er unterbrochen worden war. Er sang es ohne Instrumentalbegleitung, seine Stimme hob und senkte sich. Es war ein uraltes Lied von einem jungen Mädchen, das von unsichtbaren Mächten auf einen Berggipfel gelockt wurde, wo sie das Schicksal fand, das die Götter ihr bestimmt hatten. Fidelma verspürte plötzlich Mitgefühl mit der Heldin des Liedes. Etwas hatte sie in dieses Tal gezogen, und anscheinend waren unsichtbare Mächte dabei, ihr Schicksal zu bestimmen.

Kapitel 7

Es war noch früh, als Fidelma beschloß, die Festhalle zu verlassen. Die Musik spielte, und Wein und Met machten die Runde. Sie entschuldigte sich bei Laisre und erklärte ihm, sie sei ermüdet von der langen Reise von Cashel hierher. Er erhob keinen Einwand. Als sie durch die Halle ging, gab sie Eadulf ein heimliches Zeichen, ihr zu folgen. Er stand etwas unsicher und unwillig auf und kam ihr nach. Ihm war bewußt, daß er ein bißchen mehr getrunken hatte, als für ihn gut war, und er versuchte es dadurch zu verbergen, daß er sich langsam und bedächtig bewegte.

Draußen war es überraschend hell. Der Mond war voll und hing wie eine leuchtende weiße Kugel am wolkenlosen Himmel. Das Himmelszelt funkelte vom Licht zahlloser Sterne. Fidelma wartete an der Tür auf ihn. Ihr war sein unsicherer Gang nicht aufgefallen.

»Wir laufen um die Mauern des rath herum.« Es war mehr ein Befehl als ein Vorschlag. Sie ging voran, die Stufen zu dem Umgang hinauf. Ein sanfter Nachtwind fuhr ihr durchs Haar. Sie bemerkte schattenhafte Gestalten ein Stück weiter auf dem Umgang, junge Männer und Frauen, die sich vom Fest entfernt hatten, um ihren Liebschaften zu frönen, deshalb blieb sie stehen und schaute zum Nachthimmel auf. Gedämpft vernahm man Gelächter und den leisen Klang der Musik. Unten auf dem Hof lachte eine Frau lüstern auf, und ihr männlicher Gefährte stimmte in tieferer Tonlage ein. Fidelma verbannte die äußerlichen Geräusche aus ihrem Sinn, atmete leise und genoß den atemberaubenden Anblick des prachtvollen Nachthimmels.

»Caeli enarrant gloriam Dei«, flüsterte sie.

Eadulf lehnte neben ihr an der Mauerbrüstung und erfaßte ihre Worte. Er rieb sich die Stirn und versuchte sich zu konzentrieren. Er wußte, sie stammten aus einem Psalm.

»Die Himmel erzählen die Ehre Gottes«, übersetzte er beifällig und bemühte sich, die Worte nicht zu ver-schleifen.

»Psalm neunzehn«, bestätigte Fidelma und blickte weiter zum Himmel. Doch dann wandte sie sich plötzlich ab. »Ist dir was, Eadulf? Deine Aussprache klingt merkwürdig.«

»Ich fürchte, ich habe etwas zuviel Wein getrunken, Fidelma.«

Sie schnalzte mißbilligend mit der Zunge.

»Na, ich laß dich nicht eher gehen, als bis du mir berichtest, was du von Bruder Solins Schreiber, dem jungen Dianach, erfahren hast.«

Eadulf verzog ärgerlich den Mund. Dann stöhnte er, als sich die Welt für einen Moment um ihn drehte.

»Was ist?« fragte Fidelma besorgt, als er sich über die Stirn strich.

»Schlechter Wein und noch schlechterer Met.«

»Erwarte kein Mitleid von mir«, belehrte ihn Fidelma. »Nun rede von Bruder Dianach.«

»Entweder ist er ein sehr naiver junger Mann oder aber ein vollendeter Schauspieler. Er ließ sich nicht entlocken, wozu Solins Besuch hier dient. Er behauptet, Bruder Solin habe ihm das nicht anvertraut.«

Enttäuscht schob Fidelma die Unterlippe vor.

»Glaubst du ihm das?«

»Wie gesagt, es ist schwer zu entscheiden, ob er ganz harmlos oder ein raffinierter Schwindler ist.«

»Bruder Solin behauptet, er sei lediglich von Armagh hergekommen, um die Stärke des Glaubens in den entlegenen Gegenden der fünf Königreiche zu prüfen«, überlegte Fidelma laut.

»Warum sollte das nicht wahr sein?«

»Warum schickt Ultan dann nicht jemanden zu den kirchlichen Zentren der fünf Königreiche und läßt bei den Äbten und Bischöfen nachfragen? Die könnten alles berichten, was er wissen will, und er hätte in einer Woche, wozu Bruder Solin hier ein Jahr braucht. Das ist doch unlogisch.«

Eadulf war noch zu benommen vom Wein, um sich andere Möglichkeiten auszudenken, und ging nicht weiter darauf ein.

»Ich wußte gar nicht, daß du so gut singen kannst«, wechselte er plötzlich das Thema.

»Es kam nicht auf mein gesangliches Können, sondern auf die Bedeutung des Liedes an«, antwortete Fidelmamit grimmiger Befriedigung. »Hast du die Szene mit Murgal bemerkt? Ich meine den Zwischenfall mit der Frau, nicht das Lied.«

»Ich glaube kaum, daß irgend jemand im Saal das nicht mitbekommen hat. Sie ist recht hübsch.«

»Hast du den Grund für die Auseinandersetzung erkannt?«

»Ich denke, Murgal hat versucht, sich der jungen Frau zu freundschaftlich zu nähern, und ihr war seine Lüsternheit zuwider.«

Das paßte ganz gut zu Orlas bissiger Bemerkung über Murgal.

Fidelma starrte hinaus auf das schattenhafte, vom Mond beschienene Tal. Es war ein unheimlicher und doch auch schöner Anblick.

»Was hältst du von dieser heidnischen Welt, Ea-dulf?« fragte sie nach einer Weile.

Eadulf überlegte einen Moment, bevor er antwortete. Er bemühte sich, seine benebelten Gedanken zu ordnen.

»Nicht mehr und nicht weniger als von jeder anderen Welt. Hier gibt es Menschen, ob nun Heiden oder nicht, mit demselben schlechten Benehmen, denselben Eifersüchteleien und Anmaßungen wie an jedem Ort der Christenheit. Aber je eher du deinen Auftrag erfüllst, desto eher können wir von hier fort. Ich ziehe die lockere Fröhlichkeit im Palast deines Bruders in Cashel vor.«

»Hast du nicht etwas vergessen?« Fidelma klang leicht belustigt.

»Vergessen?« Eadulf stöhnte, er dachte mehr an sein Bett als an alles andere. »Was vergessen?«

»Dreiunddreißig junge Männer, die am Eingang zu diesem Tal hingeschlachtet wurden.«

»Ach so, das!« Eadulf schüttelte den Kopf. »Nein, das habe ich nicht vergessen.«

»»Das!« ahmte ihn Fidelma nach und fuhr dann fort: »Es mag hier Leute geben mit denselben Gefühlen wie überall in der Christenheit, aber es gibt auch etwas Böses, was diesen Ort überfallen hat, und ich werde nicht ruhen, bis ich entdeckt habe, was es ist.«

»Ich dachte, du willst abwarten, was Colla, der Ta-nist, feststellt«, erwiderte Eadulf und versuchte vergeblich, ein Gähnen zu unterdrücken.