„Das ist korrekt.“
„Also hatten Hal und ich ihn möglicherweise, ja, sogar mit größter Wahrscheinlichkeit, eine ganze Zeit lang in unserer gemeinsamen Wohnung. Dann verschwand er.“
„Sieht so aus.“
„Und was soll ich nun genau tun, falls ich diesen Job annehme?“
„Zuallererst“, entgegnete er, „würde ich gerne eine qualifizierte Person zur Erde bringen lassen, da Sie ja Ihre Welt nicht verlassen wollen, um sich von einem telepathischen Analytiker untersuchen zu lassen, und Siblas Fähigkeiten nicht Ihren Vorstellungen entsprechen.“
„Sie sind noch immer der Meinung, irgendwo in meinem Gehirn könne ein Hinweis verborgen sein?“
„Damit müssen wir rechnen oder etwa nicht?“
„Doch, ich glaube schon. Was ist mit Hal? Vielleicht verfügt er ebenfalls über unterbewußte Informationen.“
„Diese Möglichkeit besteht natürlich auch, aber ich bin geneigt, ihm zu glauben, wenn er meint, er habe den Stein bei Ihnen zurückgelassen. Dessen ungeachtet – erst vor kurzem hat er Mister Nadler zugesichert, jede analytische Prozedur über sich ergehen zu lassen, die von Nutzen sein könnte.“
„Dann werde ich das ebenfalls tun. Bringen Sie Ihren Analytiker her. Wenn er nur sein Handwerk versteht und ich diese Welt nicht verlassen muß.“
„Also gut. Das hätten wir erledigt. Bedeutet das, Sie nehmen den Job an?“
„Warum nicht? Warum sollte ich kein Geld für meine Nachforschungen annehmen – besonders, da die Schecks von den Leuten kommen, die meinen bisherigen Lebensstil zerstört haben?“
„Dann verbleiben wir vorerst einmal so. Der Transport des Analytikers, den ich ausgesucht habe, wird einige Tage in Anspruch nehmen. Mister Nadler hat noch einige Formulare, die Sie bitte unterzeichnen wollen. Während Sie das tun, werde ich ein kleines Apparatchen aufbauen, das wir mitgebracht haben.“
„Was für ein Apparatchen?“
„Ihr Bein heilte damals doch famos, nicht wahr?“
„Ja.“
„Dasselbe werde ich jetzt mir Ihrer Brustverletzung tun. Sie werden voraussichtlich noch heute abend die Klinik wieder verlassen können.“
„Das wäre mir mehr als recht. Und was dann?“
„Dann müssen Sie nur noch ein paar Tage jeden Ärger meiden. Das könnte erreicht werden, indem wir Sie einsperren oder in dem wir Sie einfach unter Beobachtung halten, zusammen mit Ihrem Versprechen, sich aus allen Schwierigkeiten herauszuhalten. Ich vermute, Sie wählen das letztere.“
„Da vermuten Sie richtig.“
„Dann füllen Sie bitte die Formulare aus. Ich werde die Einheit warmlaufen lassen und Sie dann vorsichtshalber betäuben.“
Und so geschah es auch.
Später, als sie wieder gingen – ich hatte alle Formulare unterzeichnet, Nadler hatte seine Brille wieder aufgesetzt, und Ragma war in sein Kostüm geschlüpft –, wandte Ragma sich noch einmal um und sagte zu mir: „Ganz nebenbei, nun, da wir so etwas wie eine Einigung erzielen konnten – wollen Sie mir nicht sagen, warum Sie sich umkehren ließen?“
Ich wollte es ihm sagen. Es schien zwecklos, ihm etwas zu verheimlichen, nun, da wir im selben Boot saßen, um es einmal so auszudrücken. Ich konnte ihm durchaus behilflich sein.
Ich öffnete den Mund. Aber die Worte kamen mir nicht korrekt über die Lippen. Ich verspürte eine Trockenheit in der Kehle, meine Zunge wurde dick und pelzig, ich spürte, wie sich meine Gesichtsmuskeln zu einem Lächeln zusammenzogen, und ich sagte: „Darauf würde ich gerne etwas später zu sprechen kommen, ja? Sagen wir morgen oder übermorgen?“
„Einverstanden“, sagte er. „Ist auch nicht so wichtig. Wir können ja zu gegebenem Zeitpunkt die Umwandlung wieder rückgängig machen. Ruhen Sie sich jetzt aus, essen Sie tüchtig, und sehen Sie zu, daß Sie wieder gesund werden. Mister Nadler wird im Laufe dieser Woche noch einmal zu Ihnen kommen. Guten Tag.“
„Auf bald.“
„Ich lasse von mir hören“, sagte Nadler.
Sie schlossen die Tür hinter sich. Ich war mir sicher, daß ich noch nicht die ganze Geschichte kannte. Aber sie auch nicht. Ich war zwar bereit gewesen, mich ihnen rückhaltlos anzuvertrauen, aber mein Körper hatte mir einen Streich gespielt. Das erschreckte mich auch ein wenig, da es mich an mein Erlebnis im Bus erinnerte. Ich sah noch immer das sorgenvolle Gesicht des alten Mannes vor mir, der mich gefragte hatte, ob es mir gutgehe. War mir eben ein vergleichbares Ereignis widerfahren, eine bizarre Posse meines Nervensystems? Ein Effekt der Umkehr? Dieser Gedanke gefiel mir überhaupt nicht. Auch meine sämtlichen Erfahrungen und Studien über das Wesen der Menschen waren mir nun keine Hilfe mehr.
President Eliot, wir haben Probleme.
10
Während die reben- oder kabelähnlichen Tentakel, die mich an Hüfte und Schulter umklammert hielten, mich hoch in die Luft hoben, wo mir, wenn ich den Kopf drehte, ein Blick auf den massiven Unterbau des Dinges gewährt wurde, bis hinunter, wo es aus einem Schleimtümpel im Zentrum des Raumes auftauchte, dachte ich nach, gleichzeitig klappten die enormen Kiefer der Venusfliegenfalle auseinander, ihr rötliches Inneres enthüllend, ich überlegte, daß man mir, obwohl die meisten Unfälle auf Achtlosigkeit beruhen, dieses Mal ganz bestimmt keinen Vorwurf machen konnte. Seit meiner Entlassung aus dem Krankenhaus war ich ein redlicher Angestellter des Innenministeriums gewesen, ich war ganz in meiner Arbeit aufgegangen.
Als das Ding einen Moment zögerte, wahrscheinlich, um über die beste Disposition der Alkaloide nachzudenken, die die Verdauung meines Körpers freisetzen würde, schossen mir die Erinnerungen an die letzten paar Tage durch den Kopf. Viele waren es nicht, denn es war noch nicht lange her, seit ich dem Tod zum letzten Mal ins Antlitz hatte schauen müssen.
Ich weiß nicht mehr genau, ob ich von diesem dummen Lächeln oder einfach nur von morbider Neugier geleitet wurde, als ich meine nächsten Handlungen plante. Dr. Drade wollte mich zur weiteren Beobachtung im Hospital behalten, obwohl er sich doch mit eigenen Augen von der Heilung meiner Brustwunde überzeugen konnte. Trotzdem konnte ich mich seiner Obhut entziehen; ungefähr fünf Stunden nachdem Nadler und Ragma gegangen waren, verabschiedete ich mich. Hal holte mich ab und fuhr mich nach Hause.
Ich lehnte eine Einladung von Hal und Mary zum Essen ab und ging an diesem Abend früh zu Bett, aber erst, nachdem ich Ginny angerufen hatte, die nun ängstlich bemüht schien, genau dort wieder an unser Zusammenleben anzuknüpfen, wo wir in meinen Tagen als Student stehengeblieben waren. Wir verabredeten uns für den kommenden Nachmittag, und nach einer kurzen Tour über die Dächer der Nachbarhäuser legte ich mich schlafen.
Ob mein Schlaf ungestört verlief? Nein, keinesfalls. Ich lag lange wach, döste hin und wieder einmal ein, während mich düstere Gedanken heimsuchten. Ich wog meine Situation ab und machte mir Sorgen über meine Zukunft, entschlummerte wieder kurz, von Alpträumen geplagt, bis ich schließlich dankbar zur Kenntnis nahm, daß es bereits sechs Uhr in der Frühe war.
Danach schlief ich noch einmal längere Zeit relativ ruhig. Ich erwachte und wußte auch sofort, was ich zu tun hatte. Ich machte mich sofort daran, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen, damit es nicht wieder wie eine Zwangshandlung wirkte. Nach einer gewissen Zeit kam ich zu der Auffassung, daß man es wirklich nicht als solche bezeichnen konnte. Wahrscheinlich würde jeder gern Näheres über den Ort erfahren wollen, wo er um ein Haar sein Ende gefunden hätte.
Es war ein kühler, klarer Morgen, der den Geruch nach Frost mit sich brachte. Während ich seewärts fuhr, dachte ich an meinen neuen Job, an Ginny und an das Lächeln. Der Job trug viel dazu bei, meine augenblicklichen Schwierigkeiten aus der Welt zu schaffen. Nadler hatte mir sein Wort gegeben; je mehr ich darüber nachdachte, desto ruhiger wurde ich. Wenn man schon arbeiten muß, dann ist es ganz gut, wenn man eine interessante Aufgabe hat, eine, die einem ein klein wenig Spaß macht. Sämtliche Rassen dort draußen, von denen wir noch so gut wie überhaupt nichts wußten … ich hatte die Gelegenheit bekommen, das Unbekannte auszuloten, das Exotische zu erforschen, und konnte dabei noch etwas zum gegenseitigen Verständnis beitragen.