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»Wo ist der Affe des Königs?«, fragte ich.

»Der ist beim König«, gab Anchesenamun zur Antwort. »Dieses Tier bedeutet ihm sehr viel.« Und dann, als wolle sie die Kindlichkeit des Königs erklären, fügte sie hinzu: »Ich habe Jahre gebraucht, um den König für unseren Plan zu erwärmen, und morgen soll er umgesetzt werden. Irgendwie muss er die Kraft dazu aufbringen, trotz des Ganzen hier. Irgendwie muss ich ihm helfen, das zu schaffen.«

Beide ließen wir unsere Blicke durch den Raum und über seine bizarre Ausstattung schweifen.

»Er liebt dieses Spielzeug mehr als alle Reichtümer der Welt«, erklärte sie ruhig und ohne viel Hoffnung in der Stimme.

»Vielleicht gibt es einen guten Grund dafür«, erwiderte ich.

»Es gibt einen Grund, und den kann ich nachvollziehen. Das hier sind die Schätze seiner verlorenen Kindheit. Es ist aber an der Zeit, diese Dinge wegzupacken. Es steht zu viel auf dem Spiel.«

»Vielleicht liegt die Kindheit in einem jeden von uns vergraben. Vielleicht bestimmt sie unsere Zukunft«, sinnierte ich.

»Wenn das stimmt, hat meine Kindheit mich dem Untergang geweiht«, entgegnete sie ohne Selbstmitleid.

»Vielleicht nicht, weil Ihr Euch dessen bewusst seid«, erwiderte ich.

Argwöhnisch sah sie mich an.

»Du redest nie wie ein Medjai.«

»Ich rede zu viel. Dafür bin ich bekannt.«

Fast lächelte sie.

Und dann sagte sie seltsamerweise: »Und du liebst deine Frau und deine Kinder.«

»Ja«, erwiderte ich wahrheitsgemäß, »das stimmt.«

»Aber genau an der Stelle bist du verletzbar.«

Diese Feststellung bestürzte mich.

»Inwiefern?«

»Es bedeutet, dass man dich zerstören kann, indem man andere zerstört. Eines hat man mir beigebracht: dass mir niemals jemand etwas bedeuten darf, denn wenn ich jemanden liebe, ist meine Liebe für diesen Menschen ein Todesurteil.«

»Das ist Überleben. Nicht Leben. Und außerdem erlaubt es dem anderen Menschen nicht zu lieben. Vielleicht hat man nicht das Recht, das zu tun. Nicht das Recht, diese Entscheidung für den anderen zu treffen«, sagte ich.

»Vielleicht«, gab sie zur Antwort. »Nur ist es in meiner Welt eine Notwendigkeit. Die Tatsache, dass ich mir wünschte, es wäre anders, vermag daran nichts zu ändern.«

Sie begann, unruhig durch den Raum zu laufen.

»Jetzt bin ich es, die Unsinn redet«, sagte sie. »Warum gebe ich solche Dinge von mir, wenn ich mit dir zusammen bin?«

»Eure Aufrichtigkeit ehrt mich«, gab ich vorsichtig zurück.

Sie bedachte mich mit einem sehr, sehr langen Blick, als müsse sie überlegen, ob diese Antwort vielleicht zweideutig war, sagte aber nichts weiter.

»Darf ich Euch eine Frage stellen?«, sprach ich sie schließlich wieder an.

»Natürlich darfst du das«, meinte sie und fügte mit einem angedeuteten Lächeln hinzu: »Ich will nicht hoffen, dass ich eine Tatverdächtige bin.«

»Derjenige, der diese Gegenstände hier einschmuggelt, kann sich ziemlich problemlos in den königlichen Gemächern bewegen. Wie sollten die Sachen sonst hier enden? Ich muss also wissen, wer Zutritt zu diesem Zimmer hier hat. Sicher die Kammerherren, Zofen, seine Amme …«

»Maia? Ja. Sie tut die ganz persönlichen, intimen Dinge für den König. Mich hasst sie natürlich. Sie gibt meiner Mutter für alles die Schuld und meint, weil ich unter Umständen von Verbrechen profitiert habe, die vor meiner Geburt begangen wurden, sollte ich jetzt dafür büßen.«

»Sie ist nur eine Dienerin«, erklärte ich.

»Sie flüstert dem König ihren Hass ins Ohr. Sie steht ihm näher als eine Mutter.«

»Ihre Liebe zum König steht aber außer Frage …«, sagte ich.

