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»Aegra amans!« murmelte sie. Nur Eadulf verstand sie. Vergil hatte von besitzergreifender Liebe als einer Krankheit gesprochen.

Eadulf schaute sie säuerlich an.

»Amantes sunt amentes«, antwortete er. Verliebte sind Verrückte.

Rudgal verstand kein Wort.

»Es ist nichts zwischen Esnad und mir«, wiederholte Eadulf. »Warum klärst du deine Probleme nicht mit Esnad selbst?«

Rudgal grollte weiter.

»Das ist ein kluger Rat, Rudgal«, fügte Fidelma hinzu. »Wenn du glaubst, Esnad so sehr zu lieben, dann solltest du mit ihr darüber sprechen. Ihre Meinung muß dir doch mehr bedeuten als die Meinung jedes anderen?«

Rudgal ließ sich nicht besänftigen.

»Könnte es vielleicht sein, daß du weißt, daß sie deine Liebe nicht erwidert, und daß es deshalb für dich leichter ist, anderen die Schuld daran zu geben und zu behaupten, sie würden sie dir wegnehmen?« fuhr Fidelma fort. »Hat sie dir denn jemals gehört, daß sie dir jemand nehmen könnte?«

Ihre Worte trafen ins Ziel. Rudgal zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen.

»Es geht uns nichts an, was du tust, Rudgal«, redete Fidelma weiter, »aber ich an deiner Stelle wäre klug und würde mal darüber nachdenken. Du müßtest dir darüber klar werden, ob du Esnad wirklich liebst oder dich nur in sie verliebt hast. Das sind zwei verschiedene Dinge. Und wenn du Esnad liebst, dann liegt dir vor allem an ihrer Meinung und ihrem Glück.«

»Was habt ihr jetzt mit mir vor?« knurrte Rudgal und überging ihren Rat.

»Du hast gegen das Gesetz verstoßen, indem du einen Mordanschlag auf Eadulf unternommen hast«, erklärte ihm Fidelma. »Was wäre, wenn du ihn getötet hättest? Was meinst du, was wir mit dir tun sollten?«

»Ich kann mich auf Gründe dafür berufen«, behauptete Rudgal störrisch.

»Es gibt keine Gründe.« Seine Hartnäckigkeit brachte Eadulf auf.

Fidelma legte ihm die Hand auf den Arm und machte ihm ein Zeichen, ihr auf den Korridor zu folgen.

»Was schlägst du vor?« flüsterte er draußen.

»Wir können Rudgal nicht vor dem Morgen freilassen. Es kann gut sein, daß er aus Eifersucht den Verstand verloren hat. Auch für den Fall, daß etwas anderes als unglückliche Liebe hinter dem Überfall steckt, müssen wir ihn bis morgen früh hierbehalten. Wir lassen ihn in deinem Zimmer, und du ziehst in ein anderes. Ist er gut gefesselt? Seine wahren Motive können wir morgen ergründen.«

Als sie wieder in Eadulfs Zimmer kamen, zerrte Rudgal an seinen Fesseln.

»Lieg still«, befahl ihm Eadulf barsch, »wenn du nicht noch eins auf den Kopf kriegen willst.«

Rudgal starrte ihn böse an.

»Wenn ich die Hände frei hätte, Ausländer ...«

»Deswegen bleibst du ja auch gefesselt«, unterbrach ihn Fidelma. Mit einiger Mühe banden sie nun Rudgal auch die Füße zusammen, mit denen er kräftig ausschlug. Als er endlich an Händen und Füßen gefesselt war, fing Rudgal an zu schreien. Eadulf drückte ihm ein Handtuch auf den Mund und brachte ihn so zum Schweigen.

Rudgal brauchte noch ein paar Minuten, bevor er einsah, daß er keine Chance hatte, sich zu befreien, und ruhig auf dem Bett liegen blieb. Als er still geworden war, hörten Fidelma und Eadulf ein Geräusch im unteren Stockwerk.

Sie wechselten beunruhigte Blicke. Dann nahm Ea-dulf Rudgals Schwert in die eine Hand und die Öllampe in die andere und ging leise zur Tür. Fidelma folgte ihm und spähte ihm über die Schulter. So bewegten sie sich vorsichtig bis zum Treppenabsatz.

Unten am Fuß der Treppe stand jemand in der Dunkelheit. Eadulf hob die Lampe hoch.

Ihr Licht fiel auf Colla.

»Was willst du hier?« fragte Eadulf, seine Stimme war rauh vor Erregung. Dort stand genau der Mann, auf den sie gewartet hatten.

Colla schaute überrascht zu ihnen hinauf. Er stutzte, als er das Schwert in Eadulfs Hand erblickte.

»Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte er stockend.

»Was sollte denn nicht in Ordnung sein?« fragte Fidelma ruhig zurück.

»Ich kam gerade vorbei, und es schien mir, jemand hier riefe um Hilfe. Deshalb kam ich herein.«

Fidelma musterte den Tanist. Was er sagte, klang plausibel, denn Rudgal hatte beträchtlichen Lärm verursacht, bis sie ihn geknebelt hatten.

»Das war Eadulf«, log sie. »Er schrie im Schlaf auf, und ich ging hin, um zu sehen, ob er krank sei. Dann hörten wir unten ein Geräusch und dachten, jemand hätte eingebrochen .«

Eadulf nickte eifrig und überlegte, welche Buße er wohl für diese Unwahrheit zu leisten hätte.

»Das stimmt. Ich hatte einen Alptraum«, fügte er rasch hinzu.

Colla zögerte und zuckte die Achseln.

»Die Tür stand weit offen«, sagte er. »Ich mach sie zu, wenn ich hinausgehe.«

Einen Moment noch starrte er zu ihnen hinauf, dann verließ er das Gästehaus, wobei er die Tür hinter sich schloß. Sie hörten, wie er draußen jemanden begrüßte und sich leise mit ihm unterhielt. Eadulf trat rasch an ein Fenster im Obergeschoß, spähte hinaus auf den Hof und lauschte.

»Das war Laisre«, flüsterte er Fidelma zu. »Er ging anscheinend gerade am Gästehaus vorbei, sah Colla herauskommen und hat ihn wohl gefragt, was los ist. Jetzt sind sie beide weg.«

Fidelma seufzte tief.

»Ich nehme an, nun wird sich bis zum Morgengrauen nichts mehr ereignen«, bemerkte sie im Ton der Befriedigung. »Ich glaube, unser Geheimnis steht kurz vor seiner Aufdeckung.«

Kapitel 19

Fidelma erhob sich von ihrem Bett, lange bevor der Himmel hell wurde, und wartete unruhig im Hauptraum des Gästehauses. Sie hatte nach Rudgal gesehen und festgestellt, daß seine Fesseln noch hielten und er schlief, obwohl seine Lage nicht sehr bequem schien. Eadulf schlief ebenfalls und schnarchte leise. Sie lauschte aufmerksam, doch draußen war nichts zu hören. Sie ging zum Fenster und blickte besorgt zum Himmel auf, der sich über den Gipfeln im Osten langsam grau färbte. Angstvoll fragte sie sich, ob sie voreilig gehandelt hatte, als sie alles auf das Eintreffen von Ibor von Muirthemne im Morgengrauen setzte. Wenn nun Cruinn gelogen hatte und es wirklich keinen zweiten Weg nach Gleann Geis gab? Vielleicht kam man tatsächlich nur durch die Schlucht in dieses Tal? Wenn nun Ibor und seine Männer nicht in das Tal gelangen könnten? Wenn es ihnen nicht geglückt wäre, die Burg einzunehmen? Wenn nun ...?

Sie hielt inne und bemühte sich, ihre umherirrenden Gedanken zu bändigen. Was hatte doch ihr Mentor, der Brehon Morann von Tara, einst gesagt? »Mit einem >wenn< könntest du die fünf Königreiche von Ei-reann in eine Flasche stecken und wegtragen.«

Sie zwang sich, ein wenig Met zu trinken und etwas trockenes Brot und Käse zu sich zu nehmen, um sich für das zu wappnen, was ihr an diesem Vormittag bevorstand: so oder so.

Da vernahm sie ein Geräusch und sprang nervös auf. Es war nur ein müdes Gähnen gewesen, und sie begriff, daß Eadulf gerade aufstand. Kurz darauf kam er verschlafen die Treppe herunter.

»Hast du schon was gehört?« flüsterte er. Fidelma schüttelte den Kopf. Gemeinsam lauschten sie in die Stille. Sie wurde nur vom Bellen eines Hundes in der Ferne unterbrochen.

Dann krähte in der Nähe ein Hahn.

Das wirkte anscheinend wie ein Signal, denn im selben Augenblick wurde die Tür des Gästehauses aufgerissen. Böses ahnend, fuhren sie herum. In der Tür stand Ibor von Muirthemne, das Schwert in der Hand, und lächelte.

»Der rath gehört uns, Fidelma. Ich habe die Wachen zusammengeholt und lasse sie in ihrem Schlafraum von einigen meiner Krieger bewachen. Die Tore sind jetzt geschlossen, und meine Männer haben alle wichtigen Punkte besetzt, auch den Ratssaal.«

»Ist Blut geflossen?« erkundigte sich Fidelma besorgt.

Ein grimmiges Lächeln war die Antwort.