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»Wir haben nur wenig Zeit, Hazel. Oder habt Ihr vielleicht vergessen, wie dicht uns das Imperium auf den Fersen sitzt?«

»Nichts habe ich vergessen! Kümmere du dich um deinen eigenen Kram, Todtsteltzer, und ich kümmere mich um meinen!

Verschwinde endlich, Aristo! Dein Anblick macht mich ganz krank. Ich brauche dich nicht!«

»Nein«, erwiderte Owen. »Ihr habt noch nie jemanden gebraucht, Hazel.«

Er verbeugte sich knapp in John Silvers Richtung und stapfte aus dem Raum. Er verzichtete darauf, die Tür hinter sich zuzu-schlagen. Das Schweigen dauerte noch einige Zeit an, während Hazel feindselig auf die geschlossene Tür starrte, und Silver sie nachdenklich musterte . Er hatte Hazel schon in zahlreichen Stimmungen erlebt, doch diese hier war eindeutig neu . Wie es schien, bedeutete dieser Todtsteltzer ihr etwas – oder wenigstens seine Meinung über sie . Silver hoffte, daß sie sich nicht in den vogelfreien Aristokraten verliebt hatte . Hazel hatte noch nie Glück in Herzensangelegenheiten gehabt. Am Ende war stets sie es gewesen, die draufgezahlt hatte. Er zuckte zusammen, als sich Hazel unvermittelt nach ihm umwandte. Ihre Augen funkelten wütend.

»Wir waren immer gute Freunde, oder nicht, John?«

»Selbstverständlich waren wir das, Hazel. Wir sind ein gutes Stück Wegs zusammen gegangen.«

»Ich brauche deine Hilfe, John.«

»Ich bin für dich da. Alles, was du willst, Hazel. Sag es nur.«

»Ich brauche Blut, John. Nur ein oder zwei Tropfen. Weißt du, wo ich es kriegen kann? Kennst du eine… diskrete Quelle?«

»Wenn das alles ist?«

»Ja, John. Das ist alles.«

Silver schürzte die Lippen. »Der Todtsteltzer weiß nichts davon, oder?«

»Nein, er weiß es nicht, und du wirst es ihm auch nicht verraten, John. Er würde es nicht verstehen.«

»Ich bin nicht sic her, ob ich es verstehe, Hazel. Ich dachte, du hättest diesen Mist hinter dir? Ich habe dir die Hände gehalten, den Schweiß von der Stirn gewischt und den Hintern ab-geputzt, als du diesen Dreck das letzte Mal aus deinem Kreislauf geschwitzt hast. Ich will das nie wieder tun müssen. Es hätte dich um ein Haar umgebracht, Hazel.«

»Ich rede nicht davon, wieder ein Plasmakind zu werden, John! Diesmal habe ich es unter Kontrolle. Ich brauche nur hin und wieder einen Tropfen, weiter nichts. Du hast ja keine Ahnung, was ich mitgemacht habe, John. Du weißt nicht, unter welchem Druck ich stehe.«

»Ich habe gesagt, daß ich dir helfen würde, Hazel. Wenn du Blut brauchst – ich kann es besorgen. Jeder von uns hat das Recht, auf seine Weise vor die Hunde zu gehen. Als Sicherheitschef habe ich Zugang zu sämtlichen beschlagnahmten Drogen von gelandeten Schiffen. Niemand wird ein paar Tropfen vermissen.« Er schwieg einen Augenblick. Dann: »Bist du ganz sicher, Hazel?«

»O ja. Ich brauche etwas in meinem Leben, an das ich mich klammern kann.«

Jung Jakob Ohnesorg schlenderte ohne Eile durch die Straßen von Nebelhafen. Niemand belästigte ihn. Irgend etwas an seiner unbeirrbaren Haltung und seiner kalten Zuversicht schien die Leute davon zu überzeugen, daß es besser sei, auf Distanz zu bleiben. Das – und die Energiepistole, die er offen in einem Holster an der Hüfte trug.

Nur die wirklich Mächtigen und Einflußreichen in Nebelhafen hatten Zugang zu Energiewaffen.

Ohnesorg schlenderte ins Händlerviertel. Er suchte nach einem alten Freund. Ratsmitglied Donald Royal war in jüngeren Tagen einer der größten Helden der Nebelwelt gewesen , und auch heute noch, im Herbst seines Lebens, war er ein einflußreicher Mann.

Nach einer Weile blieb Ohnesorg vor einem rußgeschwärzten alten Gebäude in einem Teil des Viertels stehen, der entschieden bessere Zeiten gesehen hatte. Donald Royal konnte es sich leisten, praktisch überall in der Stadt zu leben, doch er hatte schon immer hier gelebt, und er dachte gar nicht daran umzu-ziehen.

Ein sturer alter Mann.

Ohnesorg klopfte höflich an die Tür. Lange Zeit geschah gar nichts; dann bemerkte er, daß er durch einen Spion gemustert wurde. Er grinste charmant in Richtung Tür und achtete darauf, die Hände möglichst weit entfernt von den Waffen zu halten.

Die Tür schwang auf, und eine atemberaubende junge Frau empfing ihn. Soweit es Ohnesorg betraf, hatte er sie noch nie im Leben gesehen; aber er lächelte – für alle Fälle.

Sein Gegenüber war groß gewachsen für eine Frau und besaß einen Lockenkopf von kastanienbraunem, schulterlangem Haar. Ihr Gesicht war ein wenig zu breit, um wirklich schön zu sein, doch die vorspringenden Wangenknochen verliehen ihr eine rauhe Sinnlichkeit. Sie bewegte sich wie eine Kämpferin.

Ihr Blick war fest, und ihre Mimik verriet keinerlei Emotion.

Ihre Kleidung war funktionell, aber gut geschnitten, und an der Hüfte trug sie eine Energiewaffe. Ohnesorg bemerkte, daß ihr rechter Daumen unmittelbar hinter der Waffe in den Gürtel gehakt war. Er räusperte sich höflich.

»Guten Abend. Ich suche nach Donald Royal. Ich dachte, er würde noch immer hier wohnen.«

»Das tut er auch, aber ich weiß nicht, ob er jetzt gestört werden will. Ich bin seine Partnerin. Ich lasse niemanden ohne triftigen Grund zu ihm.«

»Und ich bin Jakob Ohnesorg. Ich bin gekommen, um mit Donald über unsere Pläne und die neue Rebellion gegen das Imperium zu reden.«

Plötzlich lächelte die Frau, und ihr Blick wurde warm. »Das ist… ein triftiger Grund. Mein Name ist Madeleine Skye.

Kommt doch herein. Verzeiht meine Vorsicht, aber hier kommen nicht viele Legenden vorbei.«

Sie trat zurück, und Ohnesorg verbeugte sich höflich, bevor er an ihr vorbei in einen schummrigen, engen Flur trat. Er hängte seinen Mantel und den Schwertgurt an einen Haken, ohne daß sie ihn darum gebeten hätte, und erlaubte Skye, ihn durch den Flur in ein gemütliches Wohnzimmer zu führen.

Flackernde Öllampen bildeten die einzige Lichtquelle und tauchten den Raum in einen gelblichen weichen Schein. Dicke, ledergebundene Buchrücken reihten sich an drei Wänden. Die vierte war mit antiken, abgenutzten Klingen dekoriert: von schlanken Dolchen bis hin zu einer gewaltigen zweihändigen Axt. Unter den Waffen knisterte ein kleines Feuer zufrieden in einem Kamin, der von einer Fassung aus schwarzem Holz mit massiv geschnitzten gotischen Figuren umgeben war. Auf dem Kaminsims stand eine Uhr; das Zifferblatt war in den Bauch eines aus Holz geschnitzten Hundes mit bösem Gesicht einge-lassen. Die Augen und die dicke rote Zunge der Kreatur rollten im Takt der Sekunden hin und her.

Neben dem Feuer saß ein alter Mann mit geistesabwesendem Blick in einem großen gepolsterten Ohrensessel. Früher einmal mußte er groß und kräftig gewesen sein, doch die gewaltigen Muskeln aus der Jugend waren im Alter dahingeschmolzen, und jetzt hingen seine Kleider lose an ihm herab. Lange Strähnen von dünnem, weißem Haar umrahmten ein hageres, knochiges Gesicht. Madeleine Skye stellte sich beschützend dicht neben dem Sessel.

»Wir haben einen Besucher, Donald«, sagte sie.

»Das sehe ich selbst, Frau. Ich bin schließlich weder blind noch senil. Ich nehme an, es handelt sich um eine wichtige Persönlichkeit, sonst hättest du ihn ja wohl abblitzen lassen, oder?« Er blickte Ohnesorg nachdenklich an und runzelte die Stirn . »Ich kenne Euch von irgendwoher. Ich vergesse niemals ein Gesicht.« Dann hellte sich sein Antlitz auf, und er sprang aus seinem Sessel. »Gütiger Gott, das ist doch völlig unmöglich! Jakob? Bist du das, Jakob Ohnesorg? Ich will verdammt sein, er ist es!« Der Alte grinste breit und ergriff Jung Jakobs ausgestreckte Hand. Sie verschwand in den faltigen Händen des Alten. »Jakob Ohnesorg, wie er leibt und lebt! Was zur Hölle machst du hier?«

»Alte Freunde besuchen«, erwiderte Ohnesorg und lächelte.