Nur mühsam riss er sich von diesem Anblick los und betrat die Höhle.
Cabrillo stieg in die Schneekatze und lenkte sie zum Helikopter. Er begann mit dem Umfüllen des Treibstoffs, indem er eine von Hand zu bedienende Pumpe auf dem Reservetank benutzte. Er hatte den zweiten Tank des Robinson schon beinahe gefüllt, als Adams mit Ackerman auf der Schulter, der immer noch in seinem Schlafsack steckte, aus der dunklen Höhlenöffnung trat. Behutsam bettete er den Archäologen auf den Rücksitz, sicherte ihn mit dem Sitzgurt und kam dann zu Cabrillo.
»Ich habe zwei Container Octane-Booster mitgebracht, der hinzugefügt werden muss«, sagte er.
»Gib sie her, ich kippe das Zeug in den Tank. In der Zwischenzeit bitte ich dich, Julia Huxley anzufunken und sie zu fragen, ob wir irgendetwas für unseren Passagier tun können. Erklär ihr, dass er eine böse Schussverletzung abgekriegt und sehr viel Blut verloren hat.«
Adams nickte, dann griff er in ein Gepäckabteil, holte zwei flaschenförmige Behälter voll Kraftstoffveredler heraus und reichte sie Cabrillo. Daraufhin schlängelte er sich in den Pilotensessel und schaltete das Sprechfunkgerät ein. Er kam wieder heraus, sobald er sein Anliegen losgeworden war und angelte sich eine zusammenklappbare Schneeschaufel aus dem Abteil. Während Cabrillo den letzten Rest Treibstoff in den Hubschraubertank pumpte, fing Adams an, Schnee in Ackermans Schlafsack zu schaufeln.
»Sie hat gemeint, ich solle ihn runterkühlen und seinen Herzschlag verlangsamen«, erklärte Adams, als er Cabrillos irritierten Blick bemerkte, »um eine Hypothermie zu erzeugen und ihn in einen Schlafzustand zu versetzen.«
»Wie lange brauchen wir bis zur Oregon?«
»Sie war mit Volldampf unterwegs, als ich von dort startete«, berichtete Adams, »deshalb werden wir beim Rückflug wohl einiges an Zeit einsparen. Wenn ich schätzen müsste, würde ich auf gut eine Stunde tippen.«
Cabrillo nickte und wischte sich einige Schneeflocken aus den Augenbrauen. »Ich fahre die Schneekatze zur Seite«, sagte er, »und du sorgst dafür, dass alles auf Betriebstemperatur gebracht wird.«
»Okay.«
Keine fünf Minuten später schwang sich Cabrillo in den Passagiersessel des Helikopters, dessen Rotor sich bereits im Leerlauf drehte. Kurz darauf gab Adams Gas und beschleunigte die Rotorblätter. Dann dauerte es nicht mehr lange, der Hubschrauber stieg auf und ließ die Schneewüste hinter sich.
Auf der Oregon arbeitete Hanley bereits an einem Plan für den Angriff auf die Akbar. Eddie Seng hatte sich in eine Nische des Kontrollraums zurückgezogen, wo er nun saß und sich auf einem gelben Schreibblock Notizen machte. Eric Stone kam auf Max Hanley zu und deutete auf den großen Monitor an der Wand. Dieser zeigte die Küste Grönlands, die Position der Akbar und den Kurs, auf dem die Oregon unterwegs war.
»Max«, sagte Stone und deutete auf das Diagramm, »die Akbar hat ihre Position seit einer Viertelstunde nicht verlassen. Das kann man von dem Meteoriten jedoch leider nicht behaupten. Wenn das Signal, das der Staub aussendet, korrekt und zuverlässig ist, bewegt er sich von uns weg.«
»Das ergibt keinen Sinn.« Hanley schüttelte ratlos den Kopf. »Ist es möglich, dass uns die Anzeige falsche Daten liefert?«
Stone nickte bestätigend. »Bei den lebhaften Nordlichtaktivitäten und der starken Erdkrümmung so weit im Norden könnte es zu einer ungewöhnlichen Brechung der Signale in der Ionosphäre kommen.«
»Wie lange brauchen wir noch bis zur Akbar?«, erkundigte sich Hanley.
»Wir waren gut eine Stunde von ihr entfernt«, sagte Eric Stone. »Nun, da sie angehalten hat, würde sich diese Zeit möglicherweise um etwa zehn Minuten verkürzen.«
»Eddie«, fragte Hanley quer durch den Raum, »kannst du dafür sorgen, dass deine Männer schon früher einsatzbereit sind?«
»Klar«, sagte Seng. »Das meiste hat sowieso nur der erste Mann an Bord zu tun. Sobald er das lähmende Gas in die Belüftungsrohre gesprüht und die bösen Buben schlafen gelegt hat, besteht der Rest nur noch aus einem Großreinemachen des Schiffs und seiner Bergung.«
Stone war an seinen alten Platz zurückgekehrt. Er studierte die Radiofrequenztabelle, die die unterschiedlichen Signalstärken anzeigte. »Wir fangen gerade etwas sehr Schwaches auf«, sagte er.
»Versuch doch mal, es reinzuholen.«
Stone fingerte an einem Einstellknopf herum, dann drückte er auf einen anderen Knopf in der Konsole, um die Empfangsempfindlichkeit zu steigern. Danach schaltete er den Lautsprecher ein.
»Portland, Salem, Bend«, sagte eine Stimme, »sende- und empfangsbereit.«
Auf der Akbar hatte es der Gefangene geschafft, ein weiteres Mal seine Hände zu befreien und nun auch seine Beine. Er hatte an der Tür seiner Kabine gelauscht, aber nichts gehört und daher die Tür einen Spaltbreit geöffnet und hinausgeschaut. Niemand war im Gang zu sehen. Daraufhin hatte er das Schiff vom Bug bis zum Heck durchsucht und festgestellt, dass es leer war.
Dann hatte er sich die Latexmaske vom Gesicht gepellt.
Er war zum Ruderhaus gegangen und hatte das Funkgerät eingeschaltet.
»Portland, Salem, Bend«, wiederholte er, »sende- und empfangsbereit.«
Auf der Oregon griff Hanley nach dem Mikrofon, um zu antworten. »Hier ist die Oregon, identifizieren Sie sich.«
»Sechs, elf, neunundfünfzig.«
»Mark«, fragte Hanley, »was machst du am Funkgerät?«
»Das war ein verwegener Plan«, sagte George Adams, während er den Helikopter durch die Dunkelheit lenkte, »den Emir von Katar durch ein Double zu ersetzen.«
»Wir wussten, dass Al-Khalifa schon seit längerer Zeit vorhatte, sich des Emirs zu bemächtigen«, sagte Cabrillo, »und der Emir hat bei unserer Operation bereitwillig mitgespielt. Er will ebenso wie wir, dass Al-Khalifa von der Bildfläche verschwindet.«
»Hast du schon gegessen?«, fragte Adams. »Ich habe Sandwiches, Kekse und Milch mitgebracht. Du findest alles in einer Tasche auf dem Rücksitz.«
Cabrillo nickte und fasste nach hinten auf den Sitz neben Ackerman. Dann öffnete er eine Kühltasche und holte ein Sandwich heraus. »Hast du zufällig auch Kaffee an Bord?«
»Ein Pilot ohne Kaffee?«, fragte Adams grinsend. »Das wäre genauso wie ein Angler ohne Würmer. Hinten auf dem Boden steht eine Thermosflasche. Mein italienisches Lieblingsgebräu.«
Cabrillo holte die Thermosflasche nach vorn und schenkte sich einen Becher voll ein. Er trank zwei Schlucke, dann stellte er den Becher zwischen seine Füße auf den Boden und biss ein Stück von seinem Sandwich ab.
»Demnach war von Anfang an geplant, dass der falsche Emir entführt werden sollte?«, fragte George Adams.
»Das nicht gerade«, gab Cabrillo zu. »Wir nahmen an, wir könnten Al-Khalifa schnappen, ehe er zuschlägt. Das einzig Positive ist: Wir sind sicher, dass Al-Khalifa nicht die Absicht hat, den Emir zu töten — er will lediglich dafür sorgen, dass der Al-Khalifa-Clan den Thron übernimmt. Deshalb müsste unser Mann so sicher sein wie eine Kuh auf einer Konferenz von Vegetariern, jedenfalls solange er nicht als Fälschung entlarvt wird.«
Cabrillo nahm einen zweiten Bissen von seinem Sandwich.
»Juan«, sagte Adams, »eins würde ich aber doch gern wissen …«
»Nur zu«, sagte Cabrillo, schob sich den Rest seines Sandwiches in den Mund und bückte sich nach seinem Kaffeebecher.
»Was zum Teufel hat dich nach Grönland verschlagen — und wer ist dieser Halbtote auf dem Rücksitz meines Hubschraubers?«