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»Klug oder nicht, wir möchten, daß du uns zu Art-gals Hof führst, damit wir die Kühe in Augenschein nehmen können. Selbst ein König kann einem dalaigh nicht verbieten, ein Verbrechen zu untersuchen. Ein König ist ein Diener des Gesetzes, nicht sein Herr.«

»Ich bezweifle nicht, daß es klug ist, der Sache weiter nachzugehen, aber du solltest wissen, daß trotz Laisres Anordnung, Artgal dürfe den rath nicht verlassen, er es doch getan hat. Er ist nirgends zu finden. Artgal könnte die Absicht hegen, dir zu schaden, wegen des Unglücks, das du über ihn gebracht hast.«

Fidelma stand entschlossen auf.

»Meinst du, er ist zu seinem Hof gegangen, um dort die Beweise für sein Fehlverhalten zu vernichten? In dem Fall müssen wir unbedingt nach ihm suchen, denn er ist unsere einzige Verbindung zu Ibor von Muirthemne, und die beiden Kühe sind die Bestätigung seiner Tat.«

»Aber er könnte auch woanders hingegangen sein«, warf Eadulf ein. »Irgendwohin, um Laisres Gerechtigkeit zu entgehen.«

»Das glaube ich nicht«, widersprach Rudgal. »Seine Hütte steht ein kleines Stück oberhalb des Weilers, in dem sich Ronans Hof befindet. Ronan wurde nach Hause geschickt, um Ibor von Muirthemne zu verfolgen. Ibor ist offenbar aus dem Tal geflohen. Als Ronan vorhin zurückkam, hat er mir erzählt, er hätte Artgal gesehen, wie er den Berg hinauf zu seiner Hütte ging. Er hielt es nicht für seine Pflicht, ihn daran zu hindern, denn er hatte nur den Auftrag, Ibor zum rath zurückzubringen. Außerdem ist Artgal Ronans Freund und Vetter. Ronan wird Laisre nichts davon sagen, wenn er nicht direkt danach gefragt wird.«

»Also, Ibor ist aus dem Tal geflohen?« wiederholte Fidelma ruhig. »Nun, das war zu erwarten.«

»Ibor von Muirthemne und seine Pferde müssen den rath verlassen haben, bevor Murgal die Anhörung beendet hatte«, meinte Rudgal. »Doch was Artgal anbetrifft, so glaube ich nicht, daß er sich freiwillig von den Rindern trennt, wo er sie nun einmal hat. Sollte er aus dem Tal verschwinden, um Laisres Zorn zu entgehen, dann wird er sie mitnehmen.«

»Stellen wir also erst mal fest, ob er sich noch auf seinem Hof aufhält«, beharrte Fidelma und schritt zur Tür.

Sie verließen ungehindert den rath. Wie Eadulf vermutet hatte, waren, obwohl es an diesem warmen Sommerabend noch lange hell bleiben würde, anscheinend schon alle in der Festhalle. Lachen und Festlärm schallten herüber. Niemand war draußen oder am Tor des rath. Rudgal schlug vor, lieber zu Fuß zu gehen, denn als Reiter wären sie früher zu sehen, falls Artgal ihnen nicht begegnen wollte.

Es war auch kaum eine Meile bis zu seiner Hütte. Rudgal ging mit ruhigem Schritt voran, und Fidelma und Eadulf folgten ihm.

Außerhalb der schützenden Mauern des rath war es noch warm, denn es war ein heißer Tag gewesen. Bis zum Dunkelwerden blieben noch mindestens zwei Stunden, doch ein paar düstere Gewitterwolken hingen über den Bergen und drohten mit Regen. Sie hörten das entfernte Grollen des Donners jenseits des Gipfels.

Rudgal fing Eadulfs besorgten Blick auf und lachte leise.

»Mit Gottes Hilfe wird das Unwetter auf der anderen Seite der Berge vorbeiziehen.«

Sie umgingen Ronans Hof und Nemons Häuschen und stiegen dann den Berg hinauf zu der kleinen Hütte weiter oben. Der Weg war steil, zur Erleichterung des Aufstiegs hatte man darauf große Steine zu einer Art Treppe ausgelegt. Die drei sprachen kaum, außer wenn Rudgal auf gefährliche Stellen des Weges hinwies, sumpfigen Rasen oder von Ginster verdeckte Löcher.

Sie kamen zu einem leicht abfallenden Stück Land mit kleinen, von Steinmauern eingefaßten Feldern und einer grauen Steinhütte in der Mitte. Sie war einfach, wie ein Bienenkorb geformt, hatte ein Strohdach und einen Zaun ringsherum. Angebaut war eine Schmiede, doch das Feuer darin war erloschen. Es sah aus, als hätte es schon lange nicht mehr gebrannt. Einige Werkzeuge waren verrostet.

Fidelma konnte keine Rinder in der Nähe erblikken.