»Sie ist berühmt für ihre Loyalität und ihre Liebe«, erwiderte sie, wie nebenbei, und lief weiter durch den Raum. »Das ist alles, was sie hat.«

»Wer könnte sonst noch hier herein?«

Sie hob den Spielzeugaffen vom Boden und nahm ihn mit gleichgültiger Miene in Augenschein. »Nun, ich natürlich … Ich gehe aber nur äußerst selten in dieses Zimmer. Ich habe keinen Grund, hierherzukommen. Ich verspüre nicht den Wunsch, mit Spielzeug zu spielen. Ich habe ihn darin bestärkt, andere Dinge zu tun.«

Sie legte den Affen wieder zurück.

»Ganz abgesehen von allem anderen kann ich nur schwerlich eine Verdächtige sein, denn ich war es, die dich gebeten hat, den Fall zu untersuchen. Oder kommt das schon mal vor, dass sich genau die Person als die schuldige Partei erweist, die um eine Untersuchung bittet?«

»Manchmal. Angesichts Eurer Stellung denke ich mir, dass andere die Situation auslegen werden, wie es ihnen beliebt. So könnten sie beispielsweise behaupten, Ihr hättet gewollt, dass Euer Gemahl vor Angst wie gelähmt ist, damit Ihr selbst die Macht ergreifen könnt.«

Mit einem Schlag verloren ihre Augen sämtliche Farbe, wie ein Teich, wenn die Sonne untergeht.

»Die Leute stellen ihre Spekulationen an, das lieben sie. Daran kann ich nichts ändern. Meinen Gemahl und mich verbindet aber sehr viel mehr als nur das geteilte Leid. Zwischen uns besteht ein tiefes Band der Geschichte. Er ist das Einzige, was ich noch von dieser Geschichte habe. Und ich würde ihm niemals etwas zuleide tun, denn mal abgesehen von allem anderen würde das schwerlich meine persönliche Sicherheit erhöhen. Wir brauchen einander. Um beide zu überleben und eine Zukunft zu haben. Uns verbindet aber auch eine gegenseitige Fürsorglichkeit und tiefe Zuneigung …« Sie strich mit ihren sorgsam manikürten Fingern über die Laubsägearbeit eines der Vogelkäfige und klopfte sacht dagegen, sodass der Vogel, der darin saß, sie mit einem Auge beäugte und dann so weit davonflatterte, wie er eben konnte.

Dann drehte sie sich wieder zu mir um. Ihre Augen glänzten.

»Ich spüre überall Gefahr, in allem, in den Wänden, den Schatten. Die Angst kriecht mir durch den Verstand und die Haare wie Millionen Ameisen. Siehst du, wie meine Hände zittern? Und das tun sie immer.«

Sie streckte sie mir entgegen und schaute dabei auf sie nieder, als seien sie illoyal. Dann fand sie zu ihrem Selbstvertrauen zurück.

»Der morgige Tag wird unser aller Leben verändern. Ich möchte, dass du der Zeremonie beiwohnst.«

»Nur Priestern ist der Zutritt auf das eigentliche Tempelgelände gestattet«, erinnerte ich sie.

»Priester sind lediglich Männer in der richtigen Kleidung. Wenn du dir den Kopf rasierst und dich in weiße Leinengewänder hüllst, wirst du für einen Priester durchgehen. Wer sollte wissen, dass du keiner bist?«, meinte sie. Ein Gedanke, der ihre Laune sichtlich hob. »Manchmal hast du den Gesichtsausdruck eines Priesters. Du siehst aus wie ein Mann, der Mysteriöses gesehen hat.«

Ich wollte gerade darauf antworten, als Khay zurückkehrte. Demonstrativ verbeugte er sich.

»Die hohen Herren sind gegangen. Entrüstet und Drohungen ausstoßend, sollte ich vielleicht hinzufügen.«

»Das ist ihre Art«, erwiderte Anchesenamun, »und das wird vorübergehen.«

Wieder verbeugte sich Khay.

»Rahotep wird uns morgen zur Einweihungsfeier begleiten«, sprach sie weiter. »Man wird ihn angemessen kleiden müssen, damit seine Anwesenheit nicht gegen das Protokoll verstößt.«

»Sehr wohl«, erwiderte er im trockenen Ton eines Menschen, der nur Befehle befolgt.

»Ich möchte gern den Leibarzt des Königs kennenlernen«, sagte ich plötzlich.

»Pentu behandelt den König gerade«, gab Khay zurück.

»Ich bin überzeugt, dass er Rahotep ein paar Minuten seiner Zeit opfern wird«, erwiderte Anchesenamun. »Sag ihm, dass ich ihn um diese Gefälligkeit bitte.«

Wieder verbeugte sich Khay.