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Ich machte mir Sorgen. Das, wovon ich mir erhofft hatte, dass es eine schnelle und relativ kleinformatige Angelegenheit werden würde, hatte sich zu einer problematischen Übung in puncto Politik und Wahrung des äußeren Scheins entpuppt. Ich hätte voraussehen müssen, dass nichts einfach sein würde. Zwischen den Privatsekretären des Königs, der Abteilung, die für seine Sicherheit verantwortlich war, und nahezu jeder anderen Dienststelle der Regierung hatte es vertrauliche Zusammenkünfte, Streitigkeiten und jede Menge Korrespondenz gegeben, und dabei war es schlichtweg um alles gegangen. Neben Auseinandersetzungen darüber, wie man den König nach den Mühsalen seiner Regierungsgeschäfte unterhalten und wie er bei der Ausübung seiner Regierungsgeschäfte wirken sollte, waren zwischen den einzelnen Ministerien langatmige Dispute über die Passagierliste ausgebrochen, über die Vorräte, die Möbel, die zwingend mitgeführt werden mussten, und den offiziellen Zeitplan. Alles war ein Problem gewesen. Aber um dieses Chaos hatte Eje sich gekümmert. Ich hatte ihn seit der Proklamation im Tempel nicht wiedergesehen, doch er schien die Idee der Jagd zu unterstützen. Überdies war beschlossen worden, dass Anchesenamun in Theben bleiben würde, um die Interessen des Königs während der Zeit zu wahren, da die Regierungsgeschäfte in seiner Abwesenheit weitergeführt wurden. Eje würde auch hierbleiben. Nichts, was er bisher getan hatte, ließ darauf schließen, dass er die Proklamation des Königs nicht unterstützte.

Um den Jungen machte ich mir ebenfalls Sorgen. Nacht erzählte mir, er mache nur sehr langsam Fortschritte und dass ich mehr nicht erwarten durfte. »Rechne mit dem Schlimmsten, tröste dich mit allem, was weniger schlimm ist, und betrachte jeden Erfolg, als sei er ein Hochstapler«, hatte er mir wie ein Schulmeister geraten, als ich in seinem Stadthaus vorbeischaute, um mich nach dem Befinden des Jungen zu erkundigen. Aufgrund der vielen Schienen und Leinenverbände, mit denen mein alter Freund die schrecklichen Verletzungen zu heilen versuchte, sah der Junge fast aus wie eine Mumie. Erfreut stellte ich fest, dass zumindest die Nadelstiche in seinem Gesicht verschorften und ganz allmählich abheilten. Selbstverständlich konnte er nichts sehen, aber als ich zu ihm sprach, verriet mir sein Gesicht, dass er meine Stimme wiedererkannte.

»Erinnerst du dich an mich?«, fragte ich ihn ruhig.

Er nickte.

»Ich muss verreisen, aber ich übergebe dich der Fürsorge dieses Herrn. Sein Name ist Nacht. Er wird dich versorgen, bis ich zurückkehre. Hab keine Angst. Er ist ein guter Mensch. Und wenn ich wiederkomme, werden du und ich uns unterhalten. Verstehst du mich?«

Und irgendwann nickte er langsam. Mehr konnte ich nicht tun. Darüber hinaus konnte ich mich nur weiter an die Hoffnung klammern, dass er noch am Leben sein würde, wenn ich nach Theben zurückkehrte.

Das erregte Gackern, Schnattern und Meckern der panischen Hühner, Enten und Ziegen, die herbeigeschleppt wurden, um lebend auf die Schiffe verladen zu werden, riss mich aus meinen Gedanken. Gleichzeitig trugen Sklavenmannschaften bereits geschlachtete Tiere aufs Schiff, die in Salz gepökelt in großen Kisten lagerten, sowie ganze Tierleiber, weiße, milchige Knochen in weichen, dunklen Fleischschwarten. Obst und Gemüse, das ganze Lagerhäuser hätte füllen können, säckeweise Getreide, Silberteller, feinstes Leinen, Kelche und Becher … es erweckte den Eindruck, als rüsteten wir uns für eine Reise in die Ewigkeit. Ein Aufseher überwachte das Ganze, marschierte herrisch durch die Arbeitertrupps und hakte die einzelnen Posten auf einer langen Papyrusrolle ab, auf der alles, was unter Umständen gebraucht wurde, sorgfältig aufgelistet war. Ich stellte mich vor und bat ihn, mir zu erklären, was da im Einzelnen verladen wurde. Er nickte und bedeutete mir, ihm in die Lagerräume zu folgen.

