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Er trug Schuhe, obwohl es doch nur ein gewöhnlicher Freitag war. Er hatte sogar eine Krawatte umgebunden - ein helles Seidenband.

Er gab sich so großstädtisch, dass es Tom den Atem verschlug. Je mehr Tom dieses elegante Wunder anstarrte, desto schäbiger und verschlissener kam er sich selbst vor. Keiner der beiden sprach. Bewegte sich der eine, so bewegte sich auch der andere, aber immer nur seitwärts im Kreis herum; sie ließen sich nicht aus den Augen. Endlich sagte Tom: „Ich kann dich verdreschen!" „Ha, möcht ich mal sehen." „Ich kann's wirklich." „Nee, das kannst du nicht!" „Ja, ich kann's!" „Ach was!"

„Ja!"

„Nein!"

Eine unbehagliche Pause. Dann fragte Tom: „Wie heißt du?"

„Das geht dich gar nichts an." „Ich will aber, dass es mich was angeht!" „Nun, warum tust du's dann nicht?" „Wenn du noch viel redest, tu ich's!" „Viel - viel - viel! Nun?"

„Du kommst dir wohl sehr wichtig vor, nicht wahr? Ich könnte dich mit einer Hand verprügeln, wenn ich nur wollte."„Nun, warum tust du's nicht? Du sagst immer nur, dass du es kannst." „Nun, ich tu's auch, wenn du noch mehr sagst."

„Pah, was für einen großen Mund doch manche Leute haben!"

„Wichtigtuer! Du denkst, du bist ein ganzer Kerl, nicht wahr? Mensch, was für ein dämlicher Hut!"

„Brauchst ja nicht hinzusehen, wenn er dir nicht passt! Schlag ihn mir doch runter, wenn du's wagst!" „Doofmann!" „Selbst einer!" „Geh nach Hause, du!

„Wenn du noch mehr Quatsch red'st, schlag ich einen Stein an deinem Kopf kaputt."

„Pah!"

„Ja, das tu ich!"

„Und warum tust du's nicht? Warum sagst du immer nur, du wirst es tun? Warum tust du es nicht? Aber du hast ja nur Angst!"

„Ich habe keine Angst!"

„Doch!"

„Nein!"

„Ja!"

Wieder eine Pause, abermals gingen sie umeinander herum. Dann standen sie Schulter an Schulter und schoben sich gegenseitig. Tom sagte: „Hau ab!" „Hau du ab!" „Ich will nicht!" „Ich will auch nicht!"

Sie sahen einander hasserfüllt an, jeder stellte einen Fuß ein wenig vor. Aber keiner konnte einen Vorteil erringen. Sie schoben sich gegenseitig, bis sie erhitzt und rot waren. Dann, ohneeinander aus den Augen zu lassen, traten sie gleichzeitig zurück. Tom sagte: „Du bist ein Feigling. Ich werde meinen großen Bruder auf dich hetzen, der wird dich mit seinem kleinen Finger umwerfen - ich tu's wirklich."

„Was geht mich dein großer Bruder an? Ich habe einen Bruder, der viel größer ist als deiner - der kann deinen Bruder über diesen Zaun werfen." (Beide Brüder waren erfunden.)

„Lügner!"

„Das bin ich noch längst nicht, auch wenn du es sagst!"

Mit seiner großen Zehe zog Tom einen Strich in den Sand und sagte: „Wenn du es wagst, über diesen Strich zu treten, verdresch ich dich so, dass du nicht mehr aufstehen kannst."

Prompt trat der fremde Junge über die Linie und sagte: „Nun tu's schon, wenn du es immer sagst!" „Sieh dich vor - fordere mich nicht heraus!" „Tu's doch!"

„Teufel auch, für zwei Pfennig tu ich's."

Der fremde Junge zog zwei Kupferstücke aus der Tasche und hielt sie Tom höhnisch unter die Nase. Tom schlug sie ihm aus der Hand. Im nächsten Augenblick rollten beide Jungen am Boden, ineinander verkrallt wie Katzen; sie zerrten sich gegenseitig an den Haaren und Kleidern und schlugen sich auf die Nasen und bedeckten sich mit Staub und Ruhm. Schließlich nahm das Kampfgewühl erkennbare Formen an, und durch den Straßenstaub wurde Tom sichtbar. Er saß rittlings auf dem fremden Jungen und bearbeitete ihn mit seinen Fäusten.

„Sag: Genug!", schrie er.

Der Junge versuchte, sich zu befreien. Er heulte vor Wut.

„Sag: Genug!" - Die Schläge prasselten von neuem.

Schließlich überwand sich der Fremde zu einem erstickten „Genug!"

Tom ließ ihn aufstehen und sagte: „Das wird dir eine Lehresein! Das nächste Mal wirst du dich besser vorsehen, mit wem du anbändelst."

Der Junge lief schluchzend und schnaufend davon und klopfte den Staub von seinen Kleidern. Ab und zu drehte er sich um, schüttelte die Faust und drohte, er werde Tom das nächste Mal auflauern. Tom antwortete nur mit einem verächtlichen Schnauben, drehte sich um und wollte weitergehen. Da nahm der fremde Junge einen Stein und warf ihn Tom in den Rücken. Dann jagte er davon wie ein Wiesel.

Tom lief dem Hinterlistigen nach bis zu dessen Haus und erfuhr auf diese Weise, wo er wohnte. Er blieb noch eine Weile draußen am Zaun stehen und forderte den Feind auf, herauszukommen. Aber der Feind schnitt ihm nur Fratzen hinter dem Fenster und lehnte ab.

Schließlich erschien die Mutter des Feindes, nannte Tom ein schlechtes, bösartiges, gewöhnliches Kind und jagte ihn fort. Er ging, aber er vergaß nicht zu sagen, dass er sich erlauben würde, ihren Bengel einmal aufzusuchen.

An diesem Abend kam er ziemlich spät nach Hause. Sehr vorsichtig stieg er durchs Fenster, konnte es aber unglücklicherweise nicht verhindern, dass seine Tante ihn sah. Als sie bemerkte, in welchem Zustand seine Kleider waren, fasste sie den festen Entschluss, Tom dafür zu bestrafen und aus seinem freien Samstag einen harten Arbeitstag zu machen.

Strafarbeit zu verkaufen!

Klar und frisch kam der Samstagmorgen; die ganze Sommerwelt war erfüllt von Leben. Heute hatte ein jeder ein Lied im Herzen und wem das Herz jung war, dem drängte sich eine Melodie auf die Lippen. Die Menschen schritten beschwingt und leicht dahin, und ihre Gesichter waren fröhlich. Die Akazienbäume standen in voller Blüte und erfüllten die Luft mit Wohlgeruch.

Tom erschien mit einem Eimer voll weißer Farbe und einem langstieligen Pinsel. Er musterte den Zaun und da verließ ihn aller Frohsinn und machte einer tiefen Traurigkeit Platz. Zehn Meter lang und über zwei Meter hoch war der Zaun! Es war zum Verzweifeln -das Leben war nur noch eine Plage! Seufzend tauchte er den Quast in die Farbe und strich damit über die oberste Planke. Er wiederholte diese Übung zweimal, verglich den getünchten Streifen mit der unübersehbaren Fläche des ungetünchten Zaunes und setzte sich dann entmutigt auf einen Baumstumpf.

Ausgelassen hüpfend, kam jetzt Jim mit einem Blecheimer aus dem Tor und sang den neuesten Schlager „Buffalo-Mädchen" Tom hatte sich immer davor gedrückt, Wasser aus dem Stadtbrunnen zu holen, aber heute beneidete er Jim um diese Arbeit. Er erinnerte sich, dass es am Brunnen lustig war. Weiße Kinder, Mulatten- und Negerkinder trafen sich dort beim Wasserholen, tauschten Spielsachen und stritten und balgten sich. Tom wusste auch, dass Jim immer eine volle Stunde brauchte, um einen Eimer Wasser zu holen, obwohl doch der Brunnen nur 150 Meter weit entfernt war - und selbst dann musste immer noch jemand gehen, ihn zu suchen.

Tom sagte: „Du, Jim, wenn du ein bisschen weitertünchst, will ich das Wasser für dich holen."

Jim schüttelte den Kopf und sagte: „Kann nicht, Master Tom. Alte Missis hat mir gesagt, ich soll nur Wasser holen gehen und nicht mit Master Tom sprechen. Sie sagen, sie wissen, dass Master Tom keine Lust hat zum Tünchen, aber ich sollen Wasser holen gehen."

„Ach, mach dir doch nichts daraus, was sie sagt, Jim. So redet sie immer. Gib mir den Eimer - ich bin gleich wieder da. Sie wird es doch nicht erfahren."

„Oh, ich dürfen nicht, Master Tom. Alte Missis werden Fell über Ohren ziehen!"

„Sie! Sie haut nie jemand — höchstens klopft sie einem mit ihrem Fingerhut auf den Kopf - und wer macht sich schon was daraus? Sie redet dummes Zeug, aber das tut ja niemand weh - na ja, nur wenn sie weint... Jim, ich hab auch was Schönes für dich, guck mal, 'ne weiße Murmel!"