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Vor vielen Jahren hatte ich einst ein hübsches kleines Buch mit dem Titel Sphereland von einem Mathematiker namens Burger gelesen. Es war eine Fortsetzung von Abbots altem Klassiker Flatland, in der einige Passagen über die Reversion zweidimensionaler Wesen durch eine Kreatur aus dem übergeordneten dreidimensionalen Raum vorkommen. Reinrassige Hunde und Promenadenmischungen waren hier Spiegelbilder voneinander, symmetrisch, aber nicht kongruent. Die reinrassigen Köter waren seltener und teurer, ein kleines Mädchen wünschte sich aber so sehr einen. Ihr Vater arrangierte es, daß ihr Bastard mit einem Reinrassigen gepaart wurde, und hoffte, so die begehrteren Reinrassigen lachten zu können. Das ging natürlich schief, alle aus dem Wurf erwiesen sich als Promenadenmischungen. Später verwandelte unser Besucher aus dem übergeordneten Raum sie dann doch noch in reinrassige Hunde, indem er sie einfach in der dritten Dimension umdrehte und auf den Kopf stellte. Die geometrische Moral, auch wenn sie gut durchdacht war, hatte mich aber an der Geschichte nicht so sehr fasziniert. Vielmehr konzentrierten meine Gedanken sich noch lange Zeit auf den vollzogenen Paarungsakt – zwei symmetrische, aber inkongruente Hunde machten sich in zwei Dimensionen daran.

Die einzige durchführbare Prozedur beinhaltete eine canis obversa Position, die ich mir bildlich als kreiselähnlich rotierend im zweidimensionalen Raum vorstellte. Das so entstehende Mandala hatte ich eine Zeitlang als Meditationshilfe bei meinen Yoga-Übungen verwendet. Nun begegnete es mir wieder in den Hallen des Schlummers. Ich war umgeben von einer Unmenge todernster Hunde, die sich krümmten und wanden, stumm ihrem Geschäft nachgingen und sich dabei nur gelegentlich einmal in den Nacken bissen. Dann wehte ein eiskalter Wind über mich, und die Hunde lösten sich in Luft auf, ich war durchgefroren und allein.

Erwachend stellte ich fest, daß Woof mir die Decke gestohlen hatte; er hatte sich in einer Ecke darauf zusammengerollt. Schnatternd holte ich sie mir wieder. Er versuchte mir vorzutäuschen, alles sei nur ein Mißverständnis gewesen, das alte Schlitzohr, aber ich wußte es besser, und das sagte ich ihm auch. Als ich später nochmals hinübersah, erblickte ich nur seinen Schwanz sowie einen eingeschnappten Gesichtsausdruck zwischen den Haaren.

8

Sie warteten darauf, daß ich etwas sagte, etwas tat. Aber ich konnte nichts sagen und auch nichts tun. Wir würden sterben, das war alles. Ich sah zum Fenster hinaus zur Küste, wo die Wogen der See ans Ufer und wieder hinabrollten. Ich erinnerte mich an meinen letzten Tag in Australien. Damals war Ragma gekommen, der einen Ausweg gewußt hatte. In fairen Situationen sollte es immer einen Ausweg geben. Aber dieses Mal sah ich keine Tore in der Wüste, so sehr ich es auch versuchte, die Situation war überhaupt nicht fair.

„Nun, Fred? Haben Sie uns etwas zu sagen? Oder sollen wir fortfahren? Alles liegt an Ihnen.“

Ich sah Mary an, die am Stuhl festgebunden war. Ich versuchte, nicht in ihr angstverzerrtes Gesicht, in ihre schreckgeweiteten Augen zu blicken, aber ich tat es trotzdem. Ich hörte, wie Hals kurze Atemstöße neben mir stoppten, als bereite er sich auf einen Sprung vor. Aber Jamie Buckler hörte das auch und winkte lediglich sacht mit der Waffe. Hal sprang nicht. Er sah ein, daß er keine Chance hatte.

„Mister Zeemeister“, sagte ich. „Wenn ich den Stein hätte, dann würde ich ein goldenes Schleifchen darum binden und ihn Ihnen überreichen. Wenn ich wüßte, wo er ist, dann würde ich es Ihnen sagen oder ihn auch selbst holen. Ich möchte nicht, daß Mary, Hal und ich sterben. Fragen Sie mich, was Sie wollen, ich werde es Ihnen sagen.“

„Ich will nichts anderes wissen“, sagte er und hob die Rundzange hoch.

Sie würden uns foltern und töten, wenn wir nichts unternahmen. Aber wenn wir die Antwort wüßten und sie ihnen sagen würden, dann würden sie uns auch töten. Wie auch immer man es drehte und wendete …

Aber wir würden nicht einfach tatenlos hier stehenbleiben.

