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Fidelma schüttelte den Kopf.

»Wenn wir gebadet und gegessen haben, gehe ich in die Festhalle, das wird Orla und Colla verunsichern. Vor allen, die dort versammelt sind, können sie mir kaum etwas tun. Ich bin überzeugt, falls sie etwas unternehmen, dann in der Nacht, wenn alles ruhig ist.« Sie schenkte ihm ein schelmisches Lächeln. »Vielleicht droht dir größere Gefahr von Esnad als mir von Orla und Colla?«

Eadulf errötete heftig.

»Sie ist doch nur ein junges Mädchen«, murmelte er. »Aber du hast recht. Rudgals Verhalten verlangt nach einer Erklärung.«

Ungefähr eine Stunde später trennte sich Eadulf von Fidelma am Eingang zur Festhalle und machte sich auf zu Esnads Wohnung. Er erinnerte sich, daß sie sich in demselben Gebäude befand, in dem auch Murgals Bibliothek lag. In diesem Gebäude wohnten auch die Apothekerin Marga sowie Orla und Colla selbst. Als er den Hof überquerte, sah er Cruinn aus Margas Apotheke herauskommen und grüßte sie freundlich. Die Dicke fuhr herum, starrte ihn wütend an, sagte nichts und eilte davon. Es war deutlich, daß sie an ihrer Abneigung gegen ihn eisern festhielt.

Eadulf betrat das Haus. Zu seiner Überraschung stieß er in der Eingangshalle auf Laisre. Der Fürst schien ebenso verblüfft wie er und fragte ihn barsch, was er hier wolle. Eadulf hielt es nicht für angebracht, Esnad zu erwähnen, und erklärte als Ausflucht, er sei auf dem Wege zu Murgals Bibliothek. Laisre knurrte irgend etwas und ging ohne ein weiteres Wort hinaus. Ihm schien ebensoviel daran gelegen, von Eadulf wegzukommen, wie Eadulf von ihm.

Eadulf stieg die Treppe empor zu Esnads Wohnung. Er zögerte einen Moment, faßte Mut und klopfte an. Die Stimme des Mädchens forderte ihn zum Eintreten auf, er straffte die Schultern und öffnete die Tür.

Esnad saß auf einem Stuhl und blickte überrascht auf, doch dann lächelte sie fast besitzergreifend. Auf dem Tisch vor ihr lag ein Brandub-Brett, auf dem die Figuren aufgestellt waren. Sie hatte offensichtlich an einer Spieleröffnung geknobelt. Eadulf schaute sich um. Das Mädchen war allein. Im Kamin brannte ein Feuer, denn trotz des Sommers war es kühl. Draußen dunkelte es inzwischen. Esnad hatte schon eine Lampe angezündet.

»Ach, der Angelsachse! Ich habe bereits gehört, daß ihr zurückgekehrt seid. Bist du gekommen, um Bran-dub mit mir zu spielen?« begrüßte sie ihn.

»Hm, nicht unbedingt«, murmelte er und wußte nicht, womit er beginnen sollte.

»Keine Sorge, ich zeig dir, wie man das spielt.«

Eadulf wollte ablehnen, doch dann fiel ihm ein, daß er von Orlas Tochter sonst wohl nichts erfahren würde.

»Komm rein und mach die Tür zu«, sagte sie.

Er tat, wie ihm geheißen.

Sie blickte ihn mit forschender Miene an.

»Hast du noch nie Brandub gespielt?«

Eadulf wollte schon zugeben, daß er mit seinen Mitstudenten in Tuam Brecain kaum etwas anderes gespielt hatte. Er besann sich aber rechtzeitig und schüttelte den Kopf.

»Ich befolge deine Anweisungen«, versprach er und nahm ihr gegenüber Platz. Es war eine gute Gelegenheit. Im Laufe des Spiels würde er ihr Fragen stellen können.

Sie senkte den Blick nicht auf den Spieltisch.

»Du weißt, was Brandub bedeutet?«

»Ja, Schwarzer Rabe.«

»Aber weißt du auch, warum wir das Spiel so nennen?«

Er hatte die Erklärung schon mehrmals gehört, tat aber so, als wisse er es nicht.

»Der Rabe ist das Zeichen der Göttin des Todes und der Schlachten. Es ist das Zeichen für Gefahr. Das Ziel dieses Spiels ist es, den Angriff der feindlichen Kräfte des anderen Spielers zu überstehen - ein Spieler greift an, und der andere verteidigt sich. Deshalb benennen wir das Spiel nach dem Zeichen für Gefahr.«

Eadulf gab sich sehr interessiert und tat so, als habe er das alles noch nie gehört.

»Dort« - Esnad wies auf das Brett auf dem Tisch -»siehst du ein Spielbrett mit neunundvierzig Feldern, sieben mal sieben. Im mittelsten Feld steht die große Königsfigur, siehst du sie?«

Er nickte automatisch.