Sie blieben am Eingang der Hütte stehen, um Atem zu schöpfen. Dann rief Fidelma laut: »Artgal!«

Es kam keine Antwort. Eine seltsame Stille lastete auf dem Ort.

»Artgal!« wiederholte Rudgal noch lauter. Entschuldigend sagte er nun: »Ich war mir sicher, daß er hierher gehen würde. Vielleicht war er schon hier, hat die Kühe geholt und ist geflohen. Aber mit den Kühen kann er nicht weit gekommen sein. Wir hätten ihn bestimmt gesehen.«

Als auch Rudgals zweiter Ruf unbeantwortet blieb, stieß er die Tür der Hütte auf und ging hinein. Die anderen folgten ihm. Es war niemand da, doch die wenigen Habseligkeiten befanden sich ordentlich an ihrem Platz. Nichts deutete darauf hin, daß Artgal die Hütte fluchtartig verlassen hatte. Nur ein Stück Tuch lag auf dem Boden. Fidelma hob es auf. Es war eine Schürze. Sie hängte sie an einen Haken und wunderte sich, daß ein Mann wie Artgal so etwas besaß. Aber es schien zu der Ordnung und Sauberkeit der Hütte zu passen. Wenn Artgal so peinlich sauber war, trug er vielleicht auch so eine große Schürze.

»Ich habe mich wohl geirrt«, murmelte Rudgal. »Er muß woanders hingegangen sein, doch ich wüßte nicht, wohin.«

»Aber die Kühe sind weg«, bemerkte Eadulf.

»Wenn er sie weggetrieben hat, dann hätten wir ihn sicherlich gesehen«, meinte Rudgal noch einmal. »Ein einzelner Hirt und zwei Kühe sind in dieser Gegend leicht auszumachen.«

Das stimmte, denn im Tal standen nur wenige Bäume.

»Aber eine andere Erklärung gibt es anscheinend nicht«, fügte er hinzu. »Artgal muß fort sein und die Kühe mitgenommen haben. Ich sehe mal nach, ob ich Spuren entdecke, die wir verfolgen könnten.«

Rudgal verließ die Hütte. Fidelma verharrte in der Mitte des einzigen Raumes, ihr scharfer Blick wander-te umher und spähte aufmerksam in jeden Winkel. Auf dem Tisch standen zwei Steingutbecher. Anscheinend hatte Artgal vor kurzem Besuch bekommen und keine Zeit mehr gehabt wegzuräumen.

Sie besah sich die Becher und roch vorsichtig daran, um festzustellen, was sie enthalten hatten. Diesen würzigen Duft hatte sie schon einmal gerochen.

»Artgal ist ein sehr sauberer Mann für einen Grobschmied und Krieger«, sagte sie leise.

Eadulf schmunzelte.

»Sind denn Grobschmiede und Krieger unweigerlich unsauber?«

»Du hast Artgal gesehen. Ich hätte nicht erwartet, daß er so pingelig ist. Welchen Wert eine Person auf ihre Kleidung legt, sagt viel über sie aus. Die Hütte ist jedoch makellos sauber.«

»Ich kenne Leute, die schlampig gekleidet sind, aber ihre Wohnungen peinlich sauberhalten, und umgekehrt«, meinte Eadulf.

Plötzlich ertönte draußen ein Aufschrei.

»Schwester! Bruder!« Rudgals Stimme überschlug sich fast vor Entsetzen.

Eadulf und Fidelma wechselten einen Blick und eilten hinaus. Rudgal stand an der Rückseite der Hütte und starrte auf etwas am Boden. Es war der Leichnam Bruder Dianachs.

»Ich ging um die Hütte herum, um nach Spuren zu suchen, und da stieß ich auf die Leiche«, erläuterte Rudgal überflüssigerweise.

Eadulf bekreuzigte sich, während sich Fidelma neben der Leiche auf ein Knie niederließ.

Der junge Mönch lag auf der Seite, die Füße und die untere Körperhälfte in dem kleinen Schuppen, der Oberkörper draußen, das Gesicht nach unten, ein Arm ausgestreckt. Blut bedeckte den Boden. Vorsichtig drehte Fidelma den Leichnam auf den Rücken. Überall war Blut. Jemand hatte Bruder Dianach die Kehle durchgeschnitten, ein langer, tiefer Schnitt hatte den Hals fast bis zur Rückseite durchtrennt.

Fidelma fielen die Lippen und das Zahnfleisch des toten Mönchs auf. Sie zeigten eine leichte bläuliche Verfärbung, die sie sich nicht erklären konnte. Offensichtlich hatte der Messerschnitt den Tod verursacht; die Wunde blutete noch. Angewidert befühlte sie die Haut. Sie war noch warm. Bruder Dianach war erst vor kurzem gestorben, wahrscheinlich zu der Zeit, als sie die Hütte betraten.