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Aller Augen waren auf Eje gerichtet. Sein Patriziergesicht zeigte keinerlei Regung. Herrisch winkte er einem der Schreiber zu, der daraufhin mit einer Elfenbeinpalette und Rohrfedern nach vorn eilte und, als Eje das Wort ergriff, zu schreiben begann.

Wir begrüßen die Kommunikation mit dem ehrbaren General. Vernehmt unsere Antwort im Namen von Tutanchamun, Herr der Beiden Länder. Erstens. Es wurden diesem Feldzug sämtliche Soldaten und Waffen zur Verfügung gestellt, die angefordert wurden. Warum hat das nicht ausgereicht? Warum seid Ihr immer noch nicht mit einer Siegesparade heimgekehrt, mit gefesselten Gefangenen und Streitwagen, die beladen sind mit den abgehackten Händen toter Feinde, mit Schiffen, in deren Bug Ihr die besiegten Führer in Käfige gehängt habt, um sie dem König als Geschenke zu bringen? Zweitens. Der General erhebt haltlose Anschuldigungen im Hinblick auf die Kompetenz der Stadt und des Palasts, mit ihren eigenen Angelegenheiten fertigwerden zu können. Er hat auf Gerüchte gehört und ihren Lügen geglaubt. Dennoch hat er sich aus fadenscheinigen Gründen erboten, sich einfach seiner obersten Pflicht, seiner Aufgabe in der Schlacht von Kadesch zu entziehen. Das ist ein törichtes, verantwortungsloses und unnötiges Angebot. Ich zögere zwar, es so zu nennen, doch könnte es als Aufgabe seiner Stellung, als Rückzug aus seiner Verantwortung und im Grunde als Abtrünnigkeit gewertet werden. Der Befehl lautet Sieg, und was den angeht, versagt Ihr eindeutig. Vielleicht ist das der Grund, warum uns Euer Angebot just in diesem Moment erreicht. Eure Anweisungen von Tutanchamun, dem Herrn der Beiden Länder, lauten, an Euren Gefechtstützpunkten zu bleiben, zu kämpfen und zu siegen. Versagt nicht.

Das einzige Geräusch im Saal wurde von der Rohrfeder des Schreibers verursacht, die, während Eje sprach, über den Papyrus strich. Er reichte Eje die Schriftrolle, damit er sie versiegelte. Eje überflog den Text noch einmal, rollte das Dokument zusammen, verschnürte es und versah die Kordel mit seinem Siegel. Dann reichte er die Rolle dem Soldaten, der sich verbeugte, als er sie entgegennahm, und sie gegen die Schriftrolle eintauschte, die er bis jetzt mit sich geführt hatte.

Im nächsten Moment beugte Eje sich vor und flüsterte dem Soldaten etwas ins Ohr. Niemand konnte hören, was er sagte, aber die Wirkung, die seine Worte hatten, war dem Gesicht des Mannes deutlich anzusehen. Er sah aus, als sei soeben ein Fluch über ihn verhängt worden, der seinen Tod bedeutete. Ich empfand inzwischen beträchtliches Mitgefühl für ihn. Er salutierte und verließ den Saal. Und ich fragte mich, ob er noch so lange leben würde, dass er die Antwort würde überbringen können.

Nur gleichgültig, wie energisch und kraftvoll Ejes Worte waren, konnten sie doch nicht kitten, was zerbrochen war. Denn die Botschaft des Generals hatte die Illusion politischer Sicherheit zerstört. Und das leise Dröhnen der erregten und bestürzten Unterhaltungen, die begannen, kaum dass der Soldat den Saal verlassen hatte, war das Geräusch, das die Illusion von sich gab, als sie in Trümmer zerfiel. Ich sah, wie Anchesenamun diskret die Hand ihres Gemahls berührte, und im nächsten Moment erhob sich Tutanchamun. Für einen Moment sah er aus, als wisse er nicht so recht, warum er das getan hatte. Aber bereits im nächsten befahl er den Trompetern, den Raum mit ihren Fanfaren wieder zum Schweigen zu bringen, und dann ergriff er das Wort.

