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»Ich muss jetzt zum König«, sagte sie. »Es muss noch so viel erledigt werden, und es ist nur noch so wenig Zeit.«

Dann fügte sie ruhig hinzu: »Kannst du heute Nacht hierbleiben, in den königlichen Schlafgemächern? Die Vorstellung, dass du hier bist, wäre sehr tröstlich für mich.«

Ich erinnerte mich an meine Verabredung mit Kheti.

»Leider muss ich zurück in die Stadt. Ich ermittle noch in einem anderen Fall, und an dem muss ich heute Nacht weiterarbeiten. Das lässt sich, fürchte ich, nicht vermeiden.«

Sie sah mich an.

»Armer Rahotep. Du versuchst, zwei Leben unter einen Hut zu bringen. Du wirst uns morgen früh Beistand leisten.«

Ich verneigte mich, und als ich wieder aufblickte, war sie verschwunden.

19

Pentu lief mit hinter dem Rücken verschränkten Armen auf und ab. Die Anspannung schien sein hageres, hochmütiges Gesicht auszudörren. Kaum dass ich den Raum betreten und man hinter uns den Vorhang zugezogen hatte, musterte er mich vom Scheitel bis zur Sohle, als sei ich ein lästiger Patient.

»Warum müsst Ihr mit mir reden?«

»Mir ist klar, dass Ihr ein vielbeschäftigter Mann seid. Wie geht es dem König?«

Er schaute zu Khay herüber, der nickte und damit signalisierte, dass er antworten solle.

»Er hat eine Panikattacke erlitten. Nicht zum ersten Mal. Seine Psyche ist sensibel und reagiert auf alles. Das wird vorübergehen.«

»Und wie behandelt Ihr ihn?«

»Ich habe den Anfall bekämpft, indem ich das wirksame Schutzgebet des Horus gegen die Dämonen der Nacht rezitiert habe.«

»Und hat es sich als wirksam erwiesen?«

Er runzelte die Stirn. »Selbstverständlich«, erwiderte er in einem Ton, in dem mitschwang, dass mich das überhaupt nichts anging. »Außerdem habe ich den König dazu bringen können, Heilwasser zu trinken. Er ist jetzt sehr viel ruhiger.«

»Was für ein Heilwasser?«, fragte ich.

Er schnaubte.

»Damit es seine magische Wirksamkeit erlangt, muss das Wasser über eine geweihte Stele gegossen werden, und nachdem es die Heilkraft der Steinschnitzereien absorbiert hat, wieder aufgefangen werden.«

Herausfordernd sah er mich an, als solle ich ihn nur weiter befragen.

Wir schwiegen einen Moment.

»Ich danke Euch«, sagte ich dann. »Die Welt der Medizin ist mir fremd.«

»Eindeutig. Wenn das alles ist …«, meinte er gereizt und wandte sich zum Gehen, aber Khay machte ein paar besänftigende Gesten, und so blieb er.

Es wurde Zeit, dass ich hervorstrich, wo meine Stärken lagen.

»Lasst es mich ohne Umschweife auf den Punkt bringen«, hob ich an. »Es ist inzwischen dreimal gelungen, in die königlichen Privatgemächer einzudringen. Jedes Mal wurde ein Gegenstand zurückgelassen, der eine sowohl physische als auch, zumindest von der Absicht her, metaphysische Bedrohung für den König darstellte. Ich habe also allen Grund, davon auszugehen, dass derjenige, der diese Dinge tut, Ahnung von Arzneibüchern hat und –«

»Was wollt Ihr damit unterstellen?«, brüllte Pentu. »Will dieser Mann etwa andeuten, dass er mich oder meine Angestellten verdächtigt?« Zornig blitzte er Khay an.

»Verzeiht mir, wenn ich mich da ungeschickt ausgedrückt habe. Meine Überzeugung beruht auf anderen Vorkommnissen, auf Ereignissen, die sich außerhalb des Palasts zugetragen haben. Ich denke aber, dass diese Staatsangelegenheit und die Konsequenzen, die sie auf die psychische Befindlichkeit des Königs hat, absolute Priorität für uns haben sollte. Denn wenn derjenige, der das Ganze verbrochen hat, die Dinge, die er getan hat, so leicht vollführen kann, was hat er dann bisher nicht getan?«

Er und ich sahen einander schweigend an.

»Warum setzen wir uns nicht?«, schlug Khay diplomatisch vor und nutzte damit die Gunst des Augenblicks.

Also nahmen wir auf den niedrigen Bänken Platz, die an der Wand standen.

»Erstens, da ich Grund zu der Annahme habe, dass der Täter selbst Arzt ist, wäre es hilfreich zu wissen, wie die Palastärzte organisiert sind und wer unmittelbaren Kontakt zum König hat«, sagte ich.

Pentu saß steif da und räusperte sich.