Das wußten wir alle. Wir würden versuchen, sie zu überrumpeln, und dabei würden Mary, Hal und ich verlieren.

Wo du auch immer sein magst und wer du auch bist, dachte ich schrill, wenn du etwas tun kannst, dann tu es gleich!

Zeemeister hatte Marys Handgelenk umklammert und zog ihren Arm nach oben. Als er mit der Zange einen ihrer Finger packen wollte, kam der Heilige Geist – oder einer von diesen Knaben – in das Zimmer geschwebt.

Als ich fluchend und keuchend Jefferson Hall verließ, hatte ich bereits den Entschluß gefaßt, daß der Beamte vom Innenministerium namens Theodore Nadler der nächste sein würde, dem ich eins aufs Auge gäbe. Als ich an der Fontäne vorbei zum Studentenheim ging, erinnerte ich mich an mein Versprechen, Hal anzurufen. Ich beschloß, ihn anzurufen, bevor ich Nadlers Nummer, die Wexroth mir gegeben hatte, ausprobieren wollte.

Bevor ich zum Telefon ging, holte ich mir noch eine Tasse Kaffee und einen Berliner. Wie ich nun, nach dreizehn Jahren, feststellte, war es nur die totale Umkehr jedes Moleküls des Trinkenden beziehungsweise des Getränkes, die das Gebräu der Mensa trinkbar machte. Da sah ich Ginny in einer Ecke, und meine guten Vorsätze verschwanden. Ich blieb stehen und wandte mich in diese Richtung. Aber dann wich jemand aus, und ich sah, daß sie mit einem Burschen zusammen war, den ich nicht kannte. Ich beschloß, mein Glück später noch einmal zu versuchen, und ging weiter in die Telefonecke. Sämtliche Telefone waren belegt, daher schritt ich auf und ab und nippte an meinem Kaffee. Taps, taps. Schlürf, schlürf …

Plötzlich hörte ich hinter mir eine Stimme: „He, Cassidy! Komm schon, das ist der, von dem ich dir erzählt habe.“

Ich wandte mich um und sah Rick Liddy, der Englisch als Hauptfach belegt hatte und auf alles eine Antwort wußte, nur nicht auf die Frage, was er mit seinem Doktortitel, den er im Juni bekommen würde, anfangen sollte. Neben ihm stand eine kleinere Version seiner selbst in einem Sweatshirt mit der Aufschrift Yale.

„Fred, das ist mein Bruder Paul. Er wollte sich dieses Loch hier mal ansehen“, sagte er.

„Hallo, Paul.“

Ich stellte meinen Kaffee auf den Fenstersims, wollte ihm die falsche Hand reichen, besann mich aber noch rechtzeitig. Ich kam mir ein wenig dumm vor, als ich ihn begrüßte.

„Das ist er“, intonierte Rick. „Wie der Ewige Jude oder der Wilde Jägersmann. Der Mann, der niemals eine Graduierung anstrebte. Subjekt zahlloser Balladen und Limericks. Fred Cassidy, der Ewige Student.“

„Du hast den Fliegenden Holländer vergessen“, sagte ich. „Außerdem heißt das Doktor Cassidy, verdammt noch mal!“

Rick begann zu lachen.

„Stimmt es, daß du ein nächtlicher Kletterer bist?“ wollte Paul wissen.

„Manchmal“, sagte ich, wobei ich spürte, wie ein gewaltiger Abgrund zwischen uns zu klaffen begann. Diese verdammte Urkunde tat bereits ihre Wirkung. „Manchmal schon.“

„Das ist großartig“, sagte er. „Das ist wirklich großartig. Ich wollte schon immer einmal den richtigen Fred Cassidy sehen – den Kletterer.“

„Der Wunsch hat sich erfüllt“, sagte ich.

Dann legte jemand auf, und ich grapschte sofort nach dem Hörer.

„Bitte entschuldigt mich.“

„Yeah. Bis später, Fred. Entschuldige … Doktor.“

„Hat mich sehr gefreut.“

Ich fühlte mich merkwürdig depressiv, als ich Hals Nummer rückwärts wählte. Sein Anschluß war besetzt. Daher probierte ich es mit Nadlers Nummer. Die Stimme des automatischen Anrufbeantworters fragte mich nach der Nummer, unter der ich zu erreichen war, nach einer Nachricht meinerseits oder beidem. Ich sagte ihr keines von beiden. Dann probierte ich wieder Hals Nummer. Dieses Mal kam ich durch – es schien mir, als sei kein Sekundenbruchteil nach dem Klingelzeichen verstrichen. Er mußte neben dem Telefon gestanden haben.