Pentu schlug mir die Tür vor der Nase zu.
20
Ich beeilte mich, um mich mit Kheti in dem Viertel der Stadt zu treffen, das Männer nach einem harten Arbeitstag in ihren Beamtenstuben aufsuchen. Ich war sehr spät dran; das wenige Licht, das die Straßen und Wege erhellte, drang aus den kleinen Fenstern der Häuser, in denen man Öllampen entzündet hatte. Betrunkene Männer, Beamte und Arbeiter bevölkerten die engen Gassen. Manche eilten allein, schweigend und verstohlen ihres Weges, andere torkelten johlend und brüllend in Gruppen von einem Etablissement zum anderen. Mädchen mit zur Schau gestellten Brüsten, schlanke, durchtrieben dreinblickende Knaben und einige, die sowohl das eine als auch das andere sein konnten, schoben sich so geschickt durch das Gewühl, dass sie die Männer dabei berührten, und drehten sich noch einmal kurz nach hinten um, bevor sie in dubiose Hauseingänge entschwanden, die in winzige, mit Vorhängen abgeteilte Parzellen führten, in denen sie ihrem Gewerbe nachgingen. Eine der Frauen trat an mich heran.
»Ich kann dir Wonnen bereiten, die du dir gar nicht vorstellen kannst«, hauchte sie mit ausgelaugt klingender Stimme.
Ich fand den niedrigen, anonymen Hauseingang in einer langen Lehmziegelmauer, die von der Hauptdurchgangsstraße abging. Ich lief an dem dicken Türsteher und seiner dicken Tür vorbei und durch den Gang. Normalerweise sind diese Etablissements wie ein Kaninchenbau aus stickigen Räumen, deren niedrige Decken mit dem schwarzen Talgrauch vieler Nächte bedeckt sind, aber dieses hier war ganz anders. Dieses hier war eine Aneinanderreihung von Räumen und Innenhöfen. Alles war von hochwertiger Qualität: Exquisite Gemälde, ausgesprochen gute Kunst, und feinste Gobelins hingen an den Wänden. Das Ganze hatte den Glanz von Reichtum und Erfolg; und dort drängten sich elegante, erfolgreiche Männer, ihre Gefolgsleute und die Frauen, die ihnen dienten, und sie tranken und unterhielten sich – brüllten ihre Meinung über Bierkrügen, Weinkelchen und Tellern, auf denen sich die feinsten Speisen türmten, lachend oder verächtlich heraus. Gesichter tauchten vor mir auf und verschwanden wieder in der Menge: Eine extrem geschminkte Frau, die teuer angezogen war, brüllte mit erregtem Blick wie ein Esel; einem rotgesichtigen älteren Mann stand der Mund weit offen wie einem schreienden Baby; und versteckt in einer Ecke erblickte ich das kantige, schmierige, schmale Profil eines jungen Mannes, der mit niemandem sprach, aber alles beobachtete und auf seine Gelegenheit wartete wie eine Hyäne bei einem Festgelage.
An den Wänden hingen Gemälde mit Kopulationsdarstellungen: Männer trieben es mit Frauen, Männern mit Männern, Männer mit Knaben, Frauen mit Frauen. Jede der Figuren hatte ein karikaturartiges Grinsen der Ekstase auf dem Gesicht, das man mit ein paar roten und schwarzen Strichen skizziert hatte. Unvorstellbar gewaltige Schwänze ragten hervor. Diverse Penetrationen wurden vollführt. Ich hatte solche Dinge bereits auf satirischen Schriftrollen gesehen, die konfisziert worden waren, aber noch nie in größerem Maßstab.
Kheti erwartete mich, und ich bestellte mir einen Krug Wein. Die fleckige, fahle Haut der nicht mehr jungen Dienerin sah aus, als habe sie seit vielen Jahren kein Sonnenlicht mehr gesehen.
»Ich habe sehr, sehr langsam getrunken«, sagte er, um mir vor Augen zu halten, wie massiv ich mich verspätet hatte.
»Eine Eins für Selbstdisziplin, Kheti.«
Wir suchten uns eine Ecke und setzten uns beide mit dem Rücken zu den anderen im Raum, weil wir nicht wollten, dass unsere Anwesenheit unnötig auffiel – denn leichtfertig begibt sich kein Medjai in ein Etablissement dieser Art. Unzählige reiche Männer, deren Geschäfte alles andere als rechtmäßig waren, frequentierten diese Etablissements und fanden unter Umständen Vergnügen daran, sich mit Gesetzeshütern wie Kheti und mir an einem Ort anzulegen, an dem wir nur auf wenige Freunde zählen konnten.
Der Wein wurde serviert. Wie ich erwartet hatte, war er überteuert und schmeckte nicht überwältigend. Innerlich versuchte ich, die seltsame Ähnlichkeit zu verarbeiten, die diese beiden Welten miteinander hatten: der Malqata-Palast mit seinen totenstillen Steinkorridoren, seinen elitären Schauspielern und dem leisen Drama um Macht und Verrat und dieser Spielplatz lärmenden Nachtlebens. Ich nahm an, dass sich an beiden Orten das Gleiche abspielte – männliche Begierde wurde befriedigt, jede Nacht.
»Irgendwelche weiteren Spuren?«, fragte ich.
»Ich habe mich umgehört. Das stellt sich allerdings als schwierig dar, weil das junge Volk inzwischen aus dem gesamten Königreich kommt. Einige von ihnen sind als Sklaven oder Gefangene hier, während andere einfach nur verzweifelt aus dem von Fliegen verseuchten Nichts flüchten wollten, das sie ihr Zuhause nannten, um auf den goldenen Straßen der Stadt ihr Glück zu machen. Die meisten kommen aufgrund der Versprechungen der Werber, die ihre Heimatorte aufsuchen, aber viele werden sogar von ihren eigenen Familien verkauft. Babylonier, Assyrer, Nubier … Wenn sie Glück haben, enden sie in Theben oder Memphis.«
»Und wenn sie Pech haben, irgendwo, wo es weniger romantisch zugeht, in einer Garnisonsstadt wie Bubastis oder Elephantine«, sagte ich. »Lange halten sie nirgendwo durch. Das Einzige, was sie zu bieten haben, ist ihre Schönheit und ihre Jugend. Aber sobald die mal weg sind … sind sie nur noch menschlicher Schrott.«
Ich schaute mich um und sah in den jungen Gesichtern den Schaden, den es anrichtete, diese anspruchsvollen Kunden Nacht für Nacht zu bedienen. Verzweifelte Gesichter, die zu breit lächelten, zu aufgesetzt, weil sie zu sehr versuchten zu gefallen; hübsche Mädchen und hübsche Knaben, die wie lebende Puppen auf den Knien der abstoßenden Kerle saßen, die sich einmal die Woche oder einmal im Jahr Frischfleisch leisten konnten. Alle wirkten sie überzeichnet und wild. Eine junge Frau mit ruinierten Augen lief an uns vorüber; man hatte ihr die Nase abgeschnitten. Sie sah aus, als bewege sie sich an unsichtbaren Schnüren, die von einem unsichtbaren Marionettenspieler betätigt wurden. Sie schwebte durch die Menge davon.
»Interessanterweise transportieren im Rahmen dieses Handels aber auch viele von denen illegale Drogen über die Grenzen oder flussabwärts. Das ist eine billige Liefermethode. Jeder weiß, dass es passiert, und die jeweiligen Mengen sind zu klein, um sich damit abzugeben; und die Grenzwachen werden bestochen oder nehmen einen schnellen Fick als Schmiergeld. Selbst wenn ein paar wenige geschnappt werden, um ein Exempel zu statuieren, überwiegt der Profit die Verluste um ein Vielfaches.«
»Was für eine wunderbare Welt das ist«, sagte ich.
Kheti lachte leise in sich hinein.
»Sie könnte eine Renovierung gebrauchen.«
»Sie verfällt nur immer mehr«, sagte ich voller Pessimismus.
»Das sagst du immer. Du wüsstest gar nicht, was du sagen solltest, wenn tatsächlich mal was Gutes passieren würde«, erwiderte er mit seinem so typischen und so lästigen Optimismus. »Du bist mieserer Laune als Thot, und der ist ein blödes Tier.«
»Thot hat nie miese Laune. Und er ist nicht einmal ansatzweise so blöde wie das Gros der zweibeinigen Kreaturen, die hier herumlaufen. Er ist nachdenklich.«