»Sie symbolisiert den Großkönig in Tara. Um den König herum stehen vier andere Figuren. Jede stellt einen Provinzkönig dar. Es sind die Könige von Cashel in Muman, von Cruachan in Connacht, von Ai-lenn in Leinster und von Ailech in Ulaidh.«

»Das verstehe ich«, sagte Eadulf.

»Auf jeder Seite des Brettes stehen zwei Angreifer, insgesamt acht. Der angreifende Spieler zieht sie über des Brett, wenn er nicht von den Provinzkönigen daran gehindert wird. Das Ziel besteht darin, den Großkönig in eine Ecke zu drängen, aus der er nicht mehr entkommen kann. Wenn das geschieht, ist das Spiel gewonnen. Kannst du mir folgen? Doch wenn der Angreifer die Verteidiger nicht überwinden kann, dann hat er verloren.«

»Ich verstehe.«

»Dann greife ich zuerst an«, sagte Esnad und lächelte mit gezwungener Liebenswürdigkeit. »Ich greife lieber an, als daß ich verteidige. Du verteidigst dich. Bist du bereit?«

Eadulf nickte.

Das Mädchen machte ein paar Züge, auf die Eadulf in entsprechender Weise reagierte. Er mußte zugeben, daß ihr Angriff zielstrebig war. Sie verfolgte zwar keine wohlüberlegte Taktik, ging aber Wagnisse ein, die sich manchmal auszahlten.

Esnad mußte sich bald sehr konzentrieren, denn Eadulf spielte wie gewohnt und hatte ganz vergessen, daß er angeblich ein Neuling bei diesem Spiel war, so hatte er sich darein vertieft.

»Du begreifst schnell, Angelsachse«, meinte sie schließlich mißgünstig, als er ihre Züge immer wieder parierte.

»Reines Glück, Esnad«, erwiderte er und merkte, daß er sich ein paar Fehler leisten mußte, sonst verlor sie die Lust am Spiel, bevor er etwas aus ihr herausholen konnte. Er war zufrieden, als sie nun ihre Figuren schnell und freudig zog, um seine »Fehler« auszunutzen.

Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln.

»Was habe ich gesagt?« meinte er, als er sich geschlagen geben mußte. »Zuerst war es einfach Glück. Gib mir Revanche mit einer zweiten Partie. Es macht mir nichts aus, wieder zu verteidigen.«

»Na gut.« Esnad lächelte ihn kokett an. »Aber spielen wir um irgendwas, das macht es interessanter.«

Eadulf runzelte die Stirn.

»Um einen Einsatz? An welchen denkst du?«

Esnad schob die Fingerspitze zwischen die Zähne und kaute darauf herum. Ihr Lächeln wurde breiter.

»Wenn ich gewinne, mußt du tun, was ich dir sage.«

Eadulf zögerte.

»Das finde ich nicht gut, ich weiß ja nicht, was du vorhast.«

»Ach, ich werde nichts von dir verlangen, was dir oder anderen schaden könnte«, antwortete sie fröhlich.

Eadulf zuckte die Achseln.

»Wenn es keinen Schaden bringt, dann nehme ich an. Aber wenn ich gewinne, was dann?«

»Du brauchst nur zu sagen, was du dann willst«, erwiderte Esnad mit einem herausfordernden Lächeln.

»Stell die Figuren auf«, sagte Eadulf brummig. »Ich überlege es mir.«

Das Spiel begann von neuem.

»Warum bist du so freundlich zu mir, da doch deine Mutter so aufgebracht ist gegen Schwester Fidelma und mich?« fragte Eadulf plötzlich mitten in einem Zug.

Esnad schaute nicht auf. Es schien sie gar nicht zu interessieren.

»Die Streitereien meiner Mutter sind nicht meine. Außerdem hat sie einen größeren Zorn auf deine Gefährtin Fidelma als auf dich. An deiner Stelle würde ich mir wegen meiner Mutter keine Sorgen machen. Ich tue es jedenfalls nicht.«

»Dein Vater ist Tanist, und deine Mutter ist seine Frau. Ihre Wünsche haben doch sicherlich Gewicht?«

»Was geht mich das an?«

»Sind dir ihre Angelegenheiten gleichgültig?«

»Ja, ziemlich. Ich will das Leben genießen, die Angelegenheiten von Gleann Geis sind mir völlig egal.«

Eadulf schwieg und erwog einen besonders gefährlichen Zug. Esnad schmollte, als sie feststellen mußte, daß er ihren Angriff abgewehrt hatte.

»Vielleicht heiratest du eines Tages einen Fürsten, und dann mußt du dich für solche Dinge interessieren«, meinte Eadulf und zog seine Königsfigur auf ein anderes Feld.