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Fidelma stieß Eadulf leicht an.

»Ist das nicht Murgals Nachbarin vom gestrigen Fest?« flüsterte sie. Eadulf hob seine trüben Augen und erkannte die Frau sofort, obwohl sie jetzt Mantel und Kapuze trug. Sie hatte ein schlichteres Kleid als am Abend zuvor an.

Fidelma ging sofort auf sie zu, und Eadulf folgte ihr.

»Du bist Marga, nicht wahr?«

Die Frau wandte sich ihr zu. Fidelma schaute in hellblaue Augen, so hell, daß sie sie an Eis erinnerten. Das blasse Gesicht war ausdruckslos. Das lange Haar hatte die Farbe reifen Korns. Fidelmas Urteil vom vorigen Abend erwies sich als richtig. Die Frau war hübsch. Dabei blieb es. Marga war groß, und trotz des langen, weiten schwarzen Mantels, der ihre Blässe und ihr blondes Haar noch betonte, wußte Fidelma vom Vorabend, daß ihr Körper geschmeidig und wohlgeformt war und sie sich katzenhaft leicht bewegte.

Ihre Stimme klang wie ein zischendes Flüstern.

»Ich kenne dich nicht, Fidelma von Cashel. Wieso ist dir mein Name geläufig?«

»Deinen Namen hat man mir genannt, so wie man dir meinen genannt hat, und also begrüße ich dich. Irre ich mich, wenn ich dich für die Apothekerin Marga halte?«

»Ich heiße Marga und heile im Namen der Göttin Airmid, die Dian Cechts geheime Quelle der Heilung hütet.«

Diese Aussage sollte Fidelma herausfordern, doch die ging nicht darauf ein.

Airmid war eine der alten Göttinnen. Fidelma kannte die Geschichte gut. Sie war die Tochter des Gottes der Heilkunst, Dian Cecht, und die Schwester von Miach, der auch Arzt und Gott war. Als Miach sich als ein besserer Arzt erwies als sein Vater, erschlug der zornige Gott seinen Sohn. Aus seinem Grabe erwuchsen dreihundertundfünfundsechzig heilende Kräuter. Airmid soll die Kräuter vom Grabe ihres Bruders gesammelt und auf ihrem Mantel in der Reihenfolge ihrer verschiedenen heilenden Eigenschaften ausgelegt haben. Doch Dian Cecht war immer noch eifersüchtig auf Miach, kehrte den Mantel wütend um und warf die Kräuter hoffnungslos durcheinander, damit kein Mensch das Geheimnis erfahre, wie man durch ihren Gebrauch unsterblich werden könne.

»Möge dir Gesundheit beschieden sein, Heilerin Marga«, antwortete Fidelma ernst. »Ich hoffe, du hast einige der Geheimnisse gelernt, die dein Gott Dian Cecht uns vorenthalten wollte.«

Margas Augen weiteten sich leicht.

»Stellst du mein Wissen in Frage, Fidelma von Cas-hel?« flüsterte sie drohend.

»Warum sollte ich das?« fragte Fidelma harmlos. Sie merkte, wie leicht erregbar das Mädchen war. »Meine Kenntnis der alten Sagen ist bescheiden. Doch jeder weiß, was Dian Cecht im Zorn tat, um zu verhindern, daß die Sterblichen die Heilkunde in ihrem ganzen Umfang beherrschen. Ich dachte ...«

»Ich weiß, was du dachtest«, fauchte Marga und griff dem Esel ins Geschirr. »Entschuldige mich, ich habe viel zu tun.«

»Das haben wir alle, jeder auf seine Weise. Doch es gibt ein paar Fragen, die ich dir stellen möchte.«

Marga brauste sofort auf.

»Aber ich möchte sie nicht beantworten. Und jetzt .«

Sie wollte gehen, Fidelma streckte jedoch lächelnd die Hand aus und hielt sie zurück. Fidelma hatte einen festen Griff, und Marga zuckte leicht zusammen.

»Ich wüßte nicht, wann ich dir meine Fragen sonst stellen sollte.« Fidelma musterte den Karren. »Du hast anscheinend Kräuter und Pflanzen zum Heilen gesammelt?«

Marga blieb unzugänglich.

»Wie du deutlich sehen kannst«, erwiderte sie steif.

»Und du übst deine Heilkunst im rath aus?«

»Ja.«

Ihre Augen suchten unwillkürlich die andere Seite des Hofes ab und blieben an einem hohen, dreistök-kigen Gebäude hängen, das an einer Seite einen eigenartigen niedrigen Turm besaß. Fidelma war ihrem Blick gefolgt und sah an einer Ecke einen Laden. Außen an der Tür hingen Bündel getrockneter Kräuter.