»Diese Vorräte sind nur für den König und sein Gefolge – die Lebensmittel für die Soldaten und Bediensteten werden auf ein anderes Transportschiff geladen, das den königlichen Schiffen vorausfahren und jeden Abend alles für die Ankunft des Königs vorbereiten wird«, sagte er.

Plötzlich lief er zwischen zwei Wachsoldaten hindurch nach rechts und betrat einen randvollen Lagerraum.

»Und das ist die königliche Ausrüstung.«

Er stand da, die Hände in die Hüften gestemmt, und sein sachkundiges Auge hatte alles im Blick. Diener traten lautlos ein und begannen, mit seiner Erlaubnis und auf seine Anweisung hin, alles herauszuräumen.

Bei der Ausrüstung handelte es sich um vier Streitwagen und ein gewaltiges Aufgebot an Waffen – Pfeile, Bögen, Speere, Dolche, Wurfstöcke und Peitschen in mit Gold und Silber intarsierten Kisten. Daneben alles, was erforderlich war, damit der König es bequem hatte: Fächer, Sessel, Klappstühle, Betten, Kisten, Throne, Baldachine, Alabasterlaternen, Trinkbecher aus Alabaster, Kelche aus Gold, schränkeweise Gewänder für offizielle Anlässe, Jagdkleidung, Kultgewänder aus Leinen, Juwelen, Halsketten, Schminke, Salben und Öle. Alles war mit den kostbarsten Materialien verziert oder aus den feinsten Hölzern hergestellt. Nur hier, aufgehäuft am Pier, inmitten der Dunkelheit, die lediglich von den Fackeln erhellt wurde, die jetzt im kalten Nachtwind aus dem Roten Land erzitterten, sah die königliche Ausrüstung eher aus wie die Requisiten eines obdachlosen Gottes. So viel Kram für eine derart kurze Reise; kein Wunder, dass Anchesenamun sich von der Last des Königinnendaseins und dem vielen Gold wie erdrückt fühlte.

Ich ließ sie mit ihrer Arbeit fortfahren und kehrte zum Schiff zurück, um dabei zuzusehen, wie man den zahmen jungen Löwen des Königs an seiner Kette an Bord führte. Das Tier schnupperte die fremde Nachtluft und zerrte an seiner kurzen Leine. Es war ein prächtiges Tier, das geschmeidig Kopf und Schultern wiegte, während es lautlos über das Deck zu seinem bequemen und luxuriösen Käfig am Heck tappte. Dort legte der Löwe sich nieder, leckte sich die weichen Pfoten und schaute mit ernstem Blick in die große weite Welt der Nacht, die jenseits der verschlossenen Gitter so nah und doch so unerreichbar fern für ihn war. Dann gähnte er, als akzeptiere er das Los, in einem so luxuriösen Gefängnis zu sitzen, und legte den Kopf nieder, um zu dösen.

Im nächsten Moment spitzte er plötzlich die Ohren, wandte den Kopf und schaute auf den Pier, wo auf einmal Unruhe herrschte. Es folgte eine kurze Trompetenfanfare. Umgeben von einer Entourage aus Offiziellen und Wachen erschien des Königs zarte, elegante Gestalt. Anchesenamun lief mit bedecktem Kopf ein paar Schritte hinter ihm. Sie verabschiedeten sich voneinander, höflich und in aller Form, und ich sah, dass Eje sich vorbeugte und dem König etwas ins Ohr flüsterte. Khay stand aufmerksam daneben, als hoffe er, gebraucht zu werden. Dann forderte Simut – in voller Militäruniform – den König auf, an Bord zu gehen. Vorsichtig, elegant und mit einer gewissen Skepsis stieg Tutanchamun in Begleitung seines goldgeschmückten Äffchens auf das Schiff und wirkte dabei in seinen weißen Gewändern wie ein Ibis, der durchs Schilf stakst. Als er das Deck betrat, drehte er sich um und vollführte mit der Hand eine Geste, die den Leuten galt, die noch an Land standen. Es war ein sonderbarer Moment, als beabsichtige er, jetzt entweder eine Rede zu halten oder zu winken wie ein Kind. Alle standen sie schweigend da und erwarteten etwas. Im nächsten Moment nickte er einfach nur, als falle ihm nichts Besseres ein, und dann verschwand er rasch in der Kabine.