»Als Leibarzt des Nordens und des Südens habe allein ich direkten Kontakt mit dem König. Kein anderer Arzt darf zu ihm, es sei denn, ich bin dabei. Sämtliche Behandlungen werden von mir verordnet und autorisiert. Selbstverständlich sind wir auch mit der medizinischen Versorgung der Königin und der anderen Mitglieder der königlichen Familie betraut, und darüber hinaus behandeln wir alle, die in den königlichen Privatgemächern arbeiten, einschließlich der Dienerschaft.«

»Ihr sagtet ›andere Mitglieder der königlichen Familie‹. Wer ist denn da außer der Königin sonst noch?«

Er schaute zu Khay herüber.

»Ich meinte damit die Familien derer, die dem König und der Königin dienen«, erwiderte er mit eigentümlicher Gleichgültigkeit.

»Wie viele Ärzte arbeiten für den Palast?«

»Sämtliche Ärzte der Beiden Länder unterstehen meiner Autorität. Nur sehr wenige von uns sind Koryphäen in allen Bereichen der Mysterien, aber es gibt Spezialisten für das Auge, entweder für das linke oder für das rechte, für den Bauch, die Zähne, den Anus sowie die versteckt liegenden Organe, und die können auf der Stelle hinzugezogen werden, falls sich das als erforderlich erweist.«

»Und wenn ich richtig informiert bin, gibt es da Unterschiede, was die ärztliche Kompetenz angeht. Stimmt das?«

»Es liegt doch wohl auf der Hand, dass es da Unterschiede gibt. Meint Ihr nicht, dass es wichtig ist, zwischen einem Knochenklempner zu unterscheiden, der irgendwo auf einem Marktplatz herumwerkelt, und denjenigen unter uns, die eine akademische Ausbildung genossen und Bücher studiert haben, die uns qualifizieren, Pflanzen und Magie zu nutzen, um korrekte Heilmittel zu verabreichen?«, fauchte er.

»Diese Bücher finde ich faszinierend«, erwiderte ich.

»Die könnt Ihr ruhig faszinierend finden, nur sind es geheime Bücher, das ist der Sinn der Sache.«

Freundlich lächelte ich ihn an.

»Ich bitte um Vergebung. Wird der König zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit irgendetwas behandelt? Abgesehen von dem Heilwasser?«

»Körperlich ist er stabil und erfreut sich bester Gesundheit. Ich habe ihm aber zusätzlich auch noch einen Schlaftrunk verordnet. Er hat einen schweren Schock erlitten. Er braucht Ruhe vor dem morgigen Tag. Er darf nicht gestört werden. Ich werde heute Nacht bei ihm Wache halten.«

Dieses Mal hatte Simut dafür gesorgt, dass sich die Sicherheitsmaßnahmen in den königlichen Gemächern auch auf das versiegelte Allerheiligste erstreckten. An jeder Biegung des Korridors hatte man jeweils zwei Wachen aufgestellt. Und als wir die eigentlichen Schlafgemächer erreichten, standen dort je zwei Wachmänner rechts und links neben der Tür und zwei weitere gegenüber. Die Türen waren geschlossen, aber Pentu schob sie leise auf und bedeutete mir, einen kurzen Blick in den Raum zu werfen.

Öllampen erhellten das Zimmer, das dem König vorübergehend als Schlafgemach diente; sie standen in den Wandnischen, auf dem Fußboden und in noch größerer Anzahl um sein Bett herum, sodass er aussah wie ein junger Gott inmitten einer Sternkonstellation aus Lampen. Man hatte sie entzündet, um die Dunkelheit der Welt, die ihn umgab, zu verbannen, doch im Vergleich zu derart bedrohlichen, gefährlichen Kräften machten sie einen schwächlichen Eindruck. Anchesenamun hielt die Hand ihres Gemahls und sprach beruhigend auf ihn ein. Ich sah die Vertrautheit, die zwischen ihnen herrschte, spürte, wie sie ihm ein Gefühl von Sicherheit vermittelte und dass sie die Tapferere und Stärkere von beiden war. Ich konnte mir aber immer noch nicht vorstellen, wie ein derart zartes Paar ehrgeizigen Demagogen und Diktatoren wie Eje und Haremhab morgen die Macht entreißen wollte. Ich wusste jedoch, dass ich lieber unter Anchesenamuns Herrschaft lebte als unter der Herrschaft einer der beiden Männer. Und ich wusste, dass sie gescheit war. Sie hatten sie unterschätzt. Sie hatte sie beobachtet und von ihnen gelernt, und vielleicht hatte sie sich mittlerweile auch etwas von der Skrupellosigkeit angeeignet, die sie benötigen würde, um in diesem Gewirr von Ungeheuern zu überleben. Für einen kurzen Moment schauten sie beide auf und sahen mich im Türrahmen stehen. Ich verneigte mich. Tutanchamun, Herr der Beiden Länder, starrte mich mit frostiger Miene an und befahl mir dann mit einer Handbewegung, ich möge mich entfernen.