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Während Eje in eine Diskussion mit dem Kapitän des Schiffes vertieft war, winkte Anchesenamun mich zu sich.

»Pass auf ihn auf«, sagte sie leise und drehte dabei unaufhörlich an den goldenen Ringen, die ihre zarten und perfekt manikürten Finger zierten.

»Ich mache mir um Eure Sicherheit Sorgen. Hier im Palast, mit Eje …«

Sie sah mich an.

»Ich bin das Alleinsein gewohnt. Und Eje scheint zu dem Entschluss gelangt zu sein, das, was er nicht bekämpfen konnte, zu unterstützen«, flüsterte sie.

»Wirklich?«

»Ich traue ihm natürlich ebenso wenig, wie ich einer Kobra trauen würde. Es ist fast beunruhigender, einen scheinbaren Verbündeten in ihm zu haben als einen klaren Feind. Doch verschafft er uns die Kooperation der Ministerien und die Unterstützung der Priester. Ich schätze, dass er nach wie vor glaubt, er könne uns nach seinen eigenen großartigen Vorstellungen lenken.«

»Er ist ein nüchterner Pragmatiker. Er hat sofort begriffen, dass Widerstand die Dinge schwieriger gestaltet hätte als eine Zusammenarbeit. Er hat aber trotzdem immer noch große Macht …«, sagte ich vorsichtig.

Sie nickte.

»Ich werde nicht den Fehler begehen, ihn zu unterschätzen oder ihm zu trauen. Nur ist da jetzt ein Gleichgewicht. Wie er seine Macht öffentlich ausübt, muss vom König autorisiert werden. Und außerdem haben er und ich einen gemeinsamen Feind.«

»Haremhab?«

»Genau. Der König ist immer noch naiv, was den General betrifft. Wo immer er im Moment auch sein mag, ich bin überzeugt, dass er bereits die nächste Phase seines Feldzugs an die Macht plant. Sei also vorsichtig in Memphis, denn das ist seine Stadt, nicht unsere.«

Ich wollte gerade darauf antworten, als Eje, der ja über die Gabe verfügte, immer genau dann aufzutauchen, wenn das am wenigsten erwünscht war, mich unterbrach.

»Ihr habt Eure Vollmachten und Papiere?«, fragte er mich in dem für ihn so typischen gebieterischen Ton.

Ich nickte.

»Der König hat seine große Proklamation gemacht, und diejenigen, die ihm am nächsten stehen, haben ihn in seinem Ehrgeiz unterstützt. Jetzt muss die königliche Jagd erfolgreich zu Ende geführt werden. Es wäre eine herbe Enttäuschung, wenn er ohne Löwentrophäe zurückkehren würde«, fügte er in vertraulicherem Ton hinzu, der aber trotzdem so trocken klang wie rieselnder Sand.

»Ich habe keine Ahnung, wie man Löwen jagt«, sagte ich. »Ich bin für seine Sicherheit und sein Wohlergehen verantwortlich und dafür, ihn hierher zurückzubringen, in eine sichere Zukunft.«

»Ihr werdet genauestens tun, was Euch befohlen wurde. Und wenn Ihr versagt, werdet Ihr persönlich einen hohen Preis dafür zahlen.«

»Was meint Ihr damit?«

Er tat so, als überrasche ihn die Unschuld meiner Frage. »Missverständlich habe ich mich ja nun wirklich nicht ausgedrückt«, meinte er.

Ohne ein weiteres Wort verbeugte er sich und schlug Anchesenamun vor, dass sie sich für die Abfahrt des Schiffes bereitmachten.

Die rund sechzig Ruderer griffen unter dem Schandeck nach ihren Rudern und begannen, das großartige Schiff unter Einsatz all ihrer Körperkraft zum Rhythmus der Trommel vom Steg wegzusteuern. Aus der langsam größer werdenden Entfernung sah ich, wie Anchesenamun und Eje uns nachsahen. Schließlich wandte sie sich, ohne zu winken, um und verschwand im finsteren Palast wie eine bleiche Gestalt, die in das Reich der Toten zurückkehrte. Eje blieb stehen und schaute uns nach, bis wir aus seinem Blickfeld verschwanden. Ich sah auf die schwarzen Wasser. Sie strudelten und gurgelten, als rühre ein Zauberer seltsame Glücksfälle und Schicksalsstürme zusammen.

25

Simut gesellte sich zu mir, und so standen wir gemeinsam am Heck des goldenen Schiffes, als die Stadt hinter uns verschwand. Theben, die Stadt meiner Geburt, die Stadt meines Lebens. Dunkel lagen sie unter dem Nachthimmel, die düsteren Vorstädte und Baracken, die steilen hohen Mauern der Tempel und Pylone, die an den Stellen, an denen der Mond sie illuminierte, weiß erstrahlten. Und trotz all der vielen Menschen, die in ihr lebten, kam es mir so vor, als sei die Stadt hohl, als schwanke sie gefährlich wie etwas, das aus Papyrus und Schilf gebaut ist und durch einen einzigen scharfen Windzug zum Einsturz gebracht werden kann. Ich stellte fest, dass die Fantasie Entfernungen überbrücken kann, aber das Herz kann das nicht. Ich dachte an die Kinder, die jetzt schliefen, und an Tanefert, die wach in unserem Bett lag; die Kerze auf dem Tischchen daneben brannte noch, und sie dachte an mich, der ich auf diesem goldenen Schiff war, das sich immer weiter von ihr entfernte. Ich hatte beschlossen, Thot bei ihr zu lassen, damit er in der Nacht das Haus bewachte. Das Tier hatte bei unserem Abschied tieftraurig ausgesehen, als wüsste es, dass ich für geraume Zeit ging.

»Ist deine Familie jetzt allein hier?«, fragte ich Simut.

»Ich habe keine Familie. Was das angeht, habe ich ganz zu Anfang meiner Karriere eine Entscheidung getroffen. Als ich jung war, hatte ich nur wenige Verwandte, und die wenigen, die ich hatte, waren mir keine Hilfe. Also gelangte ich zu dem Schluss, dass ich das als erwachsener Mann nicht vermissen würde. Die Armee ist meine Familie. Und das ist sie mein Leben lang gewesen. Ich bereue da nichts.«

Das war die längste Ansprache, die er mir je gehalten hatte. Nach einer Pause, in der es den Anschein hatte, als überlege er, ob er mir etwas noch Intimeres anvertrauen konnte, sagte er: »Ich glaube, dass es gefährlicher ist, den König auf dieser Reise zu beschützen als im Palast. Da hatten wir zumindest Kontrolle über die Sicherheitsmaßnahmen. Wir hätten neu organisieren können, wer Zutritt zu den einzelnen Palastbereichen erhält … aber hier draußen kann alles passieren.«

Diese Meinung teilte ich, aber wir waren nun mal hier und mussten mit Umständen fertigwerden, die uns überforderten, weil sie außerhalb unserer Kontrolle lagen.

»Was hast du denn im Hinblick auf die geschändete Steingravur beim Oberarchitekten des Tempels in Erfahrung bringen können?«, fragte ich ihn.

»Er hat gesagt, die letzten Wochen der Bauarbeiten seien katastrophal gewesen. Sie hinkten dem Zeitplan hinterher, weil die Reliefs viel zu langsam fertiggestellt wurden, und die Einteilung der Handwerker geschah auf Weisung des leitenden Künstlers. Aufgrund des Zeitdrucks erfolgten nur unzureichende Sicherheitsüberprüfungen, viele der Arbeiter waren nicht registriert, was sie eigentlich hätten sein sollen, und jetzt will natürlich niemand für die Gravur verantwortlich gewesen sein … Irgendein skrupelloses Element hätte sich Zutritt zur Baustelle verschaffen können, allzu schwierig wäre das nicht gewesen …«

Mit unheilvoller Miene stierte er in das dunkle Laub am Flussufer, als würden sich hinter jeder Palme Meuchelmörder verstecken.

»Ich bin ebenso wenig glücklich über diese Mission wie du. Memphis ist ein Schlangennest …«

»Ich kenne die Stadt gut. Ich bin dort ausgebildet worden. Zum Glück habe ich meine eigenen Kontakte in der Stadt«, sagte er.

»Und was hältst du von Haremhab?«, fragte ich.

Er starrte auf den dunklen Fluss.

»Meiner Meinung nach ist er ein großartiger General, militärisch gesehen. Auf menschlicher Ebene betrachtet könnte ich das von ihm nicht behaupten …«

Genau in diesem Moment trat ein junger Offizier zu uns, salutierte vor Simut und sprach mich an. »Der König möchte Euch sehen.«

Und so führte man mich in die königlichen Gemächer. Sie verbargen sich hinter schweren Vorhängen, die man zugezogen hatte, um diesen Bereich noch privater und intimer zu gestalten. Vom König und seinem Äffchen fehlte jede Spur. Duftende Öllampen illuminierten die üppige und elegante Ausstattung. Ich ließ meinen Blick über die vielen Kostbarkeiten schweifen, von denen eine einzige ausgereicht hätte, eine Familie ein Leben lang zu ernähren. Ich nahm einen Alabasterkelch in die Hand, der die Form einer weißen Lotosblüte hatte. Er war mit einer Inschrift aus gestochen scharfen, schwarzen Hieroglyphen versehen. Ich las sie mir laut vor: