Выбрать главу

Fidelma ließ sich schnell etwas einfallen.

»Ich wollte Bruder Eadulf nur zeigen, wo sich die Bibliothek befindet, falls wir morgen noch etwas nachschlagen müssen.«

»Ach so.« Laisre zuckte die Achseln. »Morgen ist genug Zeit zum Arbeiten. Ihr solltet beim Fest sein. Ja, ich weiß«, fuhr er hastig fort, »du hast mir von deinem religiösen geis erzählt.«

»Ich dachte, du wärst auf dem Fest«, konterte Fidelma. »Ich höre die Musik, also ist es noch im Gange.«

»Ich mußte das Fest für kurze Zeit verlassen«, erwiderte Laisre, »Murgal brauchte noch eine Anweisung für morgen. Er ist so früh nach Hause gegangen, daß ich sie ihm vorhin nicht mehr geben konnte. Ich gehe jetzt zurück zur Festhalle. Seid ihr sicher, daß ihr nicht mitkommen wollt?«

Fidelma schüttelte den Kopf.

»Das geis dauert vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung«, erwiderte sie und wünschte, Ea-dulf würde nicht so verständnislos dreinschauen. »Wir hätten uns schon zur Ruhe begeben sollen, wollten nur noch einen Blick in das Haus mit der Bibliothek werfen.«

»Dann wünsche ich euch eine gute Nacht.«

Laisre nickte ihnen freundlich zu und verließ das Gebäude.

Fidelma und Eadulf standen am Fuße der Treppe. Laisre hatte die Tür nicht geschlossen, und so konnten sie sehen, wie er den gepflasterten Hof überquerte. Er war noch nicht weit gegangen, als eine rundliche Person aus dem Schatten auftauchte und sich ihm in den Weg stellte. Fidelma und Eadulf erkannten sofort Cruinn, die Verwalterin des Gästehauses. Sie schien aufgeregt und faßte den Fürsten sogar am Arm. Ihm war das anscheinend unangenehm, er blickte sich zur Tür um, doch Fidelma und Eadulf standen tief im Schatten. Laisre zog die dicke Verwalterin rasch zur Seite. Sie hörten noch, wie er leicht die Stimme hob, als wolle er sie beruhigen.

Fidelma legte den Finger an die Lippen und winkte Eadulf, ihr zu folgen. Sie wollte sich der Stelle nähern, an der Laisre und Cruinn miteinander sprachen. Doch da drang von irgendwo aus dem Gebäude eine andere Frauenstimme an ihre Ohren. Eine Tür öffnete sich im Flur und wurde wieder zugeschlagen. Fidelma schob Eadulf rasch hinaus in die Nacht und schloß die Tür hinter ihnen.

Laisre und Cruinn waren inzwischen verschwunden, und sie hatten sich erst wenige Schritte entfernt, als sich die Tür hinter ihnen öffnete und Rudgal herausgeeilt kam. Er zögerte und blieb stehen, als er sie erblickte.

»Ist Murgal hier eben vorbeigekommen?« fragte er atemlos.

»Nein, wir haben Murgal heute nachmittag noch gar nicht gesehen«, antwortete Fidelma.

Rudgal hob kurz dankend die Hand und stürmte davon.

»Das scheint hier ein ziemlich unruhiger Ort zu sein«, murmelte Eadulf und unterdrückte ein Gähnen.

Fidelma stimmte ihm zu, ohne es spaßig zu finden. Es wurde Zeit, schlafen zu gehen. Vielleicht war Bruder Solins nächtliches Abenteuer für sie ohnehin unwichtig.

Sie gingen zurück zum Gästehaus. Immer noch drangen die Geräusche des Festes von der Halle herüber. Eadulf wünschte Fidelma eine gute Nacht und begab sich sofort in seinen Schlafraum. Fidelma blieb noch eine Weile im Hauptraum des Gästehauses sitzen. Sie trank einen Becher Met und ließ sich alles noch einmal durch den Kopf gehen. Am Ende mußte sie einsehen, daß Eadulf recht hatte. Es nützte nichts, dieselben Erkenntnisse immer wieder hin und her zu wälzen, ohne etwas hinzufügen zu können, was einen neuen Weg eröffnete. Schließlich ging sie zu Bett und schlief bald ein.

Kapitel 11

Etwas hatte sie geweckt.

Sie war sich nicht sicher, was es war. Es war noch dunkel. Sie lag auf ihrem Bett und horchte gespannt. Dann erkannte sie die Ursache. Es waren flüsternde Stimmen. Sie waren leise, doch eindringlich genug, um ihren unruhigen Schlaf zu stören.

»Nun gut. Es muß geschehen.«

Sie versuchte die Stimme zu erkennen. Nach einigen Augenblicken wurde ihr klar, daß sie Bruder Dia-nach gehörte und daß die Stimmen aus seinem Schlafraum kamen. Die Räume waren nur durch Bretterwände abgeteilt, die den Schall nicht sehr dämpften.

Sie bewegte sich nicht, sondern lauschte aufmerksam auf die andere Stimme. Sie ahnte schon, wer die zweite Person war. Und richtig.

»Gib mir das Pergament, und ich reiche es an ihn weiter.«

Das war Bruder Solins Stimme.

»Ich habe es hier.«

Solin zischte: »Nicht so laut, Junge, sonst weckst du noch unsere anderen Gäste. Das wollen wir doch vermeiden.«

Bruder Dianach stieß ein eigenartiges Lachen aus.

»Der Angelsachse wird nicht wach. Der hat genug Met und Wein intus, daß er eine Woche lang schläft. Horch mal, dann kannst du ihn schnarchen hören wie ein Schwein!«

»Rasch jetzt!« Bruder Solin wurde ungeduldig. »Es ist wichtig, daß ich die Verabredung einhalte.«

»Hier ist das Pergament, Bruder.«

Es trat Stille ein, als prüfe Solin das, was man ihm übergeben hatte.

»Gut. Jetzt schlaf weiter. Morgen früh berichte ich dir. Wenn alles gut geht, fällt Cashel uns zu, bevor der Sommer herum ist.«

Fidelma fuhr mit einem Ruck auf. Es war eine unwillkürliche Reaktion. Glücklicherweise ging sie in Solins Aufbruch unter. Mit klopfendem Herzen saß Fidelma einen Moment da. An den leisen Schritten konnte sie hören, wie Solin auf Zehen an ihrem Schlafraum vorbeischlich. Sie schwang sich aus dem Bett und zog ihre Kutte und ihre lederbesohlten Schuhe an.

Als sie am oberen Ende der Treppe war, hatte Solin bereits das Gästehaus verlassen, aber sie durfte nicht zu schnell hinunterlaufen, um nicht Bruder Dianach zu alarmieren. Es blieb keine Zeit, Eadulf zu wecken, der im Raum gegenüber schlief. So schnell es ging, glitt sie die Treppe hinunter und lief hinaus in die kalte Dunkelheit des frühen Morgens.

Die Nacht war still, so ruhig. Doch der Mond, nicht mehr ganz voll, schien hell mit einem weißen Licht, das den Hof in einen unheimlichen Glanz tauchte. Bruder Solin eilte leise über den Hof. Sie konnte sehen, daß er etwas Weißes zusammengerollt in der Hand trug. Sie mußte im Schatten der Tür des Gästehauses warten, denn das Mondlicht war zu hell, als daß sie sich gleich hinter ihm über den Hof wagen konnte.

Bruder Solin verschwand um die Ecke des Gebäudekomplexes, dem sie und Eadulf wenige Stunden zuvor einen Besuch abgestattet hatten. Erst als er außer Sicht war, ging sie ihm nach. An der Ecke blieb sie stehen und spähte vorsichtig um sich. Vergeblich, denn von Bruder Solin war nichts zu sehen, es gab kein Anzeichen, welchen Weg er eingeschlagen hatte. Im ganzen rath brannten Fackeln und verstärkten das eigenartige flackernde Halblicht auf den Gebäuden. Die stämmige Figur Bruder Solins war nirgends zu entdecken, es gab auch keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Der Hauptweg führte direkt zu den Pferdeställen, sie machte ein paar zögernde Schritte in diese Richtung, blieb dann stehen und zuckte die Achseln.

Es hatte keinen Zweck, Solin weiter zu suchen. Er hatte sich verkrochen. Es blieb ihr kaum etwas anderes übrig, als zum Gästehaus zurückzukehren. Was hatte Bruder Solin gemeint? Cashel würde jemandem zufallen, bevor der Sommer herum ist. Das hatte er gesagt. Der Sommer dauerte nur noch einen Monat. Welche Bedrohung gab es und welchen Anteil hatte Solin daran? Daß der Schlüssel zu dem Geheimnis bei Solin lag, das war ihr nun völlig klar. Doch zu welchem Geheimnis?

Plötzlich hörte sie ein Geräusch wie von einem Handgemenge. Sie lauschte angestrengt. Es kam aus der Richtung der Pferdeställe. Leise bewegte sie sich auf den Eingang des Stalls zu. Über der Tür brannte eine Fackel und warf einen zuckenden Lichtkreis.

Hatte sie einen erstickten Schrei gehört, langgezogen wie im Todeskampf? Sie wartete ein paar Augenblicke auf ein weiteres Geräusch.

Plötzlich trat eine Gestalt aus der Stalltür und sah sich vorsichtig um. Sie war von Kopf bis Fuß in einen langen Kapuzenmantel gekleidet und hielt die Kapuze mit einer Hand vor den unteren Teil des Gesichts. Nur Augen und Nase waren sichtbar. Es war eine schlanke Gestalt, das konnte Fidelma erkennen trotz des verhüllenden Mantels. Als die Gestalt den Weg entlangschaute, fiel das Licht der Fackel auf den sichtbaren Teil ihrer Züge - nur für einen Moment und mit tanzenden Schatten, die die genauen Umrisse verbargen. Dennoch hatte Fidelma keinen Zweifel, daß sie die unverwechselbaren dunklen Augen und Gesichtszüge Orlas erblickt hatte.