»Ist das deine Apotheke?«

Marga zuckte fast unverschämt die Achseln, doch Fidelma schien das nicht zu rühren.

»Ich sehe nicht ein, was diese Fragen für einen Zweck haben«, sagte die blasse Kräutersammlerin ungeduldig.

»Verzeih mir«, erwiderte Fidelma reuig. »Es geht um meinen Freund hier .«

Die hellblauen Augen glitten über ihn hinweg, ohne ihren Ausdruck zu verändern.

»Sieh mal«, fuhr Fidelma vertraulich fort, »mein Freund hat sich gestern abend zuviel Rebensaft einverleibt.«

»Wein aus Gallien!« Marga rümpfte die Nase. »Er verdirbt beim Transport, wenn er nicht sehr gut ist. Aber Laisre kann sich keinen besseren leisten, außer für sich und seine Familie. Na, es gab noch viele andere, die mehr davon getrunken haben, als ihnen guttat.«

»Meinst du Murgal?« fragte Fidelma rasch.

Es trat eine Pause ein.

»Du hast scharfe Augen, Christin. Ja, ich meine Murgal. Aber das geht dich nichts an .«

»Natürlich nicht«, lächelte Fidelma. »Mein Freund hier braucht ein Kräutermittel gegen sein Unwohlsein. Er dachte, er könnte bei dir eins kaufen.«

Eadulf war überrascht von dieser Lüge, denn er wußte mehr über Kräutermittel als die meisten anderen, er hatte ja Medizin studiert. Marga schaute ihn säuerlich an. Eadulf errötete unter ihrem vernichtenden Blick.

»Ich nehme an, du hast Kopfschmerzen und Magenbeschwerden?«

Eadulf nickte, er traute sich nicht zu sprechen.

Die Apothekerin drehte sich um und suchte in ihrem Karren. Sie zog einen Stengel mit ein paar grundständigen, lanzettförmigen Blättern hervor, die weiter oben am Stengel immer kleiner wurden. Eadulf erkannte sie sofort: Fingerhut. Er war häufig genug in Hecken, Gräben und an bewaldeten Abhängen zu finden.

»Verwende nur die Blätter, koche sie in Wasser. Den Aufguß trinkst du. Er schmeckt sehr bitter, aber später wirst du die lindernde Wirkung spüren. Hast du das verstanden, Angelsachse?«

»Ja«, antwortete Eadulf ruhig.

Er nahm die Blätter entgegen und langte in seinen Beutel.

»Ein screpall ist die kleinste Münze, die ich habe«, murmelte er und reichte sie ihr. Marga wehrte ab.

»Für Münzen haben wir keine Verwendung in unserem Tal, Angelsachse. Wir verlassen uns hauptsächlich auf den Tauschhandel, auch im Verkehr mit der Welt da draußen. Behalte deine Münze und nimm die Blätter als milde Gabe einer Heidin an einen Christen.«

Eadulf wollte sich bedanken, doch Fidelma unterbrach ihn mit einem Lächeln.

»Ich vermute, eine Reihe von Leuten leiden unter den Folgen des schlechten Weins?«

»Nicht viele. Wer lieber Wein trinkt als Met, hat auch die Fähigkeit entwickelt, seine Wirkung abzuschätzen.«

»Waren gestern abend trotzdem einige davon betroffen?«

Marga zuckte die Achseln.

»Einige wenige. Die meisten dieser Schweine liegen jetzt herum und schlafen sich aus.«

»Trinkt Murgal immer so viel?«

Margas Brauen zogen sich aufgebracht zusammen, doch dann beruhigte sie sich offenbar.

»Nun, er hat mich nicht um Hilfe gebeten, und ich hätte sie ihm auch nicht gewährt. Dafür spende ich dir Beifall, Fidelma von Casheclass="underline" Gestern abend hast du es dem Schwein richtig gegeben.«

»Du magst ihn nicht?«

»Ist dir das nicht aufgefallen?« fragte Marga spöttisch.

»Allerdings.«

»Murgal denkt, er kann sich alles nehmen, was er will. Er hat es gewagt, mich mit seinen schweißigen Pfoten anzufassen. Jetzt weiß er wohl, daß er sich solche Freiheiten nicht erlauben darf.«

»Ich verstehe«, sagte Fidelma ernst.

Marga starrte sie mißtrauisch an »Ist es das, was du wissen wolltest?« fragte sie mürrisch.

»Nicht alles.« Fidelma lächelte. »Eadulf brauchte wirklich etwas, was ihm seine Niedergeschlagenheit austreibt.«

Marga sah sie einen Moment argwöhnisch an, dann packte sie den Esel am Kopf und führte ihn über den Hof fort. Plötzlich blieb sie stehen und wandte sich Eadulf zu.