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»Ich antworte darauf, daß ich in allen Dingen vorsichtig verfahre, doch ob ich von deiner Ehrlichkeit ausgehen kann, das bleibt abzuwarten.«

»Mehr kann ich unter den gegebenen Umständen nicht verlangen.« Der junge Lord von Muirthemne warf einen raschen Blick auf Eadulf. »Sprichst du auch für deinen angelsächsischen Bruder?«

»Du kannst dich auf Bruder Eadulfs Vorsicht ebenso verlassen wie auf meine.«

»Vorsicht ist alles, was ich fordere.«

»Mehr ist auch nicht möglich, besonders wenn du den Goldreif in der Hand hältst, den ich auf dem Schauplatz des Gemetzels an den dreiunddreißig jungen Männern gefunden habe«, fügte Fidelma ruhig hinzu.

Ibor blickte auf den Reif in seiner Hand und nickte zerstreut.

»Es ist ein Reif, wie er für die Krieger von Ailech angefertigt wird«, bemerkte er nachdenklich. »Ich erkläre dir gleich alles. Die Sache fängt damit an, daß meine Männer und ich Bruder Solin aus Armagh die ganze vorige Woche nachgeritten sind.«

»In wessen Auftrag?« fragte Fidelma sofort.

»Im Auftrag Sechnassachs, des Großkönigs in Tara.«

»Zu welchem Zweck?«

»Zu dem Zweck, festzustellen, aus welchem Grunde sich Solin nach Gleann Geis aufmachte.«

»Du sagst das so, als hättest du ihn im Verdacht gehabt, irgendwie gegen das Gesetz zu verstoßen?« schaltete sich Eadulf ein.

Der Lord von Muirthemne lachte grimmig.

»Es war weit mehr als ein bloßer Verdacht. Er hat gegen jede moralische Vorschrift verstoßen, die ich kenne.«

»Das verstehe ich nicht«, sagte Fidelma. »Du bist ein Mann des Nordens, und dennoch behauptest du, ein Feind Bruder Solins zu sein. Wie kommt das? Ist nicht Bruder Solin nicht nur ein Mann des Nordens, sondern auch ein Geistlicher? Er erklärte, er befände sich auf einer Mission für den Glauben.«

»Auf einer Mission für den Teufel!« fauchte Ibor. Dann beugte er sich vor und wurde ernst. »Du weißt doch sicher etwas von der Zwietracht zwischen den Königen des Nordens? Du warst in Tara, und du warst auch in Armagh.«

»Ist es ein Zufall, daß Bruder Solin mir genau dieselbe Frage gestellt hat? Ich war in Tara, und ich war in Armagh, aber ich bin nicht in die internen Zwistigkeiten dort eingeweiht.«

Ibor lehnte sich zurück.

»Ich will dir die Streitpunkte so einfach erklären, wie ich kann. Zuerst mußt du wissen, daß ich Abgesandter des Großkönigs Sechnassach bin. Er gehört den südlichen Ui Neill an, den Nachkommen von Aedo Slaine. Hier ist sein königliches Siegel zum Beweis meiner Worte.« Er langte unter sein Hemd und zog ein goldenes Siegel an einer goldenen Kette hervor und hielt es ihr zur Prüfung hin. »Du warst in Tara und kennst es gut.«

Fidelma besah sich das goldene Medaillon. Darauf eingeprägt war eine aufrecht stehende Königshand als Symbol für die Pflicht des Königs, seine Hand zum Schutz seines Volkes zu erheben. Fidelma erkannte das Siegel der Ui Neill sofort.

»Sprich weiter«, forderte sie ihn auf. »Erzähl uns deine Geschichte.«

»Bruder Solin war Sekretär bei Ultan von Armagh.«

»Das weiß ich«, sagte Fidelma mit leichter Ungeduld.

»Ultan hat insgeheim geschworen, die Ansprüche der Dynastie der nördlichen Ui Neill zu unterstützen, der Könige, die in Ailech residieren.«

Fidelma hatte noch nie mit dem nördlichen Königreich der Ui Neill zu tun gehabt. Sie wußte nur, daß Ai-lech eine Stadt und Festung im äußersten Nordwesten des Landes war und daß dort zur Zeit Mael Düin als König herrschte, der sich ebenfalls rühmte, vom alten Großkönig Niall von den Neun Geiseln abzustammen.

»Dein Mann sagte, der Reif sei in Ailech gefertigt worden«, bemerkte sie ruhig.

Ibor nickte.