»Wir haben gehört, was der große General uns mitgeteilt hat. Er irrt sich. Das Große Land ist sicher und stark. Ein Königreich, das so herausragend, so großartig und so von ewiger Dauer ist wie die Beiden Länder, zieht Neid und Feindschaft auf sich. Doch werden wir allen Angriffen schnell und sicher trotzen. Widerspruch wird nicht geduldet. Und was die ›Komplotte‹ angeht, auf die der General anspielte, so handelt es sich dabei lediglich um Belanglosigkeiten. Gegen jene, die dafür verantwortlich sind, wird ermittelt, und sie werden eliminiert werden. Wir setzen unser Vertrauen auf diesen Mann.«

Plötzlich drehten sich alle um und sahen mich an, den Fremden in ihrer Mitte.

»Das ist Rahotep. Er ist der Leiter der Kriminalabteilung der städtischen Medjai. Wir betrauen ihn damit, den Behauptungen, die der große General im Hinblick auf unsere persönliche Sicherheit aufstellt, auf den Grund zu gehen. Er hat seine Befehle. Er hat die Vollmacht, die wir ihm gegeben haben, seine Ermittlungen durchzuführen, gleichgültig, wohin sie ihn führen.«

Auf einmal herrschte vollkommene Stille im Saal. Dann lächelte er und sprach weiter: »Es sind viele Staatsangelegenheiten zu erledigen. Mit der Arbeit, die für den heutigen Tag ansteht, haben wir gerade erst begonnen. Ich freue mich darauf, euch alle bei der Einweihung der Säulenhalle wiederzusehen.«

Zum zweiten Mal an diesem Tag wurde Eje ausgetrickst. Anchesenamun bedachte ihn mit einem kurzen Blick. Ihre Seele schien aus diesen Momenten etwas Mut geschöpft zu haben, das verriet ihr Blick. Darin glühte jetzt ein Funke Entschlossenheit, der viel zu lange nicht entfacht gewesen war. Als sie aus dem Raum schritt, schenkte sie mir ein ganz schwaches Lächeln. Dann entschwand sie, wurde aufgeklaubt von den aufgereiht wartenden Wachen und zurück in den Palast der Schatten eskortiert.

***

Nebamun verschwendete keine Zeit und trabte zu mir herüber. Er schwitzte. Sein Leinengewand war feucht, und nahezu unmerklich zuckten die kleinen roten Adern unter seinen trüben Augen. Keuchend hielt er mir einen seiner fetten kleinen Finger vors Gesicht.

»Egal, was du vorhast, Rahotep, vergiss eines nie dabei: Halte mich auf dem Laufenden. Ich will genau wissen, was vorgeht. Tu das, egal, welche Befugnisse der König dir gibt, denn wenn du es nicht tust, wirst du, wenn das hier alles vorbei ist und du deinen kleinen Privatauftrag erfüllt hast – vorausgesetzt du kommst damit überhaupt auf einen grünen Zweig, was ich bezweifle –, zu mir kommen und mit mir reden müssen. Und dann komm nur. Dann wirst du nämlich sehen, was bei der städtischen Medjai noch für dich übrig ist.«

Ich lächelte und verneigte mich vor ihm.

»Aller Ruhm ist nur von kurzer Dauer, und es ist ein weiter Weg zurück in die Masse. Ich werde sehr beschäftigt sein. Ich werde einen Bericht für dich schreiben.«

Dann drehte ich mich um und ging schnellen Schrittes davon in dem Wissen, dass ich mit diesen Worten meine Zukunft aufs Spiel gesetzt hatte, um ihm meine Verachtung zu zeigen, und dass ich ihn zu sehr hasste, als dass mich das einen Deut gekümmert hätte.

17

Als ich die Tempelanlage durch das Tor verließ, trat Kheti plötzlich aus der Menschenmenge, die sich hinter den Sicherheitsabsperrungen drängte.

»Komm schnell mit«, sagte er mit atemlos klingender Stimme.

»Ein weiteres Opfer?«

Er nickte.

»Allerdings ist der Mörder dieses Mal bei seiner Arbeit gestört worden. Beeil dich.«