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Sie sprang auf und suchte mit Blicken die Umgebung ab.

»Hast du jemanden gesehen, Rudgal?«

Der sah sie verwirrt an.

Fidelma wurde ungeduldig.

»Dianach ist gerade erst getötet worden, vielleicht in dem Moment, als wir in der Hütte waren. Sieh mal, der Schuppen ist klein, man muß sich bücken, um hineinzuschauen. Kann sein, daß sich Dianach darin versteckte, als wir uns der Hütte näherten. Sein Mörder muß ihn so überrascht und ihm die Kehle durchgeschnitten haben. Das war erst vor wenigen Augenblicken.«

Rudgal stieß einen leisen Pfiff aus.

»Ich ging um die Hütte herum, aber da war niemand. Erst als ich nach Spuren der Rinder zu suchen begann, sah ich plötzlich die Leiche.«

Eadulf war auf eine Steinmauer geklettert. Aufmerksam schaute er in die Runde.

»Kannst du etwas sehen?« fragte Fidelma.

Eadulf schüttelte enttäuscht den Kopf.

»Nein«, erwiderte er. »Es gibt hier herum so viele Rinnen und Mauern, daß sich jeder, der die Gegend kennt, leicht vor uns verbergen kann.«

»Und was ist mit den Rindern?«

»Ich kann sie nicht entdecken. Ein Mensch kann sich hinter einer Steinmauer verstecken, aber Rinder nicht, würde ich sagen.«

Ratlos wandte sich Fidelma wieder der Leiche zu.

»Warum wurde er umgebracht, frage ich mich?« sagte Rudgal. »Und was machte er überhaupt hier oben?«

»Als Artgal bei der Anhörung sagte, die Bestechungssumme sei ihm von jemand mit nördlichem Akzent angeboten worden, fuhr Dianach hoch«, überlegte sie laut. »Er sprang auf und bestritt, daß er es gewesen war.«

»Und Artgal bestätigte Dianachs Worte mit der Behauptung, er habe eine tiefere Stimme gehört, worauf Ibor von Muirthemne aus dem rath verschwand, ohne die logische Folgerung zu leugnen, daß er es war, der Artgal bestochen hatte«, rief Eadulf von der Mauer her. »Und jetzt ist Ibor aus dem Tal geflohen.«

»Wenn Ibor von Muirthemne nicht derjenige war, der versuchte, Artgal zu bestechen, warum hat er sich dann davongemacht?« fragte Rudgal.

Dieser Logik war nicht zu widersprechen. Eadulf sprang von der Mauer herab und trat zu ihnen.

»Außerdem, warum sollte Artgal überhaupt flüchten?« fragte er. »Laisres Zorn ist sicherlich nicht so furchtbar. Artgal hätte nach eurem Gesetz eine Strafe zahlen müssen, um seine Ehre wiederzuerlangen, aber das wäre doch besser, als vom Clan ausgestoßen zu werden und ein Leben lang heimatlos umherzuirren?«

Fidelma rieb sich nachdenklich das Kinn.

»Die Überlegung hat viel für sich, Eadulf. Ich fürchte, wir haben etwas übersehen. Haben die Rinder tatsächlich jemals existiert?«

»Die Frage verstehe ich nicht«, murmelte Rudgal. »Artgal hätte eine solche Geschichte doch nicht erfunden.«

»Denk mal drüber nach«, schlug ihm Fidelma vor. »Es hieß, Artgal habe zwei Milchkühe erhalten von ... Sagen wir einfach, von einem Mann mit nördlichem Akzent. Hat dieser Mann sie von einem Bauern in diesem Tal gekauft? Es ist klein, und die Nachricht von einem solchen Kauf müßte sich schnell herumgesprochen haben, denn Klatsch braucht keine Flügel, um weite Strecken zurückzulegen.«

»Vielleicht wurden sie von draußen ins Tal gebracht«, vermutete Eadulf.

»Dann gilt das gleiche. Ein Mann, der zwei oder drei Milchkühe ins Tal treibt, wäre kaum zu übersehen gewesen.«

Eadulf fing an, den Boden hinter der Hütte sorgfältig zu untersuchen.

Fidelma blickte Rudgal an. Der Krieger wartete geduldig auf Anweisungen.

»Ich meine, du solltest zum rath zurückgehen und Murgal berichten, was wir hier gefunden haben.«

»Wird Laisre nicht mit dir zürnen, weil du sein Verbot weiterer Nachforschungen in dieser Sache nicht beachtet hast?« fragte er.

»Das ist mein Problem«, versicherte ihm Fidelma. »Wichtiger ist, daß Dianach außerhalb von Laisres rath getötet wurde und der Mord somit ein Fall ist, für den ich zuständig bin. Mach dich rasch auf den Weg.«

Rudgal entfernte sich eilig den Berg hinunter in Richtung auf den rath.

Fidelma wandte sich Eadulf zu, der jetzt grübelnd auf der Steinmauer saß. Den Blick hatte er immer noch auf den Boden hinter der Hütte gerichtet.

»Was gibt es da Interessantes?« erkundigte sich Fidelma.

Eadulf schaute zögernd in ihre Richtung und zeigte dann auf den Boden.

»Mich beschäftigt das, was du gesagt hast. Wenn Artgal die Kühe nicht bekommen hat, warum sollte er dann die Geschichte erfinden? Wir müssen darüber nachdenken. Wenn jemand Artgal zwei Kühe gegeben hat, hat er sie jedenfalls nicht hier gehalten.«

»Woher weißt du das?«

»Hast du schon mal ein Stück Erde gesehen, auf dem Kühe gestanden haben?«

»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst.«

»Sieh dir diesen Boden an, Fidelma. Wo sind hier Spuren von Rinderhufen - und wo sind die Kuhfladen, die sich nirgends verbergen lassen? Nein, selbst wenn Artgal die Kühe erst heute morgen vorfand und sie hier den Tag über gestanden hätten, würde man etwas davon sehen. Falls Artgal die Rinder wirklich besaß, hat er sie woanders untergebracht.«

Kapitel 15

Fidelmas Miene wechselte rasch, als sie seine Worte überdachte.

»Was ist?« fragte Eadulf.

»Du hast gerade das Offensichtliche festgestellt, Eadulf. Ich glaube, ich weiß, wo wir die Kühe finden.«

Eadulf war überrascht.

»Komm mit«, sagte Fidelma, wandte sich um und ging voran, von Artgals Hof fort. Verwundert folgte ihr Eadulf, als sie zuversichtlich den Weg bergab ein-schlug und auf die Gruppe von Gebäuden zuging, die von Ronans Hof beherrscht wurde. Sie liefen schweigend den Berg hinab, denn Fidelma schien in tiefes Sinnen versunken. Eadulf wußte, daß er sie lieber nicht störte, wenn sie in so nachdenklicher Stimmung war.

Er war erstaunt, als sie am Fuße des Berges vom Weg abbog, auf das kleine Haus der Prostituierten Nemon zusteuerte und dort anklopfte.

Nemon kam sofort heraus und sah sie überrascht an. Dann rang sie sich ein schiefes Lächeln ab, das nicht gerade einladend wirkte.

»Ihr beide schon wieder? Es heißt doch, du hättest den Mann umgebracht, nach dem du gefragt hast -wie war doch gleich sein Name? Solin?«

»Das ist ein Irrtum«, erklärte ihr Fidelma mit Bestimmtheit.

»Na, ich kann euch nicht mehr über Solin sagen, als ich euch schon gesagt habe«, erklärte die Frau naserümpfend und wollte die Tür schließen.

»Nicht wegen Solin möchte ich dich sprechen. Dürfen wir reinkommen?« Fidelma hatte bemerkt, daß Bairsech, die stämmige Frau Ronans, auch wieder vor ihrem Haus erschienen war, die Arme verschränkt und damit ihre Lieblingsstellung eingenommen hatte und sie unverhohlen mit feindseliger Neugier beobachtete.

Nemon blieb gleichmütig. Sie trat zur Seite und ließ Fidelma und Eadulf durch.

»Zeit ist Geld«, meinte die fleischliche Frau und sah Eadulf bedeutungsvoll an.

»Wie du uns beim vorigen Mal schon sagtest«, stimmte ihr Fidelma freundlich zu. »Aber diesmal untersuche ich als dalaigh einen Mordfall. Welchen Preis hast du für deine drei Milchkühe verlangt?«

Eadulf war verblüffter als Nemon, denn die Frau zeigte keine Reaktion.

»Ich habe den gängigen Preis verlangt, einen sed pro Kuh, einen cumal für alle drei. Ich gebe das Geld nicht zurück, und ich melke die Kühe auch nicht mehr. Artgal hätte sie abholen sollen, oder jedenfalls die beiden, die er heute morgen haben sollte. So war es vereinbart.«

Fidelma schaute aus dem Fenster und sah die Kühe auf der Wiese grasen.

»Aus welchem Grund hast du Geld angenommen? Ich dachte, hier würde man gewöhnlich Tauschhandel treiben?«