»Die beiden Dynastien der Ui Neill, die nördliche und die südliche, leben in Feindschaft«, erläuterte er. »Mael Düin ist nicht der erste König der nördlichen Linie, der behauptet, seine Dynastie sei die wahre Erbin der Königsherrschaft über den ganzen Norden, und zwar nicht nur im Königreich Ulaidh, sondern er erhebt den Anspruch auf den Titel des Großkönigs in Tara. Er fordert darüber hinaus, das Großkönigtum solle nicht nur eine von den Provinzkönigen übertragene Ehre sein, sondern eine tatsächliche, daß also der Großkönig echte Macht über alle fünf Königreiche von Eireann ausüben solle.«

Fidelma musterte ihn mißtrauisch.

»Und was sagt Sechnassach dazu?«

»Du kennst Sechnassach«, erwiderte Ibor. »Er hält sich streng an das Gesetz. Er ist König der südlichen Ui Neill von Tara und erkennt die Ehre des Großkönigtums dankbar an, die ihm nach dem Gesetz Miads-lechta zusteht. Doch wie das Miadslechta sagt: Warum stehen die Provinzkönige höher als der Großkönig?«

»Weil sie den Großkönig bestimmen und ernennen«, unterbrach ihn Fidelma und zitierte den Text, »während der Großkönig nicht die Provinzkönige bestimmt.«

Ibor nickte anerkennend.

»Du hast recht, dalaigh von Cashel. Sechnassach würde seinen vollen Sühnepreis von vierzehn cumals verwirken, wenn er dieses Gesetz jemals bräche.«

»Besteht die Möglichkeit, daß er das tut?«

»Nicht, solange er lebt. Aber von den nördlichen Ui Neill kann man das nicht sagen, auch nicht von Mael Düin von Ailech. Er ist sehr ehrgeizig. Sein Ehrgeiz ist noch gewachsen, seit er eine Pilgerfahrt nach Rom unternahm, bevor er die Krone von Ailech erhielt.«

»Wie das? Was hat eine Pilgerfahrt nach Rom damit zu tun?«

»Er sah die Größe Roms und wurde angezogen von der römischen Art des Glaubens. Er ging zu einem in Rom ausgebildeten Beichtvater und Priester, und der berichtete ihm von den großen weltlichen Reichen und den Völkern, die unter die Oberherrschaft der römischen Kaiser gerieten.«

»Es gibt manche in den fünf Königreichen, die sich Rom ergeben zeigen«, meinte Fidelma. »Aber Ergebenheit gegenüber Rom ist doch wohl eine Sache des persönlichen Gewissens? Mein Gefährte Eadulf hält der römischen Glaubensart die Treue, im Gegensatz zu mir, die ich mich der Kirche Colmcilles verbunden fühle. Wir streiten uns nicht, sondern führen fruchtbare und freundschaftliche Gespräche.«

»Das ist in Ordnung, Fidelma von Cashel. Jeder geht seinen eigenen Weg. Aber wenn man auf einen Weg gezwungen wird, den man nicht gehen will, entsteht Zwietracht.«

»Dann denkt dieser Mael Düin also, er könne seinen Glauben anderen aufzwingen?«

»Ja, das tut er, und zwar auf zweifache Weise. Erstens, was die Religion angeht, und zweitens hat er sich dafür begeistern lassen, auf dieser Insel ein Feudalreich zu schaffen von der Art, wie er es in Rom kennengelernt hat, ein zentrales Reich, das von einem Kaiser regiert wird. Und dieser Kaiser möchte er selbst werden.«

Fidelma atmete tief durch.

»Ich begreife langsam, worauf du hinauswillst. Mael Düin von Ailech möchte zuerst die südlichen Ui Neill in sein Königreich von Ailech einbeziehen. Dann will er Anspruch auf das Großkönigtum erheben und es von einem Ehrentitel, der zwischen den Provinzkönigen wechselt, in eine einzige Dynastie verwandeln, die die Oberhoheit über alle fünf Königreiche behält und so herrscht wie einst die römischen Kaiser?«

»Das ist genau das, was er anstrebt«, bestätigte Ibor.

»Dann müssen die Könige der Provinzen vor dem Ehrgeiz Mael Düins gewarnt werden. Sie würden einen solchen Eingriff in Recht und Moral niemals dulden.«

»Aber es geht um noch mehr.«

»Wie das?« Fidelmas Miene war finster.

»Wie ich schon sagte, hat sich Mael Düin die Unterstützung Ultans von Armagh gesichert.«

»Ich weiß, daß Ultan seit langem die Übernahme der Regeln Roms für unsere Kirche befürwortet und es vorzieht, den Titel archiepiskopos zu führen an Stelle von Comarb. Aus Höflichkeit nennen ihn viele so, ich selbst auch. Ich weiß, daß er unsere Kirche nach dem Muster Roms umgestalten möchte, aber selbst Ultan kann doch nicht glauben, daß er das Gesetz unseres Königtums verändern könnte.«