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»Die Errichtung der Säulenhalle zu Ehren von Amun-Re, dem König der Götter, ist zu gleichen Teilen von diesem Tempel und von unserem königlichen Schatzamt finanziert worden. Das ist ein Zeichen für unser geschlossenes Vorgehen. Mit der Erbauung dieses grandiosen Monuments wurde auf Geheiß meines Großvaters, Amenophis III., begonnen. Er wäre stolz zu sehen, dass das, was er vor vielen Jahren angefangen hat, von seinem Enkelsohn endlich zur prachtvollen Vollendung geführt wurde.«

Er hielt inne und horchte in die erwartungsvolle Stille im Saal.

»Die Beiden Länder sind selbst ein großartiges Monument, ein grandioses Werk, das von ewiger Dauer ist. Und zusammen errichten wir ein neues Königreich; und diese neue Halle, die größte und ehrwürdigste, die es auf dieser Erde gibt und je gegeben hat, ist der Beleg für unsere Triumphe, unsere Träume und damit unsere Nähe zu den Göttern. Ihr großen Männer des Rates dieser großartigen Stadt und des Königreiches der Beiden Länder, ich lade euch alle zur feierlichen Eröffnung ein, denn ihr habt zur Erschaffung des Monuments beigetragen und sollt teilhaben an seiner Pracht.«

Seine Ansprache schallte leise durch die Stille im Saal. Viele nickten zustimmend und waren sichtlich zufrieden damit, wie er sie alle in seine Vision eingebunden hatte.

»Jetzt bitte ich unseren Regenten Eje, den Gottesvater, der uns stets so gute Dienste geleistet hat, euch in unserem Namen über weitere Staatsangelegenheiten zu informieren.«

Vielleicht war ich nicht der Einzige, für den die dezente Anwendung der Vergangenheitsform eine Anspielung auf gewisse neue und interessante Spannungen war. Eje hatte es ganz bestimmt mitbekommen, denn er hatte ein feines Gehör für Nuancen. Äußerlich ließ nichts darauf schließen. Er trat langsam aus den Schatten, überspielte die Schmerzen, die wie ein Hund an seinen alten Knochen nagten, und nahm seinen rechtmäßigen Platz unter dem König und der Königin ein. Mit gebieterischer Miene musterte er die Gesichter der Anwesenden. Sein Gesicht war hager, sein Blick unbarmherzig und unnachgiebig. Dann erstattete er mit seiner beinahe tonlosen Stimme dem König und dem Rat ausschweifend, gefühllos und formell Bericht. Ich sah mich um; sein Publikum beugte sich vor, um nur ja jedes Wort zu verstehen, ganz so, als seien sie alle wie hypnotisiert, nicht vom Inhalt seiner Worte, wohl aber davon, wie fesselnd leise er sie sprach, was so sehr viel effektiver war als demonstratives, hohles Lärmen. Dann kam er zum eigentlichen Punkt.

»Nach den schändlichen und untragbaren Vorkommnissen während des Festes hat eine umfassende Untersuchung stattgefunden, die von unserer städtischen Polizei schnell und effizient durchgeführt wurde.«

Er ließ seinen Blick durch die Runde der versammelten Männer schweifen, bis er Nebamun entdeckte. Er nickte ihm zu, und daraufhin begannen auch die Männer, die um diesen herumstanden, respektvoll zu nicken. Sofort schwoll Nebamun vor Stolz der Kamm.

»Die Rädelsführer waren geständig und wurden zusammen mit ihren Ehefrauen, ihren Kindern und allen weiteren Mitgliedern ihrer Sippen gepfählt. Ihre Leichen sind auf die Mauern unserer Stadt gelegt worden, damit sie jeder sehen kann. Obwohl für die begangene Tat keine Bestrafung ausreichend ist, wurde damit ein Exempel statuiert, und das Problem wurde ausgemerzt

Er legte eine Pause ein und musterte die Ratsherren, als fordere er sie heraus, diese Darstellung von Gerechtigkeit und Strafe in Frage zu stellen.

»Der Chef der städtischen Medjai hat mir versichert, dass es keine weiteren öffentlichen Störfälle dieser Art geben wird. Ich vertraue seiner Einschätzung. Die Tüchtigkeit, mit der er den Aufruhr untersucht hat, die Disziplin und das Engagement, mit denen er die Schuldigen hat verhaften und hinrichten lassen, waren vorbildlich. Ich wünschte, andere wären bei ihrer Arbeit mit dem gleichen Eifer bei der Sache. Somit gewähren wir ihm, in Anerkennung seiner Leistung, eine Goldene Ehrenkette, sowie, wirksam mit dem heutigen Tage, das doppelte Budget für die städtischen Medjai, die seinem Befehl unterstehen.«

Nebamun bahnte sich seinen Weg durch die bewundernde Menge, nahm die Anerkennung und den Beifall entgegen, das Kopfnicken und das Schulterklopfen, bis er schließlich vor dem hageren alten Mann stand und den Kopf vor ihm verneigte. Als Eje die Kette um den fetten Hals meines Vorgesetzten legte, verspürte ich das Bedürfnis, nach vorn zu laufen und sie ihm herunterzureißen. Denn wer von den hier Anwesenden wusste, welche Ungerechtigkeit und Grausamkeit er über unschuldige Menschen gebracht hatte, um diesen Moment hier zu erleben, dieses Gold zu empfangen? Mir drehte sich der Magen um vor Ekel. Er schaute auf, bezeigte Eje, dem König und der Königin mit diversen Gesten seine Dankbarkeit und gesellte sich dann wieder zurück zu seinen Kumpanen. Dabei bedachte er mich mit einem frostigen Kopfnicken. Ich wusste, dass er diese Auszeichnung dazu nutzen würde, mir das Leben in Zukunft noch schwerer zu machen.

Eje sprach weiter. »Ordnung ist alles. Wir haben die maat in den Beiden Ländern wiederhergestellt. Ich werde weder skrupellosen Elementen noch regimekritischen Kräften erlauben, die Stabilität und Sicherheit unseres Königreiches zu gefährden.«

Er sagte das, als würde die Tatsache, dass er es sagte, zwangsläufig zur Folge haben, dass es auch so kam; als sei er der alleinige Gebieter über diese Ordnung.

»Deshalb wollen wir uns jetzt den Hethiter-Kriegen zuwenden. Uns ist von siegreichen Schlachten berichtet worden, durch die zum einen neue Gebiete erobert wurden, zum anderen uns bereits gehörende Städte und Handelsrouten gehalten wurden und ihre Sicherheit verbessert werden konnte. Wir rechnen damit, dass die Hethiter uns bald ihre Verhandlungsbedingungen vorlegen werden. Der alte Feind der Beiden Länder befindet sich auf dem Rückzug!«

Das war nichts als eine leere Behauptung, die mit unterwürfigem Applaus bedacht wurde. Denn jeder wusste, dass wir weit davon entfernt waren, unsere Kriege zu gewinnen, und die Schlachten gegen die Hethiter waren nur die jüngsten Scharmützel im endlosen Konflikt in den Grenzgebieten und den Ländern zwischen den beiden Königreichen, und so leicht ließ sich das Ganze nicht lösen.

Eje sprach weiter. »Sofern es keine weiteren Dinge gibt, die mit meinen verehrten Freunden und Kollegen besprochen werden müssen, ziehen wir uns jetzt zum Bankett zurück.«

Mit unheilvollem Blick starrte er auf sein Publikum. Es herrschte Schweigen, und ich sah, dass niemand es wagte, ihm zu widersprechen.

Als er, gefolgt von Anchesenamun und Tutanchamun, von dem Podest stieg, gingen sie alle auf die Knie, langsam und wenig überzeugend, wie ein Haufen betagter Zirkusäffchen.

Im angrenzenden Saal warteten zahllose Ständer mit Tabletts. Auf jedem einzelnen türmten sich Speisen: Brot, Brötchen und Kuchen, alles frisch aus der Bäckerei; gebratenes Fleisch; dick glasiertes, gebratenes Geflügel; gebackener Kürbis und geröstete Schalotten; Honigwaben; ölig glänzende Oliven; riesige Reben blauer Trauben; eine erstaunliche Fülle von Feigen, Datteln und Mandeln. All die guten Dinge des Landes, zu Haufen aufgestapelt.

Was folgte, war ein lehrreiches Spektakel. Denn diese Männer, die noch nie in der Mittagssonne die Erde beackert oder eigenhändig ein Tier geschlachtet hatten, rasten zu den Ständern, als seien sie die verzweifelten Opfer einer Hungersnot. Sie legten weder Scham noch Manieren an den Tag, stießen einander mit den Ellbogen aus dem Weg und drückten und schoben sich, um die duftenden Berge aus Köstlichkeiten zu erreichen. Und diese Köstlichkeiten, deren Zubereitung sicher sehr viel Zeit in Anspruch genommen hatte, fielen dann von ihren überquellenden Tellern und wurden von den Sohlen ihrer Sandalen zerquetscht. Sie waren so gierig, dass sie sich selbst bedienten, statt zu warten, bis sie bedient wurden. Trotz der irgendwie abstoßend großen Mengen an Speisen, von denen das Gros der Bevölkerung nur träumen konnte, benahmen sie sich, als hätten sie entsetzliche Angst, es könne nicht genug davon geben. Als hätten sie irgendwie Angst, es wäre niemals genug, gleichgültig, wie viel man ihnen vor die Nase